Dorfcheck Buchenberg ist medizinisch besser versorgt als die meisten Gemeinden im Oberallgäu. Dr. Richard Wagner berichtet von mehr als 30 Jahren als Dorfdoktor Von Bastian Hörmann Buchenberg Dr. Richard Wagner trägt keine weißen Kittel. „Das erschreckt nur die Kinder.“ Wichtiger ist ihm, zu seinen Patienten ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen. Oft über Jahre, teils seit über 30 Jahren. Wagner ist Dorfarzt. Und sagt: „Das ist der schönste Beruf der Welt.“ In frühen Berufsjahren arbeitete Wagner in einer Klinik. Damals merkte er: Die Beziehung zu seinen Patienten ist ihm wichtig. „Kaum war man miteinander warm geworden, waren sie schon wieder aus der Tür.“ Seine Patienten in Buchenberg kennt der 62-Jährige teils seit ihrer Kindheit. „Und jetzt kommen sie mit ihren eigenen Kindern in die Praxis.“ Dort versorgt er mit Kollegin Dr. Ulrike Wilmink auch Patienten aus Kempten und etwa Wiggensbach. Drei Praxen gibt es im Ort, fünf Ärzte. Zudem eine Apotheke. Damit ist die Gemeinde besser versorgt als die meisten im Oberallgäu. Die Mehrheit der Patienten kommt freilich aus dem Ort. Auch Wagner wohnt hier, hat hier seine Kinder großgezogen. Das hat Vor- und Nachteile. Beispielsweise, dass auch mal am Sonntag Patienten zuhause klingeln. Oder, dass Wagner Thema beim Dorftratsch wird. „Ich habe gehört, ich hätte Darmkrebs, Parkinson und Demenz.“ Nichts davon trifft zu. Seine Schwiegermutter habe eines Tages trotzdem erschrocken angerufen. Insgesamt überwiegen für Wagner aber die Vorteile des Dorfarztlebens. Auch wenn er beim Einkaufen oft Patienten trifft. „Dafür kann die Verkäuferin meiner Frau sagen, welche Wurst ich gerne mag.“ Als Wagner 1988 in Buchenberg seine erste Stelle als Hausarzt antrat, musste er zu Hausbesuchen im ganzen Landkreis ausrücken. Ohne Smartphone, ohne Navigationsgerät. „Es war nicht immer leicht, den Hof zu finden, auf dem die kranke Oma war“, sagt der gebürtige Oberpfälzer. Doch schon bald habe er sich besser ausgekannt als seine Frau, die aus Kempten stammt. Auch heute noch macht Wagner Hausbesuche. Dabei klettert er mal mit Arztkoffer durchs Dickicht, wenn er einen verletzten Waldarbeiter sucht. Oder rückt mit Ski oder Schneeschuhen an, wenn das Auto nicht mehr weiterkommt. „Darauf bereitet einen an der Uni keiner vor.“ Überhaupt habe zu seiner Zeit Allgemeinmedizin in der Ausbildung kaum eine Rolle gespielt. Heute sei das anders, die Universitäten haben auf den Mangel an Hausärzten reagiert. „Auch die Bereitschaftsdienste wurden verbessert“, sagt Wagner. Früher hätten sie nur das Wochenende abgedeckt. Bei nächtlichen Notfällen kamen Patienten unter der Woche immer zum eigenen Arzt. Heute ist der Notdienst auch montags bis freitags zuständig, wenn die Praxis geschlossen ist. Insgesamt lasse sich die Arbeit in einer Gemeinschaftspraxis gut aufteilen. „Es bleibt genügend Zeit, Papa und Ehemann zu sein.“ Apropos Papa: Wagner ist auch in dieser Beziehung froh, aufs Dorf gezogen zu sein. „Das Beste, das Kindern passieren kann, ist, auf dem Land aufzuwachsen.“ Oftmals seien seine Kinder abends verdreckt und glücklich aus einem Tobel zurückgekehrt. Noch eines hat sich seit Wagners Anfangszeit geändert: Die Patienten sind mobiler geworden. „Mein Vor-Vorgänger war der einzige Arzt in Buchenberg und richtete in Wengen eigens eine Zweitpraxis ein.“ Noch heute fährt Wagner – genauso wie sein Buchenberger Kollege Dr. Jürgen Barth – zur wöchentlichen Sprechstunde nach Wengen. Dort empfängt er Patienten in Räumen der Trachtler. Als Wagner anfing, gab es das auch in Rothkreuz. Dort schrieb er Rezepte in einem Wohnzimmer. Und in Ermengerst empfing er bei gutem Wetter Patienten in einem Garten. „Das war für die Schweigepflicht nicht ideal. Aber es kannten sich eh alle.“ Dass es heute in Buchenberg gleich drei Praxen gibt, sorgt laut Wagner nicht für Konkurrenzdruck unter den Ärzten. Im Gegenteil: „Wir mühen uns, den Ansturm zu bewältigen.“ In Urlaubszeiten vertreten sich die Praxen gegenseitig. Und achten darauf, dass immer ein Arzt im Dienst ist. Damit die Patienten im Dorf stets versorgt sind.
Serie "Dorfcheck" OA