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Wie Karl Geiger einer der besten Skiflieger der Welt wurde

Karriereplanung eines Sportlers

Wie Karl Geiger einer der besten Skiflieger der Welt wurde

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    Karl Geiger mit seinen Eltern Monika und Roman. In ihrem Haus lebt der Skispringer mit seiner Familie und findet auch Zeit zum Ausspannen.
    Karl Geiger mit seinen Eltern Monika und Roman. In ihrem Haus lebt der Skispringer mit seiner Familie und findet auch Zeit zum Ausspannen. Foto: Christoph Beck

    Karl Geiger (28) ist einer der weltbesten Skispringer. Doch der Weg in die Weltklasse war lang und schwierig. Eine wichtige Station für den Oberstdorfer, der sich nach vier Jahren auf diversen Skivarianten als Neunjähriger endgültig für die Schanze entschied, waren neben Training und Lehrgängen im Jahr 2008 sogenannte Jugend-Planungstage in einem Unternehmerzentrum im oberfränkischen Bad Alexandersbad, wo sich der 15-jährige Karl systematisch Gedanken über seinen weiteren Lebensweg machte.

    Vor 13 Jahren plante er bei einem Jugendseminar seine Zukunft. Einige der damals formulierten Visionen hat er bereits realisiert. Die anderen geht er zielstrebig und strategisch an.

    Vater Roman hatte dort einige Monate vorher an einem Unternehmerseminar teilgenommen. Und war so überzeugt davon, dass er seinem Sohn die Jugendversion empfahl. Der fuhr auch gerne hin, neugierig und interessiert: „Ich stand ja vor dem Realschulabschluss. Und damit vor der Frage: In welche Richtung soll´s weitergehen in meinem Leben?“

    Intensiv mit sich selbst beschäftigt

    Karl nutzte die drei Tage, um sich intensiv mit sich und seinen Vorstellungen zu beschäftigen. Auch wenn er das teilweise als ganz schön schwer empfand, etwa als es darum ging, die eigenen Stärken und Schwächen zu beschreiben. „Aber es hat sich gelohnt. Ich habe mich dadurch wirklich selbst kennengelernt. Und ich habe Struktur in meine Gedankenvielfalt gebracht. Die Zeit danach bin ich wie beflügelt durchs Leben gelaufen – ich hatte auf einmal klare Vorstellungen von meiner Zukunft.“

    Das Skispringen stand dabei natürlich im Mittelpunkt. Auch als es bei dem Seminar darum ging, die eigenen Visionen zu beschreiben. So hatte er etwa die Olympia-Teilnahme auf seiner Liste. Doch es ging bei seiner Lebensplanung nicht ausschließlich um den Sport: „Die Leiterin hat mich zwar in meinen sportlichen Träumen und Zielen bestärkt. Aber sie hat mir empfohlen, zumindest in groben Zügen auch ein Leben neben dem Sport zu planen. Sowohl als Back Up für den Fall, dass sich das mit dem Springen nicht wie erhofft entwickelt, als auch für die Zeit danach."

    Karl Geiger studierte parallel zum Leistungssport

    Für ihn stand schnell fest, wie es nach der Realschule weitergehen sollte: Fachoberschule und Abitur, dann Studium, möglichst Richtung Technik. Und so hat es sich ein paar Jahre später auch entwickelt: Karl Geiger studierte Energie- und Umwelttechnik in Kempten, schloss 2019 mit dem „Bachelor of Engineering“ ab. Alles parallel zum Leistungssport. Das zu kombinieren, war natürlich nicht einfach. Aber damals alternativlos: Er musste 2011 eine Entscheidung treffen, wie es weitergehen sollte.

    Als Springer hatte er noch nicht den ganz großen Durchbruch geschafft. Somit auch keinen Zugang zur Sportförderung, die Spitzenathleten etwa über Polizei oder Zoll eine soziale Absicherung und berufliche Zukunft sichert. Also entschied er sich fürs Studium – in der Meinung, das könnte mit dem Sport gut zusammengehen. Es zeigte sich schnell, dass er den Aufwand fürs Studieren zunächst unterschätzt hatte: „Ich habe mich zwar ordentlich reingekniet, blieb aber trotzdem mit dem Stoff hinterher. Und beim Springen hat es auch nicht so richtig funktioniert. Das wurde erst besser, als ich das System umgestellt habe – schwerpunktmäßig im Sommer studiert, vieles in Eigenregie nachgelernt.“

    Steiler Aufstieg im Weltcup

    Parallel zum Studium entwickelte sich auch die Karriere: 2012 Debüt im Weltcup, 2016 erster Podestplatz, 2018 erster Einzelsieg, 2019 Silbermedaille von der Großschanze sowie zweimal Team-Gold bei Weltmeisterschaften. Mit dem Ende der Doppelbelastung Sport/Studium kam dann der Durchbruch. Die Weltcup-Saison 2019/20 beendete er als Gesamtzweiter. Vor allem die vergangene Saison 2020/21 gehörte Karl Geiger: Bei der Vierschanzentournee sprang er auf den zweiten Platz, bei der WM in Oberstdorf stand er viermal auf dem Treppchen (zweimal ganz oben), den Skiflug-Weltcup beendete er als Gesamtsieger.

