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Grünen-Vorsitzende Eva Lettenbauer: Söders Hetze vergiftet die Stimmung in Bayern

Interview

Grünen-Vorsitzende greift Söder an: „Er hat mit seiner Hetze die Stimmung vergiftet“

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    Im Januar 2024 übernahmen Eva Lettenbauer (links) und Gisela Sengl den Vorsitz bei den bayerischen Grünen. Bei den Wahlen im Herbst wollen sie wieder antreten.
    Im Januar 2024 übernahmen Eva Lettenbauer (links) und Gisela Sengl den Vorsitz bei den bayerischen Grünen. Bei den Wahlen im Herbst wollen sie wieder antreten. Foto: Karl-Josef Hildenbrand, dpa

    Frau Lettenbauer, Frau Sengl, die Grünen bekommen derzeit viel Kritik ab. Warum hat man Ihre Partei plötzlich nicht mehr lieb?
    GISELA SENGL: Was CSU-Chef Markus Söder und die Union gemacht haben, als wir noch in der Bundesregierung waren, hatte mit normaler Oppositionspolitik nichts mehr zu tun. Das war Zerstörungspolitik. Natürlich haben wir Gegner, gerade wenn es um Energiepolitik geht – da stehen Macht- und Geldinteressen auf dem Spiel. Aber inzwischen spüren wir, dass sich die Lage beruhigt. Viele Menschen begreifen, dass unsere Ideen ziemlich vernünftig sind.

    Bei den Wahlen in Nordrhein-Westfalen war von dieser Erholung aber nichts zu sehen. Und auch in Bayern stehen die Grünen in Umfragen nicht gut da.
    SENGL: In NRW regiert die CDU mit uns zusammen – und steht dort besser da als im Bund. In Bayern hingegen erleben wir, dass die CSU uns beleidigt, heruntermacht und gleichzeitig AfD-Positionen übernimmt. Das nutzt nur der AfD, nicht der CSU. Söders Strategie geht nach hinten los. Wir merken unterwegs bei Gesprächen: Die Leute sind froh, wenn Politikerinnen und Politiker pragmatisch auftreten, kompromissbereit sind und ehrliche Antworten geben. Genau das machen wir Grüne, ganz besonders natürlich vor Ort in der Kommunalpolitik.

    Wahlkämpfende aller Parteien sind Beleidigungen und Angriffen ausgesetzt. Wie schwer ist es, unter diesen Bedingungen neue Leute für ehrenamtliche Politik zu gewinnen?
    EVA LETTENBAUER: In den sechs Jahren, seit ich Vorsitzende bin, haben wir unsere Mitgliederzahl auf fast 30.000 verdoppelt. Das gibt uns Kraft. Gleichzeitig müssen wir uns gegen eine CSU behaupten, die in den letzten Jahren immer öfter auf Verächtlichmachung und Lügen gesetzt hat. Natürlich bleibt die Bedrohungslage real. Markus Söder hat mit seinem Ego-Trip und seiner Hetze die Stimmung vergiftet. Trotzdem: Unsere Listen für die Kommunalwahlen füllen sich. Viele wollen gerade jetzt Verantwortung übernehmen.

    Wenn bei einer Wahlkampfveranstaltung wieder ein Stein gegen Grüne fliegt – muss man das Ihrer Ansicht nach Markus Söder zuschreiben?
    LETTENBAUER: Er hat maßgeblich zur Verhärtung der Stimmung beigetragen.

    Aber Sie können doch nicht jede Veranstaltung mit Security absichern?
    SENGL: Zum Glück ist das nicht mehr nötig. Es gab eine Zeit, da war bei Empfängen und Versammlungen ständig Polizei dabei. Ich habe die Beamtinnen und Beamten als sehr professionell erlebt und mich immer gut geschützt gefühlt. Inzwischen ist es ruhiger geworden. Aber wenn ich höre, wie Söder beim Gillamoos über uns herzieht, frage ich mich schon: Muss das wirklich sein?

    Warum attackiert er Ihrer Meinung nach die Grünen immer noch so vehement?
    SENGL: Das war seine Strategie – AfD-Positionen übernehmen und hoffen, Wählerinnen und Wähler zurückzuholen. Das Gegenteil ist eingetreten – er spielt der AfD in die Hände. Wir hingegen haben Mitgliederzuwachs, weil Söders Kurs viele Menschen gegen ihn aufbringt.

