Georg Schrenk, Vorsitzender der Unterstützergruppe Asyl/Migration in Dillingen, kann eigentlich wenig schocken, so viel hat er in der Arbeit mit Asylbewerbern schon mitgemacht. "Doch so eine Trennung habe ich noch nie erlebt." Was wohl rein rechtlich "angeblich in Ordnung" sei, ist für den Flüchtlingshelfer unverständlich. Mitten in der Nacht von Montag auf Dienstag soll die Polizei in der Dillinger Gemeinschaftsunterkunft angerückt sein, um eine fünfköpfige Familie aus Nigeria abzuholen und abzuschieben. Doch: Das elfjährige Mädchen und der Vater sind nicht da. Die Polizei habe den Rest der Familie trotzdem mitgenommen. Am nächsten Tag sei das Mädchen von der Schule gekommen und habe eine versperrte Wohnung vorgefunden. Nun lebt die Elfjährige im Kinderheim.
Die Familie sei, so der langjährigen Flüchtlingshelfer Schrenk, 2019 nach Deutschland gekommen. Man habe die Genitalverstümmelung der Töchter gefürchtet. Die Zwillingsschwester der heute Elfjährigen soll bei der Beschneidung verblutet sein. Die Familie fasst in Dillingen Fuß, ist integriert, wie der ehemalige Religionslehrer des Mädchens, Alfred Hirsch, berichtet. "Sie ist eine Vorzeige-Ministrantin und war bei vielen Jugend-Aktivitäten dabei." Das Mädchen sei in der Pfarrei Sankt Peter integriert, gehe in die Realschule und habe gute Noten.
Mädchen ist nicht zu Hause, als ihre Familie von der Polizei abgeholt wird
Am Tag der Abschiebung habe sie bei einer Freundin übernachtet und sei von dort zur Schule gegangen. "Als sie heimgekommen ist, war alles zugesperrt", berichtet Hirsch. Auch der Vater war in dieser Nacht nicht zu Hause, von ihm fehle bisher jede Spur. Das Mädchen sei dann zum Pfarrhof gekommen. Nun soll sie so lange in der Obhut des Jugendamtes bleiben, bis der Vater wieder auftaucht.
Wenn der Vater wieder auftaucht, drohen ihm und der Tochter die Abschiebung, sagt Schrenk. "Die wussten schon, dass eine Abschiebung geplant ist." Die Helfer hätten versucht, mit den guten Schulleistungen des Mädchens den Integrationswillen der Familie zu belegen. Der Vater habe zudem schnell Arbeit gefunden. Gut integrierte Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, haben die Chance, dass sie trotzdem bleiben dürfen. Etwa, weil sie Arbeit haben oder gut Deutsch sprechen. Für die Familie aus Dillingen war das wohl nicht genug. Auch die Angst vor einer Genitalverstümmelung der fünf und drei Jahre alten Töchter, die mit der Mutter nach Nigeria zurückgeschickt wurden, hat den Behörden nicht gereicht.
Regierung von Schwaben: Familie war ausreisepflichtig
Auf Nachfrage heißt es bei der Zentralen Ausländerbehörde, die bei der Regierung von Schwaben angesiedelt ist, dass die Familie "nachdrücklich auf die freiwillige Ausreise verwiesen und darüber belehrt wurde, dass andernfalls die Abschiebung erfolgen wird". Ausreisepflichtig sei sie nach Ablehnung ihres Asylbescheids im Jahr 2022. "Die Trennung der Familie sollte sich auf einen kurzen Zeitraum beschränken, sofern der verbliebene Elternteil und das Kind umgehend freiwillig ausreisen", sagt der Pressesprecher der Regierung von Schwaben.
Im vergangenen Jahr wurde ein ähnlicher Fall publik. Eine Familie, ebenfalls aus Nigeria, sollte abgeschoben werden, erhielt aber von den Dillinger Franziskanerinnen Asyl. Die Schwestern reichten eine Petition am Landtag ein, um die Abschiebung zu verhindern. Auch damals ging es um eine drohende Genitalverstümmelung in dem afrikanischen Land. Und um eine Frau, die gerade dabei war, sich in der Pflege ausbilden zu lassen. Sie durfte zunächst für die Dauer ihrer Ausbildung bleiben, entschied der Petitionsausschuss.