Aktualisiert um 20.30 Uhr - Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) kündigte am Sonntag eine "Corona-Testoffensive" an. "Allen Bürgerinnen und Bürgern Bayerns wird deshalb zeitnah angeboten, sich bei einem niedergelassenen Vertragsarzt auch ohne Symptome testen zu lassen." Die Kosten will der Freistaat übernehmen, soweit sie nicht etwa von der Krankenkasse getragen werden.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) reagierte zurückhaltend. "Umfangreiches Testen ist sinnvoll, insbesondere um regionale Ausbrüche schnell einzudämmen. Dazu haben wir das Testkonzept des Bundes bereits vor Wochen angepasst", sagte er am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zusätzliche Testangebote durch die Länder könnten das ergänzen. "Allerdings ist ein Test immer nur eine Momentaufnahme. Er darf nicht in falscher Sicherheit wiegen."
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert eine zielgenaue Strategie. Grundsätzlich sei das Vorgehen Bayerns richtig. "Allerdings müssen wir dafür sorgen, dass die richtigen Leute getestet und die Tests selbst billiger werden", sagte Lauterbach der Funke Mediengruppe. Im Herbst seien Massentests nötig. "Neue Studien deuten daraufhin, dass es stärker auf die Häufigkeit der Tests ankommt, in welchen Abständen ich Risikopersonen regelmäßig teste."
Krankenkassen zahlen Tests bisher nur bei Infektionsverdacht
Generell sind in Deutschland inzwischen Corona-Tests in vielen Fällen auch ohne akute Krankheitsanzeichen möglich - besonders in sensiblen Bereichen wie Kliniken, Pflegeheimen, Schulen und Kitas. Spahn hatte vor knapp drei Wochen eine Verordnung verkündet, die dafür eine Reihe zusätzlicher Testmöglichkeiten auf Kassenkosten festlegt. Bis dahin gab es Tests auf Kassenkosten in der Regel nur bei Infektionsverdacht - also wenn man Symptome wie Fieber, Husten, Halsschmerzen oder Geruchs- und Geschmacksstörungen hatte.
Bayern ist aber das erste Bundesland, das Tests für alle vorsieht. "Ein Eckpunkt unseres Bayerischen Testkonzepts ist, dass alle Personen, die auf eine Infektion auf SARS-CoV-2 getestet werden wollen, Gewissheit darüber erhalten sollen, ob sie sich infiziert haben", betonte Huml. Es sei "ein ergänzendes Angebot, das vollständig aus staatlichen Mitteln getragen wird", sagte ein Sprecher auf dpa-Anfrage. Den Ärzten steht es demnach aber frei, die Leistung anzubieten.

Kreis Gütersloh: Viele Infizierte ohne Symptome
Nach dem Corona-Ausbruch in einem Tönnies-Fleischbetrieb im Kreis Gütersloh sehen die Behörden in Nordrhein-Westfalen bisher keine Anzeichen dafür, dass sich das Virus in größerem Umfang unter der übrigen Bevölkerung verbreitet hat. Der Kreis Gütersloh berichtete am Samstagabend, die Zahl der nachweislich Infizierten, die keinen direkten Bezug zur Tönnies-Belegschaft haben, sei zuletzt zwar "merklich" gestiegen. Das liege aber vor allem an der starken Ausweitung der Tests. Viele der Infizierten zeigten keine Symptome.
Vom 21. bis 27. Juni sind demnach 107 Fälle in der übrigen Bevölkerung des Kreises Gütersloh bekannt geworden. Das sind 32 mehr als am Vortag berichtet. Im Nachbarkreis Warendorf waren nach Angaben der Behörden nur 2 der 4491 Corona-Tests positiv, die bis Samstagnachmittag in zwei Testzentren und bei Ärzten ausgewertet wurden. "Der bisherige Trend zeigt, dass das Virus nicht auf die allgemeine Bevölkerung übergesprungen ist", erklärte Landrat Olaf Gericke (CDU) am Abend.
In den Kreisen Gütersloh und Warendorf gelten wegen des Corona-Ausbruchs in dem Tönnies-Werk mit mehr als 1500 infizierten Mitarbeitern seit vergangenen Mittwoch wieder verschärfte Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Alle Bürger können sich freiwillig testen lassen. Zum Start der Schulferien in NRW nehmen viele das Angebot an, damit sie eine Bescheinigung bekommen, die ihnen Urlaub in anderen Bundesländern erlaubt.
Das NRW-Gesundheitsministerium wiederum erhofft sich von den Tests in der Allgemeinbevölkerung ein Bild, inwieweit sich das Virus ausgebreitet hat. Da die verschärften Auflagen bis zum 30. Juni befristet sind, muss spätestens am Dienstag eine Entscheidung über Auslaufen oder Verlängerung fallen.
Fleischindustrie muss Beschäftigte zweimal pro Woche testen lassen
Nach den Vorfällen bei Tönnies muss die Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen künftig Beschäftigte auf eigene Kosten mindestens zwei Mal pro Woche testen lassen. Die neue Vorgabe gilt ab 1. Juli für Betriebe mit mehr als 100 Beschäftigten, wie das Landesministerium für Arbeit und Gesundheit mitteilte.
Auch in Bayern soll ein Schwerpunkt der Tests auf Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben liegen. In 33 weiteren ausgewählten Betrieben sollen die Mitarbeiter reihenweise getestet werden. Bei den ersten Reihentestungen bei 51 Schlachthöfen in Bayern waren laut Ministerium 110 Menschen positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden.
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