Sogenannte Reichsbürger beschäftigen auch die Allgäuer Polizei. Einige Hundert sollen es hier sein. Eine Durchsuchung gab es auch im Landkreis Oberallgäu. Den „Reichsbürgern“ werfen die Ermittler vor, einen gewaltsamen Umsturz des politischen Systems zu planen. Sie treten zum Teil aggressiv gegenüber den deutschen Gerichten und Behörden auf, heißt es beim bayerischen Innenministerium.
Wie viele „Reichsbürger“ sind der Polizei im Allgäu aktuell bekannt?
Derzeit sind knapp über 300 Personen im Bereich des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West – dazu gehören die , Oberallgäu, Ostallgäu, Lindau, Günzburg und Neu-Ulm sowie die kreisfreien Städte Kaufbeuren, Kempten und Memmingen – als „Reichsbürger“ eingestuft (siehe Infokasten). Diese Zahl nennt Michael Haber, Leiter des Sachgebiets Kriminalitätsbekämpfung beim Polizeipräsidium in Kempten.
Hat die Zahl in den vergangenen Jahren zugenommen?
Nachdem sich die Zahlen in den vergangenen Jahren auf einem ähnlichen Niveau bewegten, ist in diesem Jahr laut Michael Haber eine leichte Steigerung zu verzeichnen. „Hauptgrund dafür dürften die zuletzt vielfach an Behörden verschickten ,Akzeptanz’-Schreiben sein, die aufgrund der reichsbürgertypischen Formulierungen zu einer Einstufung führen und wegen der nötigenden, teils erpresserischen Inhalte zur Anzeige gebracht werden“, erläutert der ranghöchste Kriminalbeamte des Präsidiums. Bei den Schreiben handele es sich um vorgefertigte, im Internet verfügbare Muster, die von „Reichsbürgern“ als Antwortschreiben für Behörden vorgesehen sind, wenn diese etwa Forderungen an sie stellen.
Treten „Reichsbürger“ an einigen Orten im Allgäu verstärkt auf?
Brennpunkte gibt es aus Sicht des Polizeipräsidiums in der Region derzeit nicht.
Wie viele „Reichsbürger“ haben im Allgäu eine Waffenerlaubnis?
„Die Anzahl der Reichsbürger mit waffenrechtlicher Erlaubnis liegt im einstelligen Bereich“, sagt Haber. Wenn „Reichsbürger“ mit einer Erlaubnis nach Einschätzung der Ermittler die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen, arbeite die Kriminalpolizei „sehr eng“ mit den Sicherheitsbehörden zusammen. Letztere können die waffenrechtliche Erlaubnis widerrufen.
Wie treten die „Reichsbürger“ im Allgäu in Erscheinung?
Meist treten Reichsbürger durch Briefe an Behörden wie Justiz, Polizei, Finanzämter oder Gerichtsvollzieher in Erscheinung, heißt es seitens des Polizeipräsidiums. „Vereinzelt suchen die Personen die direkte Konfrontation bei den genannten Stellen“, berichtet Haber. Zudem fielen „Reichsbürger“ bei Verkehrs- oder Personenkontrollen „durch entsprechendes Verhalten und typische Äußerungen“ auf – oder über ihre Internetauftritte sowie bei Verhandlungen.
Laufen gegen einige von ihnen Ermittlungen beziehungsweise Strafverfahren?
Im Zusammenhang mit Briefen oder Internetseiten, die strafrechtlich relevante Inhalte aufweisen wie Nötigung oder Erpressung, werde laufend ermittelt und der Staatsanwaltschaft zugearbeitet, berichtet Haber. Die Zahl der Straftaten bewegte sich heuer im mittleren zweistelligen Bereich.
Sind der Polizei Kontakte zwischen „Reichsbürgern“ und AfD-Mitgliedern im Allgäu bekannt?
In zwei Fällen gab es nachweislich Kontakte zwischen Politikern und im Allgäu ansässigen „Reichsbürgern“, sagt Michael Haber.
So definiert das Bayerische Innenministerium "Reichsbürger" und "Selbstverwalter"
- Reichsbürger sind Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Zur Verwirklichung ihrer Ziele treten sie zum Teil aggressiv gegenüber den Gerichten und Behörden der Bundesrepublik Deutschland auf.
- Selbstverwalter sind Einzelpersonen, die behaupten, sie könnten durch Abgeben einer Erklärung aus der Bundesrepublik austreten und seien so nicht mehr deren Gesetzen unterworfen. Die dafür genutzten Argumente sind im Wesentlichen deckungsgleich mit denen der sogenannten Reichsbürger. Selbstverwalter definieren beispielsweise ihre Wohnung, ihr Haus oder ihr Grundstück als souveränes Staatsgebiet. Ihr Grundstück markieren sie mitunter durch eine (Grenz-) Linie und zeigen als Staatsflagge Symbole, die sie selbst entwerfen.