Als Alfons Schuhbeck zum ersten Mal in seinem Leben dringend Geld braucht, ist er gerade mal 17, spielt in einer Hobbyband Gitarre und hat sich eben erst eine Musikanlage gekauft. Bei einem Auftritt im Restaurant „Kurhaus“ im oberbayerischen Waging am See fragt der selbstbewusste Teenager den Inhaber: „Können Sie uns nicht öfter engagieren? Ich brauch nämlich Kohle, weil ich einen Haufen Schulden habe.“ Über 5000 Mark müsse er für seine Musikanlage abzahlen. Ob er verrückt sei, fragt der Restaurantinhaber – so viele Schulden zu machen!
Damals hat der Junge, der zu diesem Zeitpunkt noch Karg mit Nachnamen hieß, seine Schulden durch ehrliche Arbeit abbezahlt, wie man in seinem Best-of-Kochbuch „Meine Klassiker“ nachlesen kann. Er fing als Schankkellner im „Kurhaus“ an, wechselte dann in die Küche. Sein Mentor, „Kurhaus“-Chef Sebastian Schuhbeck, adoptierte den begabten Koch im Angesicht des Todes und hinterließ ihm die Wirtschaft. Aus dem verschuldeten Hobbygitarristen wurde Alfons Schuhbeck, einer der erfolgreichsten Köche Deutschlands.
Ganz oben darfst du keine Schwäche zeigen.
Alfons Schuhbeck
Jetzt ist er Alfons S., der Angeklagte. Seine Finanzprobleme soll er in den vergangenen Jahren längst nicht mehr ehrlich gelöst haben. Wegen Steuerhinterziehung muss er schon eine Gefängnisstrafe absitzen. Nun werden ihm Subventionsbetrug in 19 Fällen, Insolvenzverschleppung in neun Fällen, dazu Betrug, versuchter Betrug und noch ein paar kleinere Vergehen vorgeworfen.
Gleich am ersten Tag seines Prozesses vor dem Landgericht München I legt Schuhbeck, der als Beruf heute „Rentner“ angibt, ein Geständnis ab. „Ich räume den Sachverhalt der Anklage ein“, liest der 76-Jährige aus einer vorgefertigten Erklärung, nachdem ganze zwei Stunden lang die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vorgetragen worden ist. Es ist heiß im Saal, stickig und plötzlich ganz ruhig. „Das Leben hat mich weit nach oben geführt und nun wieder ganz nach unten“, sagt Schuhbeck. Es müsse immer irgendwie weitergehen, so habe er sein ganzes Leben lang gedacht. „Ganz oben darfst du keine Schwäche zeigen“: Nach dieser Devise hat er nach eigenen Angaben gelebt. Lange sei es ja auch gut gelaufen. „Doch dann habe ich mich übernommen.“

Nach seiner Erklärung wirkt Schuhbeck am Dienstagmittag geradezu erleichtert, er lächelt sogar kurz. Dabei muss er nach aktuellem Stand trotzdem mit einer Haftstrafe bis zu vier Jahren und acht Monaten rechnen. Diese würde aber mit seiner bisherigen Gefängnisstrafe verrechnet. 2022 war der einstige König vom Platzl wegen Steuerhinterziehung schon zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden. Nun könnten noch mindestens zehn Monate obenauf kommen.
Gerade ist seine Haftstrafe ausgesetzt, weil Schuhbeck sich einer medizinischen Behandlung unterziehen muss, die in der JVA Landsberg nicht geleistet werden kann. Sein Anwalt Norbert Scharf erklärt am Dienstag, um welche Krankheit es sich handelt. Schuhbeck hat Krebs. Unheilbar. „Herr Schuhbeck ist mittlerweile ein schwer kranker Mann im Alter von 76 Jahren“, sagt Scharf. „Eine nicht heilbare Krebserkrankung belastet ihn seit einigen Monaten akut und stark, dies psychisch wie physisch.“
Schuhbeck entschuldigt sich im Geständnis bei den Betroffenen
Der frühere Starkoch sitzt im blauen Anzug mit Einstecktuch da. Sein elegantes Outfit vermag aber nicht abzulenken von den tiefen Augenringen, seiner wächsernen Gesichtshaut, dem dünnen Haar. Schuhbeck, der kulinarisch stets das richtige Timing als entscheidend fürs Gelingen eines Gerichts propagierte, nutzt also gleich den ersten von vier angesetzten Prozesstagen, um seine Schuld einzuräumen. Wie schon bei seinem letzten Prozess, im Jahr 2022 eben, spielt er die Karte des schlechten Geschäftsmanns, der den Überblick über das verzweigte Geflecht seiner Unternehmen verloren habe. Deshalb habe er falsche Entscheidungen getroffen – oder gar keine.
Ein Vorwurf der Anklage ist tatsächlich, dass der Unternehmer für neun seiner Firmen die notwendigen Insolvenzanträge nicht oder nicht rechtzeitig gestellt hat, obwohl sie bereits zahlungsunfähig waren. Je länger eine Insolvenz verschleppt wird, desto empfindlicher reagiert die Justiz darauf, Rechtsexperten wissen das. Bei Schuhbeck vergingen teils vier Jahre. Die Erkenntnis, dass die Mittel nicht ausreichen, sei schleichend gekommen, sagt der frühere Leibkoch des FC Bayern München am Dienstag. „Ich habe versucht, die Löcher zu stopfen, meine Leute zu halten, die die Seele des Betriebs waren.“

Dass er Geschäftspartner und Gläubiger „massiv geschädigt“ haben soll, auch das lasten die Strafverfolger dem gelernten Fernmeldetechniker an. Parkettleger, Kammerjäger, Obsthändler, mehrere haben ihre schlechten Erfahrungen mit dem Mann öffentlich gemacht, der nach außen hin als so prinzipientreu galt. Als einer, den man zwar nicht mögen muss, aber zu dem man doch aufschaut, weil er es zu etwas gebracht hat. Mindestens ein Unternehmen habe wegen Schuhbecks Versäumnissen am Ende selbst Insolvenzantrag stellen müssen, heißt es von der Staatsanwaltschaft. Bei all diesen Leuten entschuldigt sich der frühere Großgastronom am Dienstag.
Um sich neue Finanzquellen zu eröffnen, soll Schuhbeck den Ermittlerinnen und Ermittlern zufolge für mehrere seiner Gesellschaften staatliche Coronahilfen beantragt haben. Laut Anklage hat er dabei „bewusst wahrheitswidrige“ Angaben gemacht. Auch die November- und Dezemberhilfen des Bundes beantragte er demnach erfolgreich, wieder mit falschen Angaben.
Der Promikoch soll Bundesrepublik und Freistaat geschädigt haben
Der Bundesrepublik Deutschland und dem Freistaat Bayern entstand nach der Rechnung der Staatsanwaltschaft ein Schaden in Höhe eines mittleren sechsstelligen Betrags. Mehr noch: Statt die Finanzspritzen zweckgebunden für das jeweilige Unternehmen zu verwenden, soll er das Geld immer wieder auf seine anderen Firmen verteilt haben, um dort Lücken zu stopfen. Auch Mieten und Pachten soll er so beglichen haben. „Ich habe meine Gesellschaften immer als einen Betrieb gesehen und die Gelder dort eingesetzt, wo sie am dringendsten gebraucht wurden“, sagt Schuhbeck dazu. Das ist gesetzlich verboten.
Dieser Schuhbeck, der Superkoch, der König vom Platzl, der im Juni 1980 mit Blut- und Leberwurst auf Apfel-Sauerkraut seinen ersten Arbeitstag als Küchenchef begann: Er soll nun ein Krimineller sein. Dabei hat er doch selbst die Glaubwürdigkeit als Rezept ausgegeben, schreibt etwa in seinem „Klassiker“-Buch: „Ich war seit meinen Anfängen als Koch (...) überzeugt: Meine Küche wird nur erfolgreich sein, wenn sie meiner Wesensart entspricht und in einem Restaurant serviert wird, in dem ich als Gastgeber glaubwürdig bin.“

Jahrzehntelang hat dieses Rezept funktioniert, selbst frühere Prozesse schienen ihm die Suppe nicht zu versalzen. Er sitzt ja nicht zum ersten Mal auf der Anklagebank, auch nicht zum zweiten Mal. Mehrfach schon kam es zum Prozess. Neben 2002 etwa 1994, als er wegen Steuerhinterziehung bereits zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 250.000 Mark verurteilt wurde. Und dann 2014 – extra pikant –, als ein Verband gegen Schuhbeck klagte, weil der Inhalt eines Döschens namens „Sexgewürz“ nicht die erwünschte Wirkung auslöste. Das Gericht ließ ihm den Namen der Gewürzmischung als „frivolen Gag“ durchgehen und sah von einer Strafe ab.
Das dürfte dieses Mal anders sein. Durch sein Geständnis eröffnet sich der Ex-Unternehmer, der einst seine Termine nur per Hubschrauber schaffte, die Möglichkeit eines Deals mit der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München I. Der Vorsitzende Richter Uwe Habereder hatte ihm vorher in Aussicht gestellt, dass er bei einem voll umfassenden Geständnis mit einer Gesamtstrafe nicht höher als vier Jahre und acht Monate, aber auch nicht niedriger als vier Jahre rechnen könne. Ohne Geständnis hätte es durchaus noch mehr werden können. Ob er angesichts seines Gesundheitszustands wirklich wieder in Haft muss? Niemand vermag das gerade zu beantworten.
Alfons Schuhbeck hat im Gefängnis ein Kochbuch geschrieben
Der 49-jährige Vorsitzende geht durchaus empathisch mit dem Angeklagten um. Er fragt mit Bedacht nach, er wünscht ihm alles Gute. Viele Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal – allein 25 Medien haben sich akkreditiert – sind sichtbar hin- und hergerissen. Einerseits sitzt da ein Mann, der den Staat betrogen haben soll, der andere Unternehmer in Existenznöte brachte und über Jahre allen etwas vorspielte. Andererseits aber auch ein schwer gezeichneter Senior, physisch nur noch die Hälfte seiner selbst, der jeden Tag beim Blick aus seiner Wohnung am Münchner Platzl die Reste seines zerschlagenen Reiches vor sich sieht. Der vielen jungen Köchen Vorbild war und für dessen Platz in der bayerischen Küchenkultur kein Nachfolger in Sicht ist.
Alfons Schuhbecks eigenes Vorbild, der Wirt vom Waginger See, ist lange tot. Inspiriert von dessen Art zu kochen, hat der Sterne- und TV-Koch die bayerische Küche weiterentwickelt, hätte einem zu seinen besten Zeiten womöglich sogar weismachen können, dass eine Schweinshaxe gesund ist, wenn man sie nur richtig würzt. Glaubt man seiner Erklärung, die das Gericht jetzt natürlich prüft, dann will er „versuchen, den Schaden wiedergutzumachen“. Er habe in Haft ein neues Kochbuch geschrieben, erzählt er. Die Einnahmen sollen an seinen Insolvenzverwalter gehen.
Der Prozess gegen Alfons Schuhbeck geht am kommenden Dienstag weiter. Ein Urteil könnte am 14. Juli fallen.
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