Wenn Flüsse über die Ufer treten und Sturzfluten ganze Straßenzüge verwüsten, ist der Schaden oft nicht nur materiell – Menschenleben sind in Gefahr. Im vergangenen Sommer gab es bei heftigen Hochwassern in Deutschland, darunter in Schwaben und Oberbayern, erneut Todesopfer. Wie eine aktuelle Analyse der Deutschen Umwelthilfe (DUH) zeigt, ist das Risiko für vergleichbare Katastrophen ausgerechnet in Bayern bundesweit am höchsten.
Laut DUH-Auswertung befinden sich im Freistaat 65.517 Wohnadressen in potenziell hochwassergefährdeten Gebieten – mehr als in jedem anderen Bundesland. Selbst das ebenfalls stark betroffene Baden-Württemberg liegt mit 54.593 Adressen deutlich dahinter. Grundlage der Untersuchung waren Daten des Gesamtverbands der Versicherer sowie der Bundesanstalt für Gewässerkunde. Zugrunde gelegt wurde dabei ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser – also ein Hochwasserereignis, das statistisch gesehen alle 100 Jahre auftritt.
Laut DUH erhöhtes Risiko in Bayern – weniger Fläche für Wasser
Besonders heikel aus Sicht des Freistaats: Zwar sind in anderen Bundesländern größere Flächen als Risikozonen eingestuft – in Nordrhein-Westfalen etwa 6,81 Prozent des Landesgebiets, in Brandenburg 6,21 Prozent und in Sachsen-Anhalt 5,90 Prozent. Doch Bayern kommt auf rund 4,25 Prozent – bei gleichzeitig sehr dichter Besiedelung. Das bedeutet: Wenn Hochwasser zuschlägt, betrifft es hier besonders viele Menschen und Wohngebäude.
Und genau das passierte zuletzt immer häufiger: Laut Deutschem Wetterdienst (DWD) ist die Zahl der Starkregenereignisse in Deutschland zwischen 1961 und 2020 signifikant gestiegen. Besonders problematisch ist, dass Extremwetterlagen infolge des Klimawandels häufiger auftreten – was die Wahrscheinlichkeit von Jahrhunderthochwassern erhöht.
Vorsorge gegen Hochwasser: Bayern hat offenbar Nachholbedarf
Wie gut Bayern auf die zunehmenden Gefahren vorbereitet ist, bleibt umstritten. Die Umwelthilfe kritisiert, dass der Freistaat bisher kaum Informationen über Schwammstadt-Konzepte oder konkrete Hochwasserschutzmaßnahmen auf Landesebene liefern konnte. Immerhin: Als einziges Bundesland bietet Bayern ein eigenes Programm zur „Absiedelung“ an – also zur Rückführung von Bebauung aus hochwassergefährdeten Gebieten, um natürliche Rückzugsräume für Flüsse zu schaffen. Doch auch fragwürdige Entscheidungen werden sichtbar:
Wie eine Anfrage der Grünen im bayerischen Landtag im März dieses Jahres ergab, wurden allein in den vergangenen fünf Jahren über 3250 Baugenehmigungen in potenziellen Überschwemmungsgebieten erteilt. In den Landkreisen Straubing-Bogen und Deggendorf kamen jeweils mehrere Hundert Ausnahmegenehmigungen hinzu. Für DUH-Geschäftsführer Sascha Müller-Kraenner ist das ein gefährlicher Kurs: „Wir müssen weg von rein technischen Lösungen wie Mauern und Deichen – hin zu naturbasierten Ansätzen.“
Ahrtal-Katastrophe bleibt auch für Bayern ein mahnendes Beispiel
Gemeint sind dem Bericht zufolge Renaturierungen, mehr Raum für Flüsse und Rückhalteflächen in Wäldern und Wiesen. Die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 mit mehr als 180 Todesopfern gilt weiterhin als düstere Warnung. Sie habe, so Müller-Kraenner, deutlich gemacht, wie gravierend die Auswirkungen der Klimakrise für Mensch, Natur und Infrastruktur sein können.
Besonders in hochwassergefährdeten Regionen wie Bayern müssten Kommunen nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe besser vorbereitet und unterstützt werden – etwa durch frühzeitige Warnsysteme, klare Bauvorgaben und nachhaltige Stadtplanung. (mit dpa)
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