    Warum es auf einmal so besonders erfolgreich lief? Da kommt einiges zusammen: Ganz wichtig ist Karl Geiger der Rückhalt in der Familie. 2020 hat er geheiratet und ist Vater einer Tochter geworden. Gemeinsam wohnen sie im Haus seiner Eltern. Die sind bei seinen Wettkämpfen dabei, wann immer es geht. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die permanente persönliche Weiterentwicklung. So ist Karl Geiger durch Atem- und Mentaltraining noch stabiler geworden, kann sich in den entscheidenden Momenten „je nach Bedarf und Anlass runter- oder hochfahren“. Auch die Routine nach zehn Jahren im Weltcup hilft dem 28-Jährigen, sich voll zu fokussieren und nach einem missglückten Sprung gleich wieder einen richtigen Kracher rauszuhauen. Wenn´s drauf ankommt, ist er da.

    Skisprung-Bundestrainer Stefan Horngacher traut Geiger alles zu

    „Dem Karl ist immer alles zuzutrauen“, weiß auch Bundestrainer Stefan Horngacher. Das macht den 28-Jährigen zu einem Mann für die Großevents, bei denen die Athleten unter besonderem Druck stehen: „Da geht es darum, an einem bestimmten Tag deine Leistung abzurufen. Das musst du erst mal hinbekommen.“ Ganz anders im Gesamt-Weltcup, den er aus sportlicher Sicht sogar noch höher ansiedelt: „Da musst du über die komplette Saison hinweg immer einer der Besten sein. Und eben nicht nur an einem Tag.“ Die Vierschanzentournee hat ebenfalls ihre eigenen Spielregeln - „es ist unheimlich schwer, über zehn Tage hinweg viermal eine Top-Leistung abzurufen“.

    Karl Geiger hat gezeigt, dass er das kann. Und dass er auf allen Schanzen und bei allen Wettbewerben gewinnen kann. Das weckt Erwartungen, gerade in einem Olympia-Winter (4. bis 20. Februar in Peking). Er selbst setzt sich allerdings nicht unter Druck: „Mein Ziel ist nicht unbedingt der Sieg“, meint er. Ihm sei es wichtig, „mich immer weiter zu verbessern, mich so gut wie möglich vorzubereiten und am Tag x das Maximale aus mir rauszuholen und einen möglichst guten Wettkampf abzuliefern“. Erfolg im Sport sei schließlich nur bis zu einem gewissen Grad planbar.

    WM-Gold (2) Bei der Heim-WM in Oberstdorf gewann Geiger (links) mit Anna Rupprecht, Markus Eisenbichler und Katharina Althaus Gold im Mixed-Wettbewerb.
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    Akribie ist seine große Stärke

    Doch das, worauf er Einfluss hat, plant Karl Geiger durchaus sehr akribisch. Da kommt ihm sein analytisches Naturell zugute: Jeden Sprung noch mal genau anschauen, im Training wie im Wettkampf. Gemeinsam mit Trainern und Beratern analysieren, was er künftig noch besser machen könnte, wie er Fehler weiter reduzieren könnte. Die Ergebnisse dieser Analyse gezielt ins Training einbauen, das Neue immer wieder einüben – und dann im Wettkampf umsetzen.

    Mal Vierschanzentournee, Olympiagold oder Gesamt-Weltcup zu gewinnen, „das würde mich schon sehr freuen“. Aber wer zu verbissen an solche Ziele rangehe, blockiere sich selbst. Er möchte sich die Lockerheit bewahren, möchte ohne großen Druck „als Mensch wie als Athlet weiter an mir arbeiten“. Dabei hilft ihm auch, „dass ich schon so vieles habe erreichen dürfen“. Da schwingt Demut und Dankbarkeit ans Leben mit. Aber auch Dankbarkeit an die Menschen, die ihn auf seinem Weg begleiten. „Da sind so viele Menschen beteiligt, da muss so vieles zusammenpassen“, weiß Karl Geiger um den Wert der Crew. „Ich muss zwar allein runterspringen - die Voraussetzungen aber schafft das gesamte Team.“

    Und das wird auch in der neuen Saison wieder sein Bestes geben, damit die deutschen Adler mit ihrem „Vorspringer“ Karl Geiger wieder möglichst oft aufs berühmte Stockerl kommen.

    Lesen Sie auch: „Schnellstmöglich beginnen“ - Oberstdorfer Skisprungschanze wird saniert

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