Humedica-Großübung am Sportplatz Irsee: Die täuschend echt geschminkten „Erdbebenopfer“ werden teilweise auf Tragen ins Camp gebracht. Dort müssen die Helfer zunächst entscheiden, wer umgehend medizinisch versorgt werden muss. Leicht verletzte Patienten müssen im Notfall warten.
Bild: Harald Langer
Humedica-Großübung am Sportplatz Irsee: Die täuschend echt geschminkten „Erdbebenopfer“ werden teilweise auf Tragen ins Camp gebracht. Dort müssen die Helfer zunächst entscheiden, wer umgehend medizinisch versorgt werden muss. Leicht verletzte Patienten müssen im Notfall warten.
Bild: Harald Langer
Auf dem Sportplatz in Irsee stehen derzeit weiße Zelte, in denen Verletzte versorgt werden können. Auch Toiletten, eine mobile Wasseraufbereitung und eine eigene kleine Müllverbrennungsanlage hat ein Team der Kaufbeurer Hilfsorganisation Humedica aufgebaut. Das alles steckte zuvor in einem Set aus etwa 80 großen Kisten, die zusammen 7,5 Tonnen wiegen. „Unser Ziel ist es, das komplette Equipment auf 5,5 Tonnen Gesamtgewicht runterzubringen“, sagt Manuel Heinemann, Logistikexperte bei Humedica. Denn je kompakter die Ausrüstung, desto leichter können Helferteams sie zum jeweiligen Einsatzort bringen und somit schneller eingreifen.
Irsee ist natürlich kein Katastrophengebiet und das Camp steht dort auch nur zu Trainingszwecken. Geübt wird allerdings unter möglichst realen Bedingungen. Dazu tragen auch rund 40 freiwillige Statisten bei, die von der Notfalldarstellung des Jugendrotkreuzes und den Johannitern aufwendig geschminkt und – zumindest optisch – in Verletzte verwandelt wurden. Im fiktiven „Montyland“, so der Name des Einsatzortes, hat es ein Erdbeben gegeben. Das Szenario ist der Situation des Erdbebens in Nepal im Jahr 2015 nachempfunden.
Nachdem die Helferteams am Vortag eine theoretische Einführung bekommen und das Camp gemeinsam aufgebaut haben – auch das ist Teil des Trainings – gilt es das Ganze in der Praxis zu erproben. Beobachtet werden sie dabei von einem internationalen Konsortium aus sieben Einrichtungen universitärer und anderer Initiativen. Es handelt sich um ein Forschungsprojekt, dessen Ziel es ist, Standards für internationale Hilfsorganisationen zu entwickeln (siehe Infokasten unten). Das Camp ist so ausgerichtet, dass es 18 Helfer 14 Tage lang als Arbeits- und Schlafplatz dienen kann, komplett selbstversorgt, denn gehandelt wird nach dem „do not harm“-Prinzip, wie Humedica-Sprecher Steffen Richter erläutert. Das bedeutet, dass vor Ort, in ohnehin durch Naturkatastrophen oder Krieg zerstörten Gebieten, weder Ressourcen verbraucht, noch Abfälle zurückgelassen werden dürfen.
Als die erste Welle „Verletzter“ ins Camp strömt, sind die Helfer sofort einsatzbereit. Sie müssen innerhalb weniger Augenblicke entscheiden, wer umgehend medizinisch behandelt werden muss und wer noch etwas warten kann. Die Patienten werden in drei Kategorien eingeteilt und mit grünen, gelben und roten Armbändern gekennzeichnet. Wer ein rotes Band trägt, muss in unter 25 Minuten versorgt werden. Dann werden die Patienten in verschiedene Behandlungszelte oder zur Medikamentenausgabe weitergeleitet.
Das alles läuft – von außen betrachtet – relativ ruhig und entspannt ab. Doch bei einer kurzen Zwischenbilanz wird klar, dass es noch an einigen Stellen hakt. „Wie bringe ich einen Patienten, der sich das Bein gebrochen hat ins Behandlungszelt?“, fragt eine Teilnehmerin. Ein anderer Helfer sieht die Gefahr, dass sich Unbefugte Zugang zum Basiszelt verschaffen könnten, in dem das Team schläft und Material, persönliche Dinge sowie IT-Equipment untergebracht sind.
Und vor allem: Was passiert, wenn jemand stirbt? Tote sollten vor den Verletzten möglichst verborgen werden, um Panik zu verhindern. Außerdem gebiete es der Respekt, sie trotz der Ausnahmesituation, an einen ruhigen Ort zu bringen. Hier muss improvisiert werden. Die „Toten“ werden hinter dem Apothekenzelt abgelegt und mit Tüchern zugedeckt.
Es zeigt sich: Trotz des idyllischen Übungsortes fernab jeglicher Katastrophen sind alle Beteiligten mit vollem Ernst bei der Sache. Auch die internationalen Beobachter stehen konzentriert am Rande und analysieren jeden Schritt. Anschließend geht es nämlich darum, wie diese Erkenntnisse umgesetzt werden, um den Ablauf der Einsätze noch weiter zu verbessern.