Die Verstimmung in der Union über Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) wird immer größer. Insbesondere in der CSU mehren sich die Stimmen, die seine Entscheidung, wegen Israels Vorgehen im Gazastreifen bestimmte Rüstungsgüter nicht mehr zu liefern, heftig kritisieren. So sagte der Landtags-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek unserer Redaktion: „Auch ich halte den Waffenstopp für einen Fehler mit fatalen Folgen.“ Er stärke vor allem die Terrorgruppe Hamas. „Gerade in den aktuell schwierigen Zeiten muss man zu seinen Freunden stehen.“
Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle, für die CSU viele Jahre Landtagsabgeordneter und Kultusminister, übte ebenfalls scharfe Kritik an Merz. „Die Entscheidung des Bundeskanzlers ist unverständlich“, sagte er unserer Redaktion. „Die Schwächung Israels in seiner Verteidigungsfähigkeit ist nicht im Sinne der deutschen Staatsräson.“ Und auch der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer sprach in der Bild von einer „Fehlentscheidung“.

Verärgert sind die Christsozialen zudem darüber, nach ihrer Darstellung nicht vorab informiert worden zu sein. Alexander Hoffmann, Chef der Landesgruppe im Bundestag, verlangte Klärungsbedarf in der Koalition. Hinter den Kulissen ist davon die Rede, man wolle die Wende in der Israel-Politik nicht hinnehmen.
Kritik an Merz und seiner Israel-Entscheidung auch aus der CDU
Auch aus den Reihen der CDU gab es Kritik am eigenen Parteichef. Der Sicherheitspolitiker Roderich Kiesewetter nannte die Entscheidung einen „schweren politischen und strategischen Fehler Deutschlands“.
Am Sonntag versuchte das Kanzleramt in Berlin, mit einem dreiseitigen „Hintergrund zur Erklärung des Bundeskanzlers“ die Wogen in der Union zu glätten. Das Papier liegt unserer Redaktion vor. Darin heißt es unter anderem, der Waffenstopp sei „ausdrücklich auf einen möglichen Einsatz in Gaza beschränkt“. Rüstungsgüter für die Selbstverteidigung Israels seien davon nicht betroffen. Die Grundlinien deutscher Israelpolitik blieben unverändert.

Allerdings berge die Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts, die Militäroffensive auszuweiten und eine Belagerung von Gaza-Stadt einzuleiten, „erhebliche Risiken für die Sicherheit der Geiseln, die von der Hamas festgehalten werden, darunter auch weiterhin deutsche Staatsangehörige“. Außerdem drohe sie die humanitäre Lage im Gazastreifen weiter zu verschärfen. Und: „Diese Eskalation trägt auch zur Verschärfung gesellschaftlicher Konflikte in Deutschland und Europa bei, die wir auch im Sinne unserer Verpflichtung gegenüber dem Staat Israel vermeiden müssen.“
Neuer Anlauf für eine Waffenruhe
Die Gaza-Vermittler Ägypten, Katar und USA versuchen derweil, die geplante Offensive der israelischen Armee in Gaza mit einem neuen Anlauf für eine Waffenruhe noch zu verhindern. Arabische, amerikanische und israelische Medien berichten, der neue Vorstoß habe nach der Entscheidung des israelischen Sicherheitskabinetts vom Freitag begonnen. Wichtige Bestandteile der neuen Vorschläge für eine Waffenruhe decken sich mit denen eines arabischen Friedensplans für Gaza. Arabische Staaten haben bereits mit der Ausbildung palästinensischer Polizisten begonnen, die nach Beginn einer Feuerpause nach Gaza geschickt werden sollen.
Israels Armee zieht trotz der breiten innenpolitischen und internationalen Kritik seine Truppen für den Angriff auf Gaza-Stadt zusammen. Soldaten und Fahrzeuge seien an die Grenze des Gazastreifens verlegt worden, meldete der US-Sender NBC unter Berufung auf Satellitenbilder.

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