Ein sonniger Traumtag im 1250-Einwohner-Dorf Weißenbach am Lech in Tirol: Wanderer steuern die umliegenden Berge an, Handwerker machen Brotzeit vor dem Supermarkt, Rentner pflegen ihren Garten, Schulkinder werden mittags von ihren Mamis am Schulhof abgeholt. Auf den ersten Eindruck: die perfekte Idylle an der Einmündung von Tannheimer Tal ins Lechtal, am Fuß des Gaichtpasses.

Dennoch soll sich in der kleinen Gemeinde unerhörtes abspielen. Das erzählt Brigitte Sutorius aus Pfronten, der das "Piefke-Pamphlet" vor Kurzem an der Windschutzscheibe flatterte. Nachdem allgaeu.life und Allgäuer Zeitung darüber berichteten, meldeten sich zwei weitere Betroffene in unserer Redaktion. Sie sprechen gar von Sachbeschädigung am Auto und abgelassenen Reifen. Ist in Weißenbach etwa der Urlauber-Hass ausgebrochen? allgaeu.life macht die Probe aufs Exempel. Erste Anlaufstation: das Restaurant Sommer 3 gegenüber der Tankstelle.

Wirt Franz Leiss (54) bringen die Meldungen über das "Piefke-Pamphlet" auf die Palme. "Das muss ein Gehirnamputierter verfasst haben. Die Allgäuer sind uns hochwillkommen. Ihr könnt ruhig öfter kommen. Ihr seid's angenehme Gäste!", sagt er und empfiehlt die täglich wechselnden Mittagsgerichte seines Lokals.

Dass Tiroler und Allgäuer bestens harmonieren, beweist er im Privatleben: Seine Frau Berit (34) kommt aus dem Ostallgäu. "Wir halten die Augen offen, damit der Schreiberling bald erwischt wird", verspricht das Ehepaar.
Ähnliches hört man öfter im Ort. Die meisten tippen auf einen "Querulanten" als Verfasser. Doch es könnte auch eine Gruppe junger Burschen sein, hört man. In jedem Fall bedauern es viele Weißenbacher, dass die Ruhe nun gestört sei. "Wir hatten nie Probleme mit den Urlaubern oder gar Allgäuern. Und so soll es auch bleiben. Wir fahren zum Baden ja zum Beispiel auch mal in die Therme nach Schwangau ins Ostallgäu", sagt ein älteres Ehepaar, dessen Haus direkt an einen Wanderweg angrenzt.
Von zu vielen Ausflüglern könne wohl kaum die Rede sein, ergänzt eine andere Weißenbacherin. "Bei uns haben in den letzten Jahren drei Gasthäuser zugemacht. Das finden wir alle im Ort schade."
Dass die Leute in Weißenbach Fremden gegenüber aufgeschlossen sind, weiß wohl kaum einer besser als Gerd Wagener (71).

Der Niederländer war früher LKW-Fahrer und hat sich in die Lech-Gegend bei einer seiner Ausfahrten sofort verliebt. Mittlerweile kommt er seit 45 Jahren hierher und hat sogar einen Zweitwohnsitz in der Nähe von Weißenbach.
"Hier habe ich fast schon mehr Freunde als zuhause", sagt er schmunzelnd im Garten eines einheimischen Kumpels. Der bietet dem allgaeu.life-Reporter prompt Zwetschgen zum Mitnehmen an. "Du sieh'gst, mir sind gastfreundlich!"
Wichtig sei, da sind sich die beiden einig, dass man als Tourist ebenfalls freundlich sei und sich an die Regeln halte. Dazu gehört auch der Umweltschutz. "Seinen Dreck einfach am Lechstausee liegen zu lassen, geht zum Beispiel gar nicht", findet Wagener. Doch dieses Problem einfach den Allgäuern anzulasten, sei völlig daneben.
Auch Rentner Wolfgang Noeckl (67) will, dass sich keine Fronten aufbauen: "Die Allgäuer sind gemütlich und gelassen. Außerdem kennen sie sich in den Bergen aus. Sie sind den Tirolern also sehr ähnlich." Kein Wunder, dass er sich nun wünscht, dass der "Pamphlet-Schreiber" bald ausfindig gemacht wird und im schönen Weißenbach wieder Ruhe einkehrt.
Für Einheimische und Urlauber.