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Landräte in Schwaben: Häufen sich die Rückzüge?

Kommunalwahl 2026

Traumberuf oder Knochenjob? Warum immer mehr Landräte in Bayern ihr Amt aufgeben

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    Im nächsten Jahr werden in Bayern auch neue Landrätinnen und Landräte gewählt.   Indra Baier-Müller (Oberallgäu) und Klaus Metzger (Kreis Aichach-Friedberg) werden nicht mehr antreten.
    Im nächsten Jahr werden in Bayern auch neue Landrätinnen und Landräte gewählt.  Indra Baier-Müller (Oberallgäu) und Klaus Metzger (Kreis Aichach-Friedberg) werden nicht mehr antreten. Foto: Ute Krogull/Patrick Pleul, dpa/Ralf Lienert

    Bevor Klaus Metzger Anfang August erklärte, er werde kein weiteres Mal zur Wahl antreten, hatte er eine schlaflose Nacht. Dann sagte der 62-jährige CSU-Landrat des Kreises Aichach-Friedberg vor Journalisten: „Das Amt des Landrats braucht 100 Prozent – eigentlich 110 Prozent.“ Diese 110 Prozent könne er nicht weitere sechs Jahre lang so leisten. Er sprach von „zwei extrem schwierigen Amtszeiten“ seit 2014, in denen er überdies angefeindet worden sei.

    Günzburger Landrat Hans Reichhart: „Ich trete erneut an“

    Metzger ist nicht der einzige Landrat, der für die Landratswahl in Bayern am 8. März 2026 nicht mehr zur Verfügung steht. Allein in Schwaben sind drei weitere Amtsinhaberinnen und -haber bekannt, die sich genauso entschieden haben: Indra Baier-Müller (Oberallgäu, Freie Wähler), Stefan Rößle (Donau-Ries, CSU) und Maria Rita Zinnecker (Ostallgäu, CSU). Vier von zehn Landräten in dem Regierungsbezirk also. Auch im angrenzenden oberbayerischen Landkreis Neuburg-Schrobenhausen erklärte Landrat Peter von der Grün (FDP), nicht nochmals zu kandidieren. Anders entschied sich hingegen der Günzburger Landrat Hans Reichhart, wie er nun unserer Redaktion gesagt hat. Was bislang nicht öffentlich war, ist jetzt offiziell: „Ich trete erneut an“, sagt er im Gespräch.

    Insgesamt gibt es 71 Landkreise und damit 71 Landräte und Landrätinnen in Bayern. Sie sind die Gesichter ihrer Region und haben eine absolute kommunale Spitzenposition inne. Mit Blick auf die letzten Rückzüge fragt sich allerdings: Ist gerade eine – womöglich besorgniserregende – Häufung zu beobachten? Wird der früher vielfach als Traumjob bezeichnete Job des Landrats zunehmend als Knochenjob empfunden und als unattraktiv?

    Landrat Klaus Metzger tritt bei der Kommunalwahl 2026 nicht mehr für den Spitzenjob im Kreis Aichach-Friedberg an.
    Landrat Klaus Metzger tritt bei der Kommunalwahl 2026 nicht mehr für den Spitzenjob im Kreis Aichach-Friedberg an. Foto: Ute Krogull

    Fragt man Klaus Metzger nach dem „Traumjob Landrat“, antwortet er: Man müsse das Amt „wirklich wollen“. Landrat zu sein, sei nach wie vor „eine unvergleichlich großartige Aufgabe“, in kaum einem anderen Amt habe man mehr Gestaltungsmöglichkeiten. „Allerdings sind auch die Herausforderungen neben dem Alltagsgeschäft gewaltig, seit 2015 sind wir im Dauerkrisenmodus: Asyl und Flucht, Corona, Energiekrise, Ukrainekrieg, Naturkatastrophen, steigende Ausgaben in allen Bereichen – all das schlägt unmittelbar auf die kommunale Ebene durch“, so Metzger. Und: „Man braucht ein dickes Fell, denn man macht leider unliebsame Bekanntschaft mit Beleidigungen, Hass und Hetze im Netz.“ Besonders extrem sei es während der Coronazeit gewesen. Peter von der Grün, seit 2019 im Amt, war zuvor ebenfalls deutlich geworden. Er kritisierte eine „strukturelle Unterfinanzierung der Landratsämter bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben“, die mit kommunalen Mitteln „kaum noch zu stemmen“ seien. Er sprach von einem „Staatsversagen“.

