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Fliegenpilz: Glückssymbol, Rauschmittel, Hingucker

Kolumne: Der Grantler

Fliegenpilz: Glückssymbol, Rauschmittel, Hingucker

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    Schwammerlzeit ist - und auch in den Allgäuer Wälder wachsen solche Prachtexemplare, wie wir Dir in der Fotogalerie im Text zeigen.
    Schwammerlzeit ist - und auch in den Allgäuer Wälder wachsen solche Prachtexemplare, wie wir Dir in der Fotogalerie im Text zeigen. Foto: Angela Merk

    Ihn kennt quasi jedes Kind, die Pilzdatenbank der TU München führt ihn als den bekanntesten Giftpilz Europas. Er taucht in Märchen auf, steht als Glückssymbol auf Grußkarten, Lewis Carroll verwendet ihn in seinem „Alice im Wunderland“, Jefferson Airplane besangen ihn daran angelehnt in ihrem legendären Song „White Rabbit“, in Milch verrührt soll er Fliegen töten – daher stammt sein Name: der Fliegenpilz. Auch bei unseren Lesern kommt er prima an. Als Fotomotiv jedenfalls.

    Für dieses Foto zeigte Bernd Günther im Wald von Biessenhofen vollen Einsatz: „Die Lichtverhältnisse waren alles andere als komfortabel. Im nassen Waldboden auf dem Bauch liegend habe ich ein paar Bilder gemacht, danach mussten Klamotten und Fotograf gründlich gereinigt werden.“
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    Darum gibt es an dieser Stelle nun ein paar Infos zum Amanita muscaria. Der Witz ist alt: Jeder Pilz ist essbar – zumindest einmal. Den Fliegenpilz kann man öfter essen, Gift hin oder her. Und es hat immer wieder Zeitgenossen gegeben, die das getan haben. Der berauschenden Wirkung wegen, die so ein Konsum mit sich bringen kann. Kann, wohlgemerkt. Denn in der Datenbank der TU München steht zur Wirkung des Fliegenpilzes auch: Die ersten Symptome zeigen sich nach 30 Minuten bis zu vier Stunden. Dazu gehören Sehstörungen, das Gefühl, betrunken zu sein oder zu schweben und optische Halluzinationen. Eine fröhliche Stimmung kann ebenso eintreten wie Niedergeschlagenheit oder Angst. Schwerere Vergiftungen verursachen Verwirrtheit, Muskelzuckungen, mitunter Krampfanfälle und tiefe Bewusstlosigkeit. Selten kommt es zu Speichelfluss, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall. Die Symptome sind meist für drei bis vier Stunden schwer und klingen dann während der nächsten zehn bis 14 Stunden ab.

    Auch nicht auf den Speiseplan gehört dieser ungewöhnliche Tintenfisch-Pilz, der zuletzt in einem Wald im Westallgäu für Aufsehen sorgte...

    Hauptwirkstoff des Fliegenpilzes ist Muscimol. Er entsteht während der Trocknung des Pilzes aus Ibotensäure. Wissenschaftler schätzen die für Menschen tödliche Dosis auf ein Gramm Muscimol. So viel enthalten 1.000 Gramm Fliegenpilze, also gut zehn Exemplare. In Japan wird der Fliegenpilz heute noch als Spezialität aufgetischt, in Deutschland stand er – seiner in der Huthaut konzentrierten Giftstoffe entledigt – vor Jahrzehnten auf der Speisekarte.

    Als Rauschmittel, das in seiner Wirkung oft einem veritablen Besäufnis gleichkam, war der Fliegenpilz bei vielen Völkern in Gebrauch: Priester der Maya und der Inder verwendeten ihn bei kultischen Handlungen, Schotten tranken Fliegenpilze in Whiskey aufgelöst. In Sibirien des 18. Jahrhunderts war der Pilz eine teure Modedroge und durchaus ein ausgewachsenes Rentier wert. Der englische Reisende Oliver Goldsmith berichtet: „Wenn die hohen Damen und Herren versammelt sind, macht der Pilzsud seine Runde. Sie beginnen zu lachen, erzählen Unsinn, werden zunehmend beschwipst und somit zu ausgezeichneten Gesellschaftern.“ Auch die Armen wollten an der Gaudi teilhaben: Sie warteten, bis die berauschten Reichen zum Wasserlassen herauskamen, fingen den Urin in Schüsseln und tranken ihn.

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