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Wenn der Partner ausrastet: So viele Fälle häuslicher Gewalt gab es 2021 im Allgäu

Prävention

Wenn der Partner ausrastet: So viele Fälle häuslicher Gewalt gab es 2021 im Allgäu

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    Polizei und Caritas wollen Tätern gemeinsam helfen, aus der Gewaltspirale rauszukommen.
    Polizei und Caritas wollen Tätern gemeinsam helfen, aus der Gewaltspirale rauszukommen. Foto: Bernhard Weizenegger (Archiv)

    Anschreien, Demütigungen, Randale und Schläge: Häusliche Gewalt hat viele Gesichter. In mindestens 80 Prozent der Fälle sind die Täter laut Polizei Männer. Im Allgäu kooperiert sie nun mit der Caritas. Im Fokus stehen dabei Täterinnen und Täter. Analog zur Opferberatung wolle man möglichst vielen von ihnen die Möglichkeit geben, aus dem Kreislauf der Gewalt auszusteigen, sagt Dominikus Stadler, Leiter der Abteilung Einsatz beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West.

    Häusliche Gewalt findet in jeder Altersklasse und in allen gesellschaftlichen Schichten statt, betont die Polizei. Jede vierte Frau sei einmal in ihrem Leben von Gewalt durch den Partner betroffen. Im Bereich des Kemptener Polizeipräsidiums wurden 2021 insgesamt 1462 Fälle gemeldet. 2020 waren es 1587. Polizeiliche Intervention reicht aber nicht aus, um die oft generationenübergreifende Gewaltspirale zu durchbrechen. Dazu bedarf es zielgerichteter Stellen wie der Caritas-Beratungsstelle Kempten-Oberallgäu. Sie hilft Menschen, die zu Tätern geworden sind, ihre Aggressionen in den Griff zu bekommen.

    Nur, wer sich die Taten eingesteht, wird aufgenommen

    „In das Täterprogramm werden nur Personen aufgenommen, die sich ihre Taten eingestehen, ein Mindestmaß an Bereitschaft zur Mitarbeit zeigen und gruppenfähig sind“, sagt Andrea Springborn von der Caritas-Beratungsstelle in Kempten, wo seit September 2020 eine halbe Stelle zur Verfügung steht, die vom Freistaat finanziert wird. „Die Opfer häuslicher Gewalt sind meist gut betreut – wir müssen aber auch mit den Verursachern der Leiden arbeiten, damit sie ihr gewalttätiges Verhalten ändern.“ Bedarf ist offenbar da: Allein bei der Caritas Kempten-Oberallgäu meldeten sich im vergangenen Jahr 39 Täterinnen und Täter; heuer sind es bisher schon 26 – davon eine Frau.

    „Sie werden zum Beispiel von der Justiz geschickt, weil sie eine Therapie als Auflage bekommen haben, kommen aber auch freiwillig“, sagt Springborn. Bevor die eigentliche Therapie startet, gibt es sechs vorbereitende Gespräche, in denen es um die persönliche Lebenssituation geht. Dann beginnt die sechsmonatige Gruppenarbeit, bei der sich die Beteiligten alle zwei Wochen je drei Stunden treffen. „Da spiegelt sich die ganze Gesellschaft wieder – von jung bis alt und vom Hilfsarbeiter bis zur Führungskraft.“

    Programm soll Entstehung von Gewalt verhindern

    Im Zentrum steht das Thema „Gewalt“, erklärt Springborn: „Das ist der Schnittpunkt, der alle verbindet.“ Konkret werde daran gearbeitet, dass sie erst gar nicht entsteht. „Anlass ist immer eine Stresssituation – da setzen wir an.“ Damit müsse ein anderer Umgang erlernt werden. Zudem werde den Täterinnen und Tätern klar gemacht, was bei ihnen Gewalt auslöst und welche Auswirkungen ihre Gewalt auf den Partner und die ganze Familie hat. „Speziell Männer müssen auch lernen, über ihre Gefühle zu reden – auch mit ihren Partnerinnen“, sagt Springborn.

    Und die Erfolgsaussichten? „Viele Männer berichten, dass sie besser mit den Situationen umgehen können“, sagt Springborn. „Aber sie müssen weiter daran arbeiten.“ Daher würden auch nach dem halben Jahr Termine angeboten. „Es gibt aber keine Garantie, dass sie keine Gewalt mehr ausüben.“ Den ersten Kontakt bei Häuslicher Gewalt hat meist die Polizei. Sachbearbeiterin in Marktoberdorf ist Monika Zeiler. „Wenn bei uns Gewalt angezeigt wird – was quasi wöchentlich vorkommt –, empfehlen wir Opfern und Tätern die Beratungsangebote. Das ist aber für die Betroffenen freiwillig.“ Für die Tatverdächtigen haben diese Angebote aber durchaus Auswirkungen auf das weitere Strafverfahren: von der Einstellung bis zu einem geringeren Strafmaß.

    Das sind die Ziele des Programms gegen Häusliche Gewalt

    • Keine erneute Gewaltausübung durch das Erlernen vorbeugender Maßnahmen
    • Verantwortungsübernahme durch Reflexion
    • Selbstwahrnehmung und -kontrolle
    • Empathie lernen
    • Alternative Konfliktlösungsstrategien erlernen
    • Beziehungsfähigkeit verbessern
    • Kontakt: Wer Hilfe sucht, kann sich bei speziellen Sachbearbeitern „Häusliche Gewalt“ bei den Polizeiinspektionen oder bei der Caritas-Beratungsstelle melden, per E-Mail an info@caritas-oberallgaeu.de oder unter der Telefonnummer 0176/16610377

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