Viele Passanten laufen an diesem Freitagnachmittag einfach weiter. Manche lauschen der kleinen, temperamentvollen Künstlerin mit der Gitarre. „Das ist richtig gut“, sagt eine Passantin, bleibt stehen und wirft ihr ein paar Münzen in den Zylinder, der auf dem Boden steht.
Kempten sei ein schwieriges Pflaster für Straßenmusik, sagt Barbara Georgii. „Die meisten sind zum Einkaufen hier und hetzen an dir vorbei.“ In Oberstdorf seien viele ältere Leute und Touristen, „die sind dankbar, wenn jemand mal ein bisschen Musik macht“.

„Milord“ von Edith Piaf oder den Gassenhauer „Oh, Champs- Elyssees“ bringt sie gerne zum Besten. „Das sind richtige Stimmungsmacher.“ Und natürlich bereitet sie sich auf ihren Straßenauftritt vor, schreibt sich Songs auf, denn „die guten Nummern fallen dir sonst aus dem Stegreif nicht mehr ein.“ Auf Inhalte legt die Oberallgäuerin schon wert. Ein „Knallrotes Gummiboot kommt mir nichts ins Repertoire“. Auch wenn sie italienisch, französisch oder russisch singt. „Ich kenne die Texte.“
Auf der Straße musst Du spontan sein
„Ich bin ein Bauchmensch“, sagt die 58-Jährige, „lass mich durch Gefühle und Intuition leiten.“ Sie habe immer Lust, „dem nüchternen Leben Seele und Wärme zu geben“. Auch bei der Straßenmusik mag sie es, in Kontakt mit anderen Menschen zu kommen, einen Gegenpol zur von Technik beherrschten Welt zu setzen - und das mit einem Stück Musik von Hand gemacht.
Straßenmusik sei die schwierigste Schule überhaupt. „Du übst, präsent zu sein, brauchst Mut und Spontaneität, alles Dinge, die ein guter Künstler üben muss“, meint Georgii. Sie liebt auch die Interaktion mit dem Publikum, tritt einfach gerne auf. „Ich liebe Menschen, ich liebe die direkte Darbietung und ich liebe Musik ohne technische Hilfsmittel.“
Schon als Kind wollte sie Tänzerin und Sängerin werden. Letztendlich erlernte sie den Beruf Krankenschwester. Sie zog vier Kinder große (heute alle zwischen 21 und 30 Jahre alt). Als Schülerin lernte sie Blockflöte und Gitarre, „doch als die Hormone griffen, hatte ich andere Interessen“, lacht Georgii. Als vierfache Mutter nahm sie den musikalischen Faden wieder auf, motivierte so auch ihre Kinder zum Musizieren.
Man lernt nie aus!
„Eine Freundin hat mich dann später dazu ermuntert, klassischen Gesangsunterricht zu nehmen.“ Ihr Lehrer ist Fritz Gschwendtner aus Sonthofen. Seit 15 Jahren nimmt sie immer wieder Stunden bei ihm. „Es gibt immer was zu feilen“. Sie nennt „das Rhetorische, die Stimm- und die Ausdruckspflege“. Auch heute noch nimmt sie ab und an eine Gesangsstunde bei ihm. Sie wird gerne gebucht bei Feiern oder Jubiläen.
Ihre Garderobe ist „immer a bissle extravagant“. Das liebt die kleine, quirlige Sängerin, die gerne schneidert und alte Stoffe bevorzugt. In der Fußgängerzone singt sie immer wieder gerne, auch wenn sie, wie an diesem Freitagnachmittag nur ein paar Euro mit nach Hause nimmt. „Aber das ist und bleibt ein schönes Übungsfeld.“