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Der Totengräber von Seifriedsberg

Seit 45 Jahren

Der Totengräber von Seifriedsberg

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    Herbert Waibel aus Gunzesried ist Totengräber aus Leidenschaft. Seit 45 Jahren schaufelt er Gräber auf dem Seifriedsberger Friedhof. Er hat viele traurige Momente erlebt. Auch über seine eigene Beerdigung hat er sich schon Gedanken gemacht.
    Herbert Waibel aus Gunzesried ist Totengräber aus Leidenschaft. Seit 45 Jahren schaufelt er Gräber auf dem Seifriedsberger Friedhof. Er hat viele traurige Momente erlebt. Auch über seine eigene Beerdigung hat er sich schon Gedanken gemacht. Foto: Werner Kempf

    Manchmal geht der Job ganz schön an die Nieren, sagt Herbert Waibel. Er läuft auf dem Friedhof in Seifriedsberg durch die Grabreihen. An manchen Gräbern bleibt er stehen und schüttelt den Kopf. "Ganz jung bei einem Autounfall gestorben", sagt der 68-Jährige. "Den Mann und die Frau habe ich persönlich gekannt", erzählt er ein paar Meter weiter. Besonders der Tod von Kindern geht dem Totengräber sehr nah. "Dann frage ich schon, warum das sein muss ?". Aber Gefühle dürfe man nicht zu sehr an sich heranlassen. Sonst könne man die Tätigkeit nicht machen.

    Waibel, kräftig, breitbeinig, Händedruck wie ein Schraubstock und immer ein verschmitztes Lächeln im Gesicht, schaufelt seit 45 Jahren Gräber auf dem Seifriedsberger Friedhof. "Ich war handwerklich und körperlich fit und musste nur noch die Friedhofssatzung lernen", berichtet Waibel. Dass er mit Toten beruflich zu tun hat, hat dem Landwirt nur selten etwas ausgemacht.

    Gefühle nicht zu sehr an sich heranlassen

    1972 hob Waibel mit seinem Vorgänger Alois Oßwald sein erstes Grab aus. Im Frühjahr, wenn der Boden hart war, haben die beiden für ein 1,60 Meter tiefes, zwei Meter langes und 80 Zentimeter breites Grab bis zu fünf Stunden für den Aushub benötigt.

    Sein erstes Grab hob Waibel 1972 aus. "Damals hatte ich Kräfte wie ein Bär."
    Sein erstes Grab hob Waibel 1972 aus. "Damals hatte ich Kräfte wie ein Bär." Foto: Werner Kempf

    "Mit Anfang 20 hatte ich Kräfte wie ein Bär", berichtet der Landwirt aus Gunzesried. War der Untergrund sehr felsig, mussten Waibel und Oßwald einen Kompressor benutzen oder einen Sprengmeister kommen lassen. Da Oßwald Zimmermann war und Waibel tagsüber als Landwirt arbeitete, haben die beiden im Sommer oft am Abend mit Hilfe einer Lampe gegraben.

    Und zwar mit Schaufel und Bickel. Anfang der 1990er-Jahre wurde die Arbeit leichter, nachdem die Gemeinde Blaichach einen Traktor mit einem speziellen Aufbau anschaffte. Dieser wurde 2008 durch einen Friedhofsbagger ersetzt. Jetzt brauchen die beiden Gunzesrieder nur noch maximal eineinhalb Stunden für das Ausheben einer Grabstätte.

    Waibel kennt jede Ecke im Seifriedsberger Friedhof und weiß genau, wo es besonders feucht ist und wo wie hoch das Grundwasser steht. Wie seine Tätigkeit entlohnt wird, sagt Waibel nicht. Die Arbeit werde aber gut bezahlt. Für rund 700 Menschen im Alter von vier bis 97 Jahren hat Waibel schon Gräber ausgehoben. Zwei Drittel Erd- und ein Drittel Urnenbestattungen.

    Jetzt hilft sein Bruder Josef

    Plötzlich bleibt er vor einem Grab stehen, senkt den Blick, wartet einen Moment und sagt: "Da ist Alois Oßwald begraben." Er starb im vergangenen Jahr im Alter von 72 Jahren. Waibel hat für seinen Freund zwar das Grab geschaufelt, aber zugemacht hat es sein Bruder Josef, der ihm jetzt hilft. Auch als seine Eltern und Schwiegereltern gestorben sind, "war ich nicht in der Lage, das Grab zuzuschütten", lässt Waibel wissen.

    Aber es gab auch lustige Momente im Leben des Totengräbers aus Gunzesried. An den Heiligabend vor 37 Jahren kann sich Waibel noch genau erinnern. Nach der Beerdigung auf dem Seifriedsberger Friedhof und dem anschließenden Leichenschmaus in Bihlerdorf sind Oßwald und Waibel noch in der Wirtschaft geblieben und haben mit Einheimischen ein paar Bier getrunken. "Gegen 18 Uhr hat uns der Wirt aus dem Lokal geworfen", erzählt Waibel. Kollege Oßwald stieg in seinen alten Ford Escort und wollte heim nach Gunzesried fahren.

    Ein Leben nach dem Tod?

    Doch nach ein paar Metern blieb der Totengräber in einem großen Schneehaufen stecken. Nichts ging mehr. Waibel stieg auf seinen Traktor, ließ die Schneeschaufel herunter und schob den Escort wieder zurück auf die Straße. Oßwald setzte die Heimfahrt fort. "Sie können sich sicher vorstellen, was bei Oßwald und mir an diesem Abend zu Hause los war", sagt der 68-Jährige und schmunzelt. Waibel wird jedoch sehr nachdenklich, als er gefragt wird, ob er an ein Leben nach dem Tod glaubt? Nach all den vielen Toten, Leichen und Skeletten, die er gesehen hat, "habe ich starke Zweifel, dass es nach dem Tod weitergeht. Dann ist wohl alles aus", sagt der Totengräber. "Ich lasse mich aber auf alle Fälle verbrennen."

    Bei seiner Beerdigung werden die Schützen des Krieger- und Kameradschaftsvereins Bihlerdorf-Gunzesried, wo Oßwald Mitglied ist, mit der Kanone drei Salutschüsse abfeuern. "Sie sollen es besonders laut krachen lassen", hat der 68-Jährige seine Kameraden bereits instruiert.

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