    Die Liste der potenziellen Gründe, die gegen das Amt sprechen, ist lang

    Die Liste potenzieller Gründe, die einen – weiteren – Anstieg der Zahl der Rückzüge von Landräten in Bayern vermuten lässt, ist lang. Eine Häufung wollen aber weder der CSU-Landtags-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek, dessen Partei im Freistaat mit Abstand die meisten Landräte stellt, noch der Bayerische Landkreistag erkennen. „Individuelle Gründe“ macht Holetschek für die Situation in Schwaben verantwortlich. Der 61-jährige Stefan Rößle, bereits seit 2002 Landrat, gab an, mehr Zeit für die Familie haben zu wollen. Die 60-jährige Maria Rita Zinnecker, die 2014 Schwabens erste Landrätin wurde, begründete ihren Schritt mit der schweren Erkrankung ihres Mannes.

    Indra Baier-Müller sagt: „Landrätin zu sein, ist aus meiner Sicht nach wie vor eine wunderbare und erfüllende, aber auch eine herausfordernde Aufgabe, die zu Recht eine Erreichbarkeit 24/7 erfordert.“
    Indra Baier-Müller sagt: „Landrätin zu sein, ist aus meiner Sicht nach wie vor eine wunderbare und erfüllende, aber auch eine herausfordernde Aufgabe, die zu Recht eine Erreichbarkeit 24/7 erfordert.“ Foto: Ralf Lienert

    Und Indra Baier-Müller (54), die seit 2020 Landrätin ist, hatte im Mai erläutert, die Unterstützung in der eigenen Partei, den Freien Wählern, verloren zu haben. Zugleich kündigte sie an, alle ihre Ämter bei den Freien Wählern niederzulegen. Heute sagt sie im Rückblick unter anderem: „Man steht medial häufig in der Kritik, werden jedoch Erfolge erzielt, so gelten diese in der Regel als selbstverständlich.“ Auch das müsse man aushalten können.

    Landrat und Landrätin: Mehr Traumjob oder mehr Knochenjob?

    Die Diplom-Sozialpädagogin, bis kurz vor ihrer Wahl Geschäftsleiterin der Diakonie Kempten, war als Seiteneinsteigerin ins Amt gekommen. Gute Kandidaten und Kandidatinnen seien in der Regel bereits in einer Position, in der man vergleichbar oder mehr verdienen kann als in einem Wahlamt, sagt sie. Das Risiko, nach sechs Jahren nicht mehr wiedergewählt zu werden und somit ohne Anschlusstätigkeit – außer im öffentlichen Dienst oder im Staatsdienst – zu bleiben, sei zumindest nicht ausgeschlossen. „Deshalb überlegen sich ,wirklich geeignete‘ Kandidaten schon sehr gut, ob diese Ämter es wert sind.“

    Ein Sprecher des Bayerischen Landkreistags teilt auf Anfrage und unter Berücksichtigung der Kommunalwahlen 2014 und 2020 mit, dass rund ein Drittel der Landrätinnen und Landräte jeweils neu gewählt worden sei. „Nach den uns derzeit vorliegenden Informationen können wir aktuell keine Häufung bei den Rückzügen beziehungsweise Nicht-mehr-Antritten feststellen.“ Dies gelte auch für Schwaben, sagt er.

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