    Sie beide sind seit Januar 2024 Vorsitzende der bayerischen Grünen, haben zunächst gegeneinander kandidiert. Wie läuft die Zusammenarbeit heute?
    LETTENBAUER: Wir sind als Team zusammengewachsen und wollen beim Parteitag Ende Oktober auch wieder gemeinsam antreten. Wir ergänzen uns: zwei Generationen, zwei Blickwinkel. Ich bin eine erfahrene Sozialpolitikerin und bringe den wirtschaftlichen Blick als Ingenieurin ein, etwa wenn es um die Energiewende als Wirtschaftsmotor geht. Gisela steht für Landwirtschafts- und Bildungspolitik. Sengl: Die Kampfkandidatur war heftig, klar. Aber wir kannten und respektierten uns schon aus dem Landtag. Jetzt profitieren wir davon, dass wir die Vielfalt unserer Mitglieder repräsentieren – von Jung bis Alt. Politik für Kinder, für Familien, aber auch für die wachsende Zahl älterer Menschen gehört zusammen.

    Was ist Ihre Hauptkritik an der derzeitigen Politik in Bayern?
    SENGL: Dass nichts passiert. Statt Perspektiven zu entwickeln, werden mühsam ausgehandelte Kompromisse zurückgedreht – etwa beim Verbrenner-Aus. Selbst der Audi-Chef hat jetzt wieder gesagt, dass das der falsche Weg ist. In der Wohnungspolitik werden große Ankündigungen gemacht, aber kaum umgesetzt. Söders Politik besteht aus Überschriften, nicht aus Ergebnissen.

    Da müssten Sie dem Ministerpräsidenten doch eine Schlappe beim Bürgerentscheid zu den Olympischen Spielen wünschen.
    LETTENBAUER: Nein. Wir Grüne sind für Olympische Sommerspiele in München. Die Stadt verfügt über viele geeignete Sportstätten. Mit klaren Nachhaltigkeitsvorgaben finden wir die Bewerbung eine gute Idee.

    Wie sehen Ihre Ziele für die Kommunalwahlen im kommenden Frühjahr aus?
    LETTENBAUER: Wir wollen uns breit und stark aufstellen, mit mehr Mandaten und mehr Ortsverbänden. Schon bei der letzten Kommunalwahl konnten wir unsere Sitze verdoppeln, daran wollen wir anknüpfen. Besonders wichtig ist uns, mehr Frauen in die Rathäuser, Kreis- und Bezirkstage zu bringen. In Bayern liegt ihr Anteil bei nur rund 20 Prozent – das muss sich ändern.

    Gibt es Orte, in denen Sie sich besonders viel ausrechnen?
    LETTENBAUER: Wir haben kein Ranking. Wir treten in vielen kleinen Gemeinden neu an und wollen auch Bürgermeisterinnen und Landräte stellen – zum Beispiel im Landkreis Würzburg oder in Städten wie Augsburg oder Regensburg. Wir sind optimistisch, dass wir unsere gute Arbeit fortsetzen können.

    Ministerpräsident Söder hat angekündigt, 2028 erneut antreten zu wollen. Wen stellen die Grünen dagegen?
    SENGL: Wir werden gebraucht zum Regieren. Wir helfen jetzt schon, wenn die Bundes- oder Landesregierung nicht mehr weiterkommen. Man denke an die verkorkste Kanzlerwahl und unsere vielen Ideen, die Söder einfach kopiert, wie die Bürgerenergie oder den Wassercent. Für mich ist klar, dass Katharina Schulze das viel besser, großartig machen würde.

    Zur Person

    Die Landtagsabgeordnete Eva Lettenbauer (32) aus Daiting (Kreis Donau-Ries) ist bereits seit 2019 Vorsitzende der Bayerischen Grünen. Seit Januar 2024 bildet die studierte Wirtschaftsingenieurin zusammen mit Gisela Sengl das Führungs-Duo der Grünen im Freistaat. Die 65-jährige Sengl saß bis 2023 im Landtag und betreibt mit ihrem Mann einen Bio-Bauernhof im Chiemgau.

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