90 Jahre Zahnradbahn auf die Zugspitze – eigentlich sollte dieses Jubiläum an diesem Mittwoch in Garmisch-Partenkirchen groß gefeiert werden. Doch die Corona-Pandemie machte einen Strich durch die Rechnung.
Viel Zeit also, um sich auf andere Art und Weise dem Bergbahn-Jubiläum zu nähern. Die erst vor einigen Jahren erschlossene Klettertour „Eisenzeit“ durch die gewaltige, 2000 Meter hohe Nordwand der Zugspitze folgt vor allem im unteren Teil dem sogenannten Tunnelbauersteig und führt uns sozusagen in ein alpines Freilichtmuseum. Auf diesem Steig stiegen die Arbeiter in den Jahren 1928 bis 1930 auf und ab, um oben den Stollen für die Zahnradbahn auf die Zugspitze voranzutreiben.
Kletterer sollten früh am Morgen in die „Eisenzeit“ starten, denn immerhin sind vom Eibsee gut und gerne 2000 Höhenmeter bis zum Zugspitz-Gipfel zu überwinden. Auf besagtem Tunnelbauer-Steig stoßen Bergsteiger auch heute noch immer wieder auf Metallteile, auf Kabel, Stahlrollen, riesige Schrauben und Draht-Knäuel. Während wir am Morgen gemütlich über den Steig schlendern und die leichten Kletterstellen genießen, schweifen die Gedanken ab in die Historie der Erschließung dieses Berges.
200.000 Kilogramm Sprengstoff sorgten für den Tunneldurchbruch
Ein Konsortium unter Führung der AEG hatte den Zuschlag für den Bau der Eisenbahnstrecke erhalten. Ein 4466 Meter langer Tunnel sollte für die Zahnradbahn von der Haltestelle Riffelriss bis zum Hotel Schneefernerhaus auf dem Zugspitz-Platt in etwa 2600 Metern Höhe geschlagen werden. Das entspricht einem Höhenunterschied von mehr als 1000 Metern, die Steigung beträgt 25 Prozent.
Während das Teilstück der Bahn von Garmisch bis zum Eibsee bereits im Dezember 1929 fertig war, erwies sich der Tunneldurchbruch als hartes Stück Arbeit. Mit fast 200 000 Kilogramm Sprengstoff wurden 250 000 Kubikmeter Fels und Erdreich bewegt. Zeitweise waren bis zu 2500 Arbeiter beschäftigt.
Lager für 800 Arbeiter
Von den Stollenlöchern in der Nordwand wurden Zugänge geschaffen, um von mehreren Stellen gleichzeitig mit dem Bau des Haupttunnels beginnen zu können. Es gab verschiedene Materiallager, Transport-Seilbahnen, Werkstätten und eine Kantine für 800 Arbeiter. Diejenigen, die hier oben tagelang arbeiteten und übernachteten, erhielten einen vergleichsweise guten Lohn und eine vertraglich geregelte Menge Bier pro Tag. Die leeren Flaschen findet man heute noch in den Kavernen. Zehn Arbeiter kamen bei dem Tunnelbau ums Leben. Viel mussten sie aushalten: Schnee, Kälte, Feuchtigkeit und Nässe in den Hohlräumen.

Nach Tunnelfenster IV führt die Klettertour über Rampen, Platten und Rinnen weiter zu einer brüchigen Stufe im unteren vierten Schwierigkeitsgrad. Die Erstbegeher Michael Gebhardt, Till Rehm und Karen Thirlwell hatten 2013 den Steig erkundet und ein Jahr später Bohrhaken gesetzt. 2016 wurde die Route dann noch verfeinert – ein Leckerbissen für ausdauernde Kletterer mit Spaß am Abenteuer.
20 Millionen Gäste brachte die Bahn schon auf die Zugspitze
Die Jungfernfahrt der Zahnradbahn am 8. Juli 1930 verfolgten seinerzeit tausende Schaulustige. Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber weihte die für 22 Millionen Reichsmark gebaute Bahn ein. Seitdem haben die weiß-blauen Züge 20 Millionen Gäste auf die Zugspitze gebracht. Mehr denn je herrscht auf dem „Top of Germany“ bei schönem Wetter ein Rummel wie am Stachus. Denn nicht nur mit besagter Zahnradbahn kommen die Menschen herauf, sondern auch mit der 2017 in Betrieb gegangenen, komplett sanierten Super-Seilbahn vom Eibsee. Oder mit der Tiroler Zugspitzbahn von Ehrwald aus. Somit ist der höchste Berg Deutschlands wohl der einzige in den Alpen, auf den gleich drei Bahnen fahren.
In 40 Minuten zum Gipfel - oder lieber doch in 10 Minuten?
Hinzu kommen natürlich noch die vielen Wanderer und Bergsteiger, die auf unterschiedlich schwierigen Routen ohne technische Hilfen zum Gipfel kommen und 700 oder sogar über 2000 Höhenmeter bis zum Gipfel an ein oder zwei Tagen überwinden. Während die Seilbahn vom Eibsee nur zehn Minuten bis zum Gipfel benötigt, dauert die Fahrt mit der nostalgisch anmutenden Zahnradbahn auch heute noch 40 Minuten. Im Winter bringt sie die Gäste direkt ins Skigebiet.
Kritische Stimmen hinterfragten übrigens schon vor dem Bau der Zahnradbahn die um sich greifende Erschließung der Berge durch Bahnen. 1925 protestierten Tausende gegen das Projekt. Baurat und AEG-Vorstandsmitglied Philipp Pforr dagegen verteidigte den Bahnbau: „Die Menschheit als Ganzes muss es begrüßen, dass der Zuwachs an seelischer Kraft und an körperlicher Gesundheit, den uns die Berge geben, nun für alle erreichbar ist.“