Die Dunkelheit bricht bereits herein. Das Lagerfeuer knistert. Im Schein der Flammen erzählt Franz Hösle vom Wolpertinger. Groß wie ein Hund oder klein wie eine Maus soll das bayerische Fabelwesen sein. Mit Flügeln, Hörnern oder einem buschigen Schwanz. Und bisher habe noch niemand jemals einen lebendigen Wolpertinger zu Gesicht bekommen. „Aber wenn ihr alle ganz leise seid, dann sehen wir heute vielleicht einen“, raunt der Mann vom Verkehrsverein Sulzberg den gut 70 Kindern und ihren Eltern und Großeltern geheimnisvoll zu. Sie alle wollen sich an diesem Abend auf die Suche nach dem sagenumwobenen Tier begeben.
Einmal im Jahr veranstaltet der Verkehrsverein Sulzberg dieses Abenteuer für Klein und Groß. Immer in den Weihnachtsferien. Jetzt war es wieder so weit.
Manche gruselts, andere ruhen in sich

Die Fackeln brennen – und die Wanderung beginnt. Zuerst geht es durchs Dorf, dann am Waldrand entlang und schließlich ans Ufer des Rottachsees. Einige der Wanderer gruselt es bereits, im dunklen Wald nur bei Feuerschein nach einem wilden Tier zu suchen. Vor allem, wenn hier und da vermeintlich leuchtende Augen aus der Finsternis hervorblitzen und seltsame Schreie ertönen. Andere wiederum bringt so schnell nichts aus der Ruhe: Der neunjährige Tristan aus Kempten zum Beispiel ist ganz vorne mit dabei und hat keine Angst. Auch wenn er gleich sechs leuchtende Augen auf einmal gesehen haben will.
Immer wieder hält Franz Hösle inne. Er stoppt die Gruppe. „Habt ihr die Augen schon gesehen?“, fragt er in die Runde. Der ein oder andere nickt. Alle zusammen lauschen. War das gerade der Ruf des Wolpertingers?
Am Ufer des Rottachsees ist das seltsame Heulen schließlich ganz deutlich zu hören. Jetzt beginnen die Spekulationen. Eine menschliche Gestalt am Ufer kann nur eins bedeuten: Der Wolpertinger kann sich verwandeln! „Das wäre dann aber ein ganz Großer“, stimmt Hösle den Drei- bis Neunjährigen augenzwinkernd zu.
So viele wie noch nie
Nach rund einer Stunde endet der Fackelzug bei Glühwein, Wurstsemmeln und weiteren Lagerfeuern am Kiosk am See. Kinder und Erwachsene unterhalten sich angeregt über das gerade erlebte Abenteuer. „So viele wie dieses Jahr waren wir noch nie“, sagt Hösle. Er ist zufrieden. Auch die Großmutter des neunjährigen Tristans ist begeistert. Als „absolut lobenswert“ bewertet sie das Angebot. Viele Eltern stimmen ihr zu. Bei den wenigen Freizeitmöglichkeiten, die ohne Schnee zwischen den Feiertagen zur Verfügung stehen, sei die Wolpertingerjagd eine willkommene Abwechslung, sagen sie.
Und wie sieht der Wolpertinger nun aus? Auch an diesem Abend können die Wanderer das nicht mit Sicherheit beantworten. Vielleicht im nächsten Jahr.