Mehrfach knallte es laut am vergangenen Dienstagmorgen in der Daimlerstraße in Neusäß, vom Geldautomaten vor der Rewe-Filiale war anschließend nur noch eine verkohlte Hülle übrig. Wieder einmal hatten Kriminelle einen Geldautomaten mit Sprengstoff in die Luft gejagt, acht Mal ist das bislang in diesem Jahr in Bayern passiert, auch in Mering hatten bislang unbekannte Täter im Februar zugeschlagen. Zurück bleiben häufig von der Explosion schockierte Anwohner und ein Sachschaden, der die Beute teils um das Dreifache übertrifft. Banken und Ermittler wissen zudem schon lange, wie sie sich schützen können. Warum also wurden diese spektakulären Raubzüge noch nicht gestoppt?
Die Antwort ist wenig überraschend: So klar die Pläne sind, so schwierig kann ihre Umsetzung sein. Schon lange schließen Banken einzelne Filialen in der Nacht, um den Zugang zu den Automaten zu verwehren. Manche Filialen sind mit einer Farbsicherung ausgerüstet, die das Geld im Automaten nach einer Explosion verfärbt und so kennzeichnet und unbrauchbar macht, zudem gibt es Techniken, die bei einem Raubversuch Filialen in Nebel hüllen und so den Tätern das Aufsammeln der Beute und die Flucht erschweren. Doch all diese Maßnahmen haben auch spürbare Nachteile.
Geldautomat gesprengt: In den Niederlanden wurden deshalb Banken geschlossen
Viele Täterinnen und Täter stammen aus den Niederlanden, wo man das Problem schon länger kannte und inzwischen nachhaltig bekämpft hat. Allerdings mit einem Mittel, das für die deutschen Banken höchstens die letzte Notlösung sein kann, wie Eva Mang sagt, Sprecherin des Sparkassenverbands in Bayern: „Anders als dort ist es hier keine Option, massenhaft Automaten zu schließen und abzubauen“, erklärt sie. Man wolle den Kunden auch vor Ort den Service bieten, Bargeld zügig abheben zu können. „Wo es Sinn macht“ rüste man Geldautomaten entsprechend nach oder tausche sie aus. „Das Wohl der Personen im Umfeld liegt uns vor allem am Herzen“, sagt Mang.
Tatsächlich scheinen die Banken das Problem ernst zu nehmen und zu bekämpfen. Auf Anfrage unserer Redaktion verweist eine Sprecherin des Versichererverbands GDV auf die Vielzahl an Präventionsmaßnahmen, die die Banken gegen die Sprenger ergreifen, und auch aus dem Landeskriminalamt (LKA) werden die Bemühungen der Institute gelobt: „Aus dem Austausch mit den Banken weiß ich, dass dem Thema das nötige Gehör geschenkt wird“, sagt LKA-Kriminaldirektor Stefan Ludl im Interview mit unserer Redaktion. Und es gebe auch erste Erfolge: 2022 sprengten Täter in Bayern noch 37 Automaten, 2023 und 2024 waren es nur noch knapp 20.
So fällt die Bilanz bei Geldautomaten-Sprengungen in Bayern aus
Im Vergleich dazu, dass im gesamten Freistaat mehrere Tausend Automaten stehen – alleine die Sparkassen betreiben nach eigenen Angaben 6800 Geräte – sind die Taten also kein massiv verbreitetes Phänomen; hinzu kommt, dass vor allem Bundesländer im Westen Deutschlands deutlich stärker im Visier der Sprenger sind als Bayern. Und Verletzte gibt es bei den Angriffen meist auch nicht. Aber: Gefährlich bleiben die Explosionen trotzdem, etwa wenn das Gebäude einer Bankfiliale auch als Wohnhaus genutzt wird und die Sprengung ein Feuer entzündet oder die Statik erschüttert. „Gerade solche Fälle führen uns nochmal die enorme Gefährlichkeit einer Sprengung vor Augen und sind mit der Grund, warum alle Beteiligten an der Bekämpfung des Phänomens enorme Kraftanstrengungen unternehmen“, sagt Ludl. „Jede Verletzung ist für uns Anlass genug, darauf hinzuweisen, dass das Phänomen wahnsinnig gefährlich ist.“

Banken und Ermittler betreiben deshalb Risikoanalysen, werten aus, wie wahrscheinlich ein Angriff durch die Sprengerbanden ist. Einen Automaten mit Sicherungsmechanismen nachzurüsten oder gleich auszutauschen, kann teuer sein – sofern überhaupt ausreichend Material und Fachkräfte vorhanden sind, um die Aufträge auszuführen. Daher konzentriere man sich auf die Geräte, die als besonders gefährdet gelten, sagen Polizei und Banken: Risikostandorte sind etwa diejenigen, die nicht abgeschlossen werden können oder in einer ruhigen Gegend nahe der Autobahn liegen, wo die Täter nachts unbeobachtet handeln und schnell flüchten können. Ein Sprecher der Postbank teilt indes mit, dass sämtliche ihrer bundesweit 9.600 Geldautomaten mit Farbpatronen ausgerüstet sind.
Inwiefern der jüngst gesprengte Automat in Neusäß im Landkreis Augsburg gesichert war, möchte der dortige Betreiber, die Sparda-Bank Augsburg, auf Nachfrage unserer Redaktion mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht beantworten. Auch wie viel bei der Tat erbeutet wurde, verraten weder Bank noch Polizei. Insgesamt wurden 2023 in Deutschland nach Angaben der Versicherungen mit Sprengungen insgesamt 20 Millionen Euro erbeutet und zudem 75 Millionen Euro an Sachschäden verursacht.


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