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Merz muss ein ernstes Wort mit Macron reden, was das Rüstungs-Projekt FCAS betrifft

Eurofighter

Kampfflugzeug der Zukunft: Gefährdet Frankreich Arbeitsplätze in Bayern?

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    Der Eurofighter wurde gemeinsam von Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien entwickelt.
    Der Eurofighter wurde gemeinsam von Deutschland, Großbritannien, Spanien und Italien entwickelt. Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa

    Wer bremst diesen Mann? Eric Trappier ist Chef des an der Börse notierten französischen Flugzeugbauers Dassault Aviation. Das Unternehmen baut Falcon-Geschäftsreise-Flieger und Kampfflugzeuge vom Typ Rafale, dem Stolz Frankreichs. Hinter der Firma mit rund 14.600 Beschäftigten steht als Mehrheitseigentümer die Dassault-Gruppe, ein altertümlich anmutender Mischkonzern. Zu ihm gehören auch die Mediengruppe Figaro, also die seit 1826 erscheinende Zeitung Le Figaro, renommierte Weingüter im Südwesten Frankreichs und ein Kunstauktionshaus. Auf deutsche Verhältnisse übertragen wäre das in etwa so, als ob der Rüstungsriese Rheinmetall Eigentümer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und zugleich Riesling-Winzer an der Mosel wäre. 

    Es geht um das Kampfflugzeug der Zukunft

    Die hinter dem Dassault-Konzern steckenden Familienmitglieder genießen gesteigerten Einfluss auf die Politik in Paris, auch wenn die Luftfahrtsparte eher in die Klasse eines großen Mittelständlers fällt. Dassault-Aviation Boss Trappier, 65, ist ein ähnlich bullig und selbstbewusst wirkender Manager-Typ wie Rheinmetall-Chef Armin Papperger, 62. Der Franzose soll auf den Tisch gehauen haben, indem er deutlich mehr Einfluss seines Unternehmens bei dem deutsch-französisch-spanischen Rüstungsprojekt FCAS eingefordert hat. Die vier Buchstaben stehen für Future Combat Air System, ein Programm zur Entwicklung eines Luftkampf-Systems der neuen Generation. Hier sollen neue, schwer zu ortende bemannte und unbemannte Maschinen mit Drohnen, Satelliten- und Computertechnik derart vernetzt werden, dass ein Angriff wirkungsvoll zurückgeschlagen werden kann. 

    Französische Rafale-Kampfjets steigen in den Himmel auf.
    Französische Rafale-Kampfjets steigen in den Himmel auf. Foto: Sergei Grits, AP/dpa

    Ab etwa 2040 soll das angesichts der Bedrohungslage schon heute notwendige FCAS-Konstrukt für die Bundeswehr einsatzfähig sein. Obwohl die Zeit drängt, droht das Vorhaben nach Informationen unserer Redaktion aus mehreren Quellen weiter verzögert zu werden. Trappier spielt dabei wohl eine entscheidende Rolle. Der Manager soll die Kontrolle über 80 Prozent an dem Vorhaben eingefordert haben. Mehrere mit dem Vorgang vertraute Personen bestätigen die Zahl, obwohl Deutschland, Frankreich und Spanien sich darauf verständigt haben, dass jedes Land zu einem Drittel an der Entwicklung eines neuen Kampfflugzeugs beteiligt wird. 

    Zuletzt war indes der Eindruck entstanden, als würde das neue Kampfflugzeug eine Art Rafale 2.0, was eine Provokation für die Macher des Konkurrenzprodukts Eurofighter darstellt. Letzteren Flieger bauen Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien. Die Franzosen sollten mit Dassault beim Eurofighter ursprünglich mit an Bord sein, was sich erwartungsgemäß zerschlagen hatte. Im Zweifel sind Franzosen Rüstungs-Solisten und damit anders als andere EU-Staaten unabhängig von den USA, was ein Vorteil im Trump-Zeitalter ist. Ein Insider meint: „Die einstige deutsche Kanzlerin Angela Merkel und ihre damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hätten wissen müssen, wie unzuverlässig Frankreich und Dassault sind, als sie mit Staatspräsident Emmanuel Macron FCAS im Jahr 2017 auf den Weg gebracht haben.“

    Kann Macron den Dassault-Aviation-Chef zur Räson bringen?

    Haben also die beiden deutschen Politikerinnen die Kompromissfähigkeit französischer Rüstungsindustrieller mit fatalen Folgen falsch eingeschätzt? Wenn Kanzler Friedrich Merz jetzt Macron in Berlin trifft, erwarten Betriebsräte deutscher Verteidigungs-Standorte, dass er ein ernstes Wort mit dem Präsidenten spricht. Der Franzose solle den über das Ziel hinausschießenden Trappier einnorden, um das europäische Rüstungsprojekt nicht zu gefährden. Ob Macron den Dassault-Aviation-Zampano zur Räson bringen kann, bezweifeln Kenner der französischen Machtverhältnisse. Namentlich äußern will sich am Mittwoch keiner dieser Gesprächspartner, zu heikel seien die Vorgänge. Es geht um Milliardensummen. 

    Hobbypilot Merz im Kampfjet Eurofighter.
    Hobbypilot Merz im Kampfjet Eurofighter. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Und es geht um tausende Rüstungsarbeitsplätze vor allem in Süddeutschland. Allein am Airbus-Standort in Manching bei Ingolstadt arbeiten gut 6000 Frauen und Männer. Dort werden die Eurofighter-Maschinen für die Bundeswehr endmontiert. Das Augsburger Airbus-Werk steuert die technologisch anspruchsvollen Rumpfmittelteile für die Flieger bei. Die Verantwortlichen an beiden Standorten setzen darauf, vom Bau des Kampfflugzeugs der Zukunft in erheblichem Maße zu profitieren. Die von Beobachtern als „Ego-Tripp“ Trappiers beschriebenen Forderungen nach mehr Einfluss und Arbeitsanteilen könnten auf lange Sicht tausende Rüstungs-Arbeitsplätze in Bayern gefährden, was ein herber Rückschlag für die vielfach beschworene deutsch-französische Freundschaft wäre. 

    Welche Rolle kann Airbus-Chef Faury spielen?

    Der Dassault-Aviation-Chef hebt derweil hervor, dass 77 Prozent der Arbeitsplätze seines Unternehmens in Frankreich beheimatet seien. Das ist ein Pfund, mit dem sich gegenüber Macron wuchern lässt. Vielleicht kann Airbus-Chef Guillaume Faury zu einer Kompromisslösung beitragen, schließlich leitet er den deutsch-französisch-spanischen Flugzeugbauer, dessen Verteidigungssparte bei FCAS die deutschen Interessen federführend vertritt. Ein Rüstungsexperte meint indes: „Faury kann schlecht bei Macron anrufen und sich für deutsche Interessen einsetzen. Er würde vom Präsidenten sofort daran erinnert, was sein Vaterland ist.“  

    Wenn es Merz und Macron außer beschwichtigenden Formel-Kompromissen nicht gelingt, in Berlin die Kuh vom Eis zu kriegen, könnte die deutsche Seite die Notbremse ziehen, die Zusammenarbeit mit den Franzosen bei FCAS aufkündigen und die Seiten wechseln. Denn Großbritannien, Italien und Japan entwickeln unter dem Namen „GCAP“ (Global Combat Air Programme) ebenfalls ein Kampfflugzeug-System der nächsten Generation. Wenn Deutschland bei den kompromissfähigeren Briten unterschlüpfen will, müsse es schnell gehen, heißt es aus dem Rüstungsbereich. Das Bündnis hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber FCAS und den französischen Dassault-Dominatoren: Großbritannien und Italien sind neben Spanien Partner im Eurofighter-Programm. Damit ist in diesem Konsortium ausschließlich der Eurofighter und nicht die französische Rafale Ausgangspunkt für die Entwicklung eines neuen Kampfflugzeug-Programms.

    Auf alle Fälle könnte Merz zumindest eine Trump-light-Strategie testen und Macron sanft drohen, dass Deutschland auch anders, eben britisch, könne. Der Ingolstädter CSU-Bundestagsabgeordnete Reinhard Brandl sagte unserer Redaktion jedenfalls: „Die neuen französischen Forderungen zur Ausweitung der Arbeitsanteile im FCAS-Projekt verstoßen gegen das längst vereinbarte Prinzip zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“ Der Politiker ist sich sicher, „dass auch der Bundeskanzler den französischen Präsidenten daran erinnern wird“. Brandl warnt: „Scheitert FCAS, wäre das ein schwerer Rückschlag auf dem Weg zu mehr europäischer Souveränität und Zusammenarbeit in der Verteidigung.“

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