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Kriminalität: Wie sicher fühlst Du Dich im Allgäu?

Stimmung in Kempten

Kriminalität: Wie sicher fühlst Du Dich im Allgäu?

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    Ein nicht seltener Begleiter bei jungen Frauen: Pfefferspray. Damit fühlen sie sich einfach sicherer, wenn sie alleine unterwegs sind.
    Ein nicht seltener Begleiter bei jungen Frauen: Pfefferspray. Damit fühlen sie sich einfach sicherer, wenn sie alleine unterwegs sind. Foto: Daniel Karmann, dpa (Symbolbild)

    Ohne Pfefferspray geht Jessica Müller (Name von der Redaktion geändert) nicht mehr joggen. Seit der 34-Jährigen auf dem Weg an der Iller ein Radfahrer entgegenkam: Der dunkelhäutige Mann habe sie lüstern angesehen, wendete kurz darauf, zog sein T-Shirt aus und folgte ihr. "Ich bin sofort in Richtung Hauptstraße geflüchtet", erzählt die hübsche Kemptenerin. Der Unbekannte kam ihr nicht mehr hinterher. Auch Müllers Freundinnen seien vorsichtiger geworden: "Wir passen mehr auf als früher."

    Fälle wie dieser jagen nicht nur den Betroffenen einen Schrecken ein: Sie tragen dazu bei, das allgemeine Sicherheitsgefühl zu belasten – auch wenn in Kempten die Zahl der Straftaten zurückgeht und die Stadt laut Kriminalstatistik zu den sichersten in Deutschland zählt.

    Polizeistatistik: Zahl der Straftaten sinkt seit Jahren

    Entwicklung:

    Die Zahl der Straftaten in der Stadt geht seit Jahren zurück. 2017 zählte die Polizei 4.472 Vorfälle – 206 weniger als im Vorjahr und 826 weniger als vor zehn Jahren.

    Flüchtlinge:

    "Null Auffälligkeiten bei den Straftaten" stellte die Polizei durch Asylbewerber fest. Wenngleich die Beamten oft in Unterkünfte gerufen würden, um Streit zu schlichten.

    Gewaltkriminalität:

    178 Fälle registrierte die Polizei 2017 im Stadtgebiet – fast 25 Prozent mehr als im Vorjahr. Darunter fallen etwa Schlägereien und Körperverletzungen. Natürlich würden hier Streitereien in Flüchtlingsunterkünften hereinspielen, sagt Günter Hackenberg, Leiter der Polizeiinspektion Kempten. Bedingt durch kulturelle und religiöse Unterschiede, enge Räumlichkeiten und Perspektivlosigkeit seien diese vorprogrammiert. Doch im "öffentlichen Raum", also außerhalb der Unterkünfte, verzeichne man keinen Anstieg von Straftaten durch Flüchtlinge. So auch nicht – was manche Bürger gerne verbreiten – durch

    Straßenkriminalität

    , also Sachbeschädigungen, Körperverletzungen auf Straßen und Plätzen oder exhibitionistische Handlungen.

    Ilona Braukmann kennt solche Fälle und einige Kemptenerinnen, die sich unwohl fühlen, wenn sie draußen unterwegs sind, sagt die Sozialpädagogin vom Frauennotruf Kempten. Manche hätten vor allem bei Dämmerung ihren Hund dabei, andere Pfefferspray griffbereit. "Die gefühlte Sicherheit bei diesen Frauen ist nicht mehr so wie vor zwei, drei Jahren – ihre Verunsicherung hat zugenommen", sagt Braukmann. Auch wenn die tatsächliche Sicherheitslage laut Polizeistatistik genau das Gegenteil aussagt. Demnach gab es 2017 in Stadt und Altlandkreis beispielsweise weniger Vergewaltigungen (zehn) und exhibitionistische Handlungen (sieben) als im Vorjahr. Zudem nahm die Zahl der Fälle von Straßenkriminalität in Kempten um elf ab (auf 672).

    So sicher fühlen sich die Menschen in Bayern.
    So sicher fühlen sich die Menschen in Bayern. Foto: AZ Infografik

    Weil die Polizei bei Veranstaltungen und in der Öffentlichkeit regelmäßig präsent sei, "ist das Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung ein Gutes", sagt Günter Hackenberg. Das hätten dem Leiter der Polizeiinspektion Kempten viele Bürger in Gesprächen bestätigt. Seine Kollegin Dagmar Bethke, Beauftragte der Polizei für Kriminalitätsopfer, sprachen hingegen ab und an besagte Frauen an, die sich draußen unsicher fühlen. Die meisten von ihnen seien allerdings durch Nachrichten in Medien oder sozialen Netzwerken verunsichert. Und sie seien auch nie Opfer von Gewalt geworden. Vielmehr würden Kemptenerinnen in der Regel Beziehungsopfer oder Opfer von häuslicher Gewalt, was die Polizeistatistik bestätigt.

    Berichte beeinflussen

    Trotz der objektiv guten Zahlen bleibt bei manchen ein mulmiges Gefühl. Aber woher kommt das? Experten wie Thomas Bliesener vom kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen gehen davon aus, dass sich die Zahl der Straftaten nur wenig auf das Gefühl der Menschen auswirkt. Entscheidend sind andere Punkte: etwa eine gravierende Straftat in unmittelbarer Nähe oder wenn Medien verstärkt über ein bestimmtes Thema berichten. Wobei die Rolle der sozialen Medien im Internet wichtiger werde. Jeder könne jede Polizeimeldung lesen, die irgendwo in Deutschland veröffentlicht wird. Das war früher, als es das Internet noch nicht gab, anders.

    Eine ähnliche Erfahrung haben Dajana Wolf und Christoph Bürk gemacht – die beiden bieten Selbstverteidigungskurse für Frauen und Mädchen bei der Wing Tsun Schule Kempten an: Das Interesse daran sei auffällig stark nach den Berichten über sexuelle Übergriffe in der Silvesternacht 2015/16 in Köln gewesen. Ansonsten melden sich junge Frauen oft nach dem Abitur für einen Kurs an, etwa wenn sie eine Zeitlang ins Ausland wollen. Oder erwachsene Frauen, wenn sie selbst bereits Opfer von Gewalt geworden sind. Die Täter stammen hier laut Statistik zu 80 Prozent aus dem Bekanntenkreis.

    Furcht vor bestimmten Gruppen

    Furchteinflößend sind für manche Frauen nicht die in Medien verbreitete Straftaten, sondern eher bestimmte Gruppen, die sich treffen und dabei laut oder aggressiv auftreten. Etwa Männer aus anderen Kulturkreisen, erläutert Sozialpädagogin Braukmann: Sie seien es von zuhause gewohnt, dass Frauen meist nur in Gruppen unterwegs sind. Sähen diese Männer eine Frau alleine, so würden sie diese "ganz anders anschauen". Dadurch wiederum fühle sich die Frau belästigt. Läuft so ein Mann einer Frau beim Joggen hinterher, müsse der nicht automatisch Böses wollen: "Viele versuchen so, eine Frau kennenzulernen." Braukmann sind aber auch einige Fälle in Kempten bekannt, bei denen Frauen sich im Freien bedrängt fühlten und deshalb die Polizei alarmierten.

    Die meisten gehen unbesorgt durch Kempten

    Viele Bürger haben ein gutes Sicherheitsgefühl. Ein Senior sagt: "Früher gab es auch schon Raufereien."

    Von Kindesbeinen an lebt Klaus Hölzl in Kempten. Der 73-jährige Rentner meint: "In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Stadt ganz sicher nicht zu ihrem Nachteil verändert. Raufereien und andere unliebsame Vorkommnisse hat es auch früher gegeben. Also gehe ich auch heute ganz unbeschwert durch die Stadt." Allerdings mit einer Einschränkung, lacht der Senior. Aus Spaß an der Freud renne er nachts nicht mehr umher, sagt Hölzl und lacht.
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