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Ein Jahr nach dem Hochwasser: Warum bislang nur ein Teil der Fluthilfen ausgezahlt wurde

Hochwasser 2024

Warten dauert an: Ein Jahr nach der Katastrophe ist nur ein Teil der Fluthilfen ausbezahlt

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    Die Hochwasserkatastrophe vor einem Jahr hat in Süddeutschland Schäden von 4,1 Milliarden Euro angerichtet.
    Die Hochwasserkatastrophe vor einem Jahr hat in Süddeutschland Schäden von 4,1 Milliarden Euro angerichtet. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Genau ein Jahr ist vergangen, seit das Wasser kam, den Keller unter sich begraben und das Erdgeschoss geflutet hat. Ein Jahr ist vergangen, seit die Flutkatastrophe das Leben der zweifachen Mutter aus den Angeln gehoben hat. „Ich habe alles verloren, komplett alles“, sagt die Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, auch nicht den Ort, an dem ihr Haus steht. Anderthalb Meter hoch stand das Wasser im Erdgeschoss, Möbel gingen kaputt, Böden, Türen und Wände. Das Gutachten des Landratsamtes hat ihren Schaden später auf gut 130.000 Euro festgesetzt.

    Zusammen mit Familie und Freunden hat die Frau den Keller ausgepumpt, Mauern herausgerissen, Dämmungen entsorgt. Drei große Container voller Schutt kamen zusammen. Schnell war klar: Das Haus, in dem die 53-Jährige im Erdgeschoss lebte, ist durch die Flut zur Ruine geworden, ihre Eigentumswohnung im Erdgeschoss nicht mehr bewohnbar. Sie zog in eine darüberliegende Wohnung, die zu diesem Zeitpunkt leer stand. Doch es gab keine funktionierende Heizung, kein warmes Wasser. Als der Winter kam, ging es nicht mehr. „Ich stand mit einem Koffer da und musste erst einmal schauen, wohin.“ Die 53-Jährige zog zu ihrer Tochter, schlief dort über Monate auf dem Sofa. „Aber damit hören die Probleme ja nicht auf.“

    Ministerpräsident Markus Söder während der Flut in Diedorf.
    Ministerpräsident Markus Söder während der Flut in Diedorf. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa (Archivbild)

    Die Soforthilfe für Hausrat über 2500 Euro wurde ihr innerhalb kürzester Zeit gewährt, sagt sie, auch die Soforthilfe für Ölschäden ging binnen Wochen ein. Hinzu kamen Spenden, unter anderem 3.000 Euro durch die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung. Doch auf die Notstandsbeihilfe, die die Frau im Juli 2024 beantragte, wartet sie bis heute. „Diesen Papierkrieg kann sich niemand vorstellen.“

    Von der Staatsregierung wurde unkomplizierte und schnelle Hilfe angekündigt, Ministerpräsident Markus Söder versprach: „Wir lassen in der Not niemanden allein.“ Wenige Tage nach der Katastrophe verdoppelte das Kabinett das Hilfsprogramm auf 200 Millionen Euro. Doch ein Jahr später wurden davon nur knapp 62 Millionen Euro ausbezahlt. Noch immer sind nicht alle Anträge abgearbeitet.

    Bislang wurden nur 40 Härtefallanträge bewilligt

    Wie aus den Zahlen des Finanzministeriums hervorgeht, haben 14.200 Privathaushalte Antrag auf Soforthilfe gestellt, 36,4 Millionen Euro wurden für Schäden am Hausrat (pro Antrag maximal 5000 Euro) oder an Gebäuden (maximal 10.000 Euro bei Ölschäden) ausbezahlt. Im Rahmen der Härtefallhilfen flossen bislang für 37 Fälle insgesamt rund 2,1 Millionen Euro. „Vielen Menschen konnten wir so durch die schwersten Stunden helfen und bei der Rückkehr in den Alltag unterstützen“, sagt Bayerns CSU-Finanzminister Albert Füracker. Landwirte erhielten bislang 21,9 Millionen Euro Entschädigung, an Unternehmen gingen 1,5 Millionen Euro.

    Doch ausgerechnet bei den Härtefallhilfen, wo die größten Summen fließen – eben weil es keine Obergrenze pro Antrag gibt –, zieht sich die Auszahlung. Mehr als 500 Anträge wurden bislang gestellt. Nur 215 Fälle wurden bislang entschieden – 40 bewilligt, 37 davon ausgezahlt, 175 entweder abgelehnt oder von den Antragsstellern zurückgezogen. „Die Bearbeitungsdauer der Anträge aus dem Härtefonds dauert naturgemäß etwas länger, da hier rechtlich deutlich umfangreichere Prüfungen vorzunehmen sind“, betont eine Sprecherin des Finanzministeriums. Schließlich müssten die Einkommens- und Vermögensverhältnisse jedes Antragstellers nachvollzogen werden. „Auch in den Ämtern muss doch klar sein, in welcher Notlage wir uns befinden“, sagt dagegen die 53-Jährige.

    Das Haus der 53-Jährigen, das von der Flut beschädigt wurde, ist noch immer eine Baustelle

    Der grüne Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer kritisiert, dass „Markus Söder relativ großspurig 200 Millionen Euro Soforthilfe versprochen hat, aber bislang noch nicht mal die Hälfte an die Betroffenen ausgezahlt wurden“. Er fordert, dass die Hilfen auch bei den Flutopfern ankommen müssten. So könne die Staatsregierung die Höchstsumme pro betroffenem Haushalt erhöhen oder die Voraussetzungen für die Gewährung der Soforthilfe breiter fassen, zum Beispiel wenn Grundwasser die Schäden verursacht hat. Sollte dann noch Geld übrig sein, müsse es in den Hochwasserschutz fließen und dürfe nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden, sagt er.

    Das Haus der 53-Jährigen, das von der Flut beschädigt wurde, ist noch immer eine Baustelle. Gerade werden die Böden verlegt, in den nächsten Tagen ist das Bad an der Reihe – Fliesen, Dusche, Waschbecken, Armaturen. Das Landratsamt hat ihr inzwischen aus dem Härtefonds eine Notstandsbeihilfe über gut 71.000 Euro bewilligt. Doch geflossen ist bislang kein Geld. Wie sie die Handwerker und die nächsten Rechnungen begleichen soll, weiß die Frau nicht. Sie sagt nur: „Jetzt bin ich blank.“

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