Für Reichsbürger oder ihnen nahestehenden Personen scheint das Oberallgäu ein beliebter Tummelplatz zu sein. Nicht nur in Betzigau hielten diese Gruppen Versammlungen ab. Auch im Thaler Festsaal in Thalkirchdorf wurden in den vergangenen Jahren immer wieder einschlägige Seminare angeboten. Den jüngsten Versuch, eine mehrtägige Veranstaltung vergangenes Wochenende durchzuführen, verhinderte jedoch der Oberstaufener Bürgermeister Martin Beckel. In dem Fall war es nicht schwer, weil der Saal der Gemeinde gehört und der Pächter mitspielte. Doch was ist, wenn Treffen von Reichsbürgern in privaten Häusern stattfinden?
Und wann ist klar, ob die Referenten dem Reichsbürger-Gedankengut nahestehen? Laut Landrat Anton Klotz soll es dafür jetzt Hilfe geben. Denn in Oberstaufen wusste man anfangs nicht, wer die Seminare durchführte, zu denen mitunter 250 Leute kamen – bis aus der Schweiz und Österreich. 2016 fanden vier solche Treffen im Thaler Festsaal statt. Das brachte örtlichen Hotels und Pensionen Übernachtungsgäste, machte manche aber auch stutzig: „Die Leute waren nach zwei Tagen Seminar ganz verändert, wie nach einer Gehirnwäsche“, sagte eine Vermieterin. In Gesprächen hätten Gäste abstruse Verschwörungstheorien geäußert und Deutschland nicht mehr für einen souveränen Staat gehalten.

Die Seminare wurden vor allem von Alexander Wagandt abgehalten. „Heute weiß man, dass der Mann dem Gedankengut der Reichsbürger nahesteht“, sagt Bürgermeister Beckel. Doch als die Gemeinde nach Hinweisen aus der Bevölkerung früher bei der Kriminalpolizei anfragte, habe sie die Auskunft erhalten, dass es sich nur um einen „harmlosen esoterischen Spinner“ handle. „Als wir jetzt beim Verfassungsschutz erneut nachfragten, wurden wir vor dem Mann gewarnt“, so Beckel. Deshalb habe er reagiert und den Pächter gedrängt, das Seminar abzusagen. Doch was, fragt Beckel, solle man tun, wenn in einem privaten Gasthof Treffen stattfinden?
Das war in Immenstadt der Fall. Dort kam die Stadtverwaltung nach Ankündigungen im Internet („Du bist kein Personal“) darauf, dass eine Gruppe der Reichsbürgerszene eine Veranstaltung in einer Gaststätte plane. „Nachdem uns der Staatsschutz das bestätigte, haben wir den Wirt angesprochen“, sagt Marcus Kleebaur von der Stadtverwaltung. Der Wirt habe nicht gewusst, wer da seinen Saal mieten wollte, aber gleich abgesagt. Doch ohne sein Einsehen „hätten wir nichts machen können“, weiß Kleebaur. Dafür seien Meinungsfreiheit und Versammlungsrecht in Deutschland zu stark.
Das bestätigt Oliver Platzer, Pressesprecher des Innenministeriums: „Die Hürden sind da hoch – nur wenn ein Straftatbestand erwartet werden kann, darf eine Veranstaltung verboten werden.“ Wenn man also davon ausgehen könne, das Volksverhetzung vorliegt oder zu Gewalt aufgerufen wird.
Unterstützung erhofft sich Landrat Klotz von der „Bayerischen Informationsstelle gegen Extremismus“ (Bige): „Sie hat uns angeboten, künftig darüber zu informieren, mit wem man es jeweils vor Ort zu tun hat und was man dagegen unternehmen kann.“ Dazu soll jetzt zunächst eine Info-Veranstaltung für die Bürgermeister stattfinden.