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Neue Ansätze für bezahlbaren Wohnungsbau: Experten fordern radikale Änderungen

Wohnungsnot

Bayern ist besonders von Wohnungsmangel betroffen – was hilft?

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    Große Projekte für den Bau von Mietwohnungen werden immer seltener.
    Große Projekte für den Bau von Mietwohnungen werden immer seltener. Foto: Patrick Pleul, dpa

    Wer umziehen muss und eine neue Mietwohnung sucht, muss im bundesweiten Durchschnitt gut 20 Prozent mehr Miete für den Quadratmeter ausgeben als vor fünf Jahren. In vielen Großstädten fällt der Preissprung noch viel höher aus, wenn man denn überhaupt eine neue Wohnung findet. Denn die Nachfrage steigt und das Angebot sinkt. Die einstige Ampelregierung und die Große Koalition davor wollten gegen die wachsende Wohnungsnot den Bau 400.000 neuer Wohnungen pro Jahr sicherstellen. Unter dem Strich dürften es dieses Jahr nur halb so viele sein.

    Normalverdiener können sich kaum noch Neubau-Mieten leisten

    Die Tendenz ist weiter fallend, denn auch die Zahl der Baugenehmigungen ist mangels Anträgen um die Hälfte eingebrochen: Immer mehr Projekte werden wegen hoher Baukosten aufgeschoben oder ganz abgesagt. Und wenn neugebaut wird, sind angesichts der Baustandards und Normen Mieten in Neubauten so hoch, dass sie Normalverdiener kaum noch leisten können.

    Axel Gedaschko ist Präsident des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft GdW, in dem vor allem die vielen städtischen Wohnbaugesellschaften, aber auch andere gemeinnützige und private große Anbieter von Mietwohnungen organisiert sind. Er klagt, dass es ohne staatliche Förderung kaum noch möglich sei, Neubauten zu vertretbaren Mietpreisen zu bauen. Ohne eine drastische Reduzierung der Baukosten, sei die Krise am Wohnungsmarkt nicht zu lösen.

    Wirtschaftsweise plädiert für höhere Steuern auf unbebaute Grundstücke

    „Es gibt nicht die eine Stellschraube, mit der es gelingt, Wohnungsbau schneller und kostenreduziert in hoher Zahl umzusetzen“, sagt Gedaschko. „Wir benötigen deshalb auf allen Ebenen Vorrang für bezahlbaren Wohnungsneubau“, betonte er. „Es muss günstiger werden, es muss schneller gehen und vor allem: Es muss vor Ort auch gewollt werden!“

    Denn auch günstiges Bauland sei ein zentraler Faktor, um aus der Krise zu kommen, betont Gedaschko. Das sieht auch die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer so. „Man kann Bauanreize schaffen, indem man höhere Steuern anlegt, wenn ein Grundstück nicht bebaut wird“, sagt die Münchner Ökonomin. Auch über bessere Vorkaufsrechte für Kommunen und Bebauungspflichten müsse nachgedacht werden. Vor allem müssten die Bauvorschriften reduziert und unter den Bundesländern vereinheitlicht werden.

    Gedaschko betont, dass vor allem die staatliche Förderung auf normale und kostengünstige Standards ausgerichtet werden müsse. „Aber nicht Dinge fördern und fordern, die das Wohnen dann doch wieder für viele Menschen unbezahlbar machen“, fordert er. „Wir brauchen so viel wie möglich bezahlbares Schwarzbrot, aber keinen teuren Zuckerguss.“

    Zinsförderprogramm für Mietwohnungsbau könnte sich selbst finanzieren

    Der frühere Hamburger CDU-Wirtschaftssenator lobt dabei ausdrücklich die Vorschläge des aktuellen rot-grünen Senats der Hansestadt, der mit über 200 Fachleuten Grundlagen für ein neues Niveau eines kostenreduzierten Wohnbaus erarbeitet hat. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Gebäudetyp „E“ für einfaches Bauen. „Der Gebäudetyp ,E’ muss als Symbol verstanden werden, dass es den erklärten Willen gibt, nicht immer alles noch teurer zu machen“, sagt Gedaschko. „Jetzt geht es darum, wieder Maß und Mitte zu finden.“

    Der Präsident des Bundesverbands der Wohnungswirtschaft  Axel Gedaschko fordert eine Wende in der Baupolitik.
    Der Präsident des Bundesverbands der Wohnungswirtschaft Axel Gedaschko fordert eine Wende in der Baupolitik. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert, dpa

    Angesichts der hohen Finanzierungskosten plädiert der Verbandschef zudem für ein zwei Milliarden Euro hohes Zinsförderprogramm, das im Gegenzug Bauherren zu Mieten von elf bis 13 Euro verpflichtet, statt der aktuell in Neubauten üblichen 15 bis 20 Euro. „Dann würden auch unsere sozial orientierten Unternehmen wieder massiv in den Wohnungsbau einsteigen können“, sagt Gedaschko. „Allein durch diese Zinssenkung könnten zusätzlich etwa 35.000 bis 40.000 Wohnungen pro Jahr entstehen. Und der Staat würde durch die entstehenden zusätzlichen Steuern und Abgaben sogar mehr einnehmen als er ausgibt.“

    Die Wohnbaugesellschaften und der Mieterbund fordern nun von Union und SPD einen Kraftakt gegen den sich verschärfenden Wohnungsmangel in weiten Teilen der Bundesrepublik. „Aktuell befinden wir uns in einer massiven und weiter eskalierenden Wohnungskrise“, sagte Gedaschko.

    „Der rasante Absturz der Baugenehmigungen pendelt sich auf viel zu niedrigem Niveau ein“, berichtete der Verbandschef der kommunalen, gemeinnützigen und privaten Wohnungsbaugesellschaften. „Massiver Nachfragezuwachs und extrem geringe Neubauzahlen sind eine toxische Mischung“, warnte Gedaschko. „Die Folgen für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland sind gravierend, Wohnraummangel wird aber auch zunehmend zur Wachstumsbremse für die Wirtschaft.“

    Mieterbund fordert Geld aus Sondervermögen für Sozialen Wohnungsbau

    Auch der Deutsche Mieterbund fordert von der kommenden Bundesregierung eine Wende am Wohnungsmarkt. „Die Lage ist katastrophal und geht am Bedarf der meisten Menschen vorbei“, sagte Präsident Lukas Siebenkotten unserer Redaktion. Die wichtigste Maßnahme müsse eine massive Ankurbelung des Sozialen Wohnungsbaus sein, forderte er. „Dazu müsste eine effektive neue Wohngemeinnützigkeit geschaffen werden, die auch mit Investitionskostenzuschüssen tatsächlich anreizt, im bezahlbaren Segment zu bauen“, forderte er.

    „Wir setzen darauf, dass aus dem Infrastruktur-Sondervermögen Gelder für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt werden“, sagte Siebenkotten. Denkbar sei auch durch das 500 Milliarden Euro große Finanzpakt frei werdende finanzielle Spielräume zu nutzen. „Bezahlbarer Wohnraum ist essentiell für einen funktionierenden Staat“, betonte er.

    Bayern besonders von Wohnungsmangel betroffen

    Laut einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie des Bundesinstituts für Bauforschung, fehlen in den kommenden Jahren über eineinhalb Millionen Wohnungen in Deutschland. Jährlich müssten mindestens 320.000 Neubauwohnungen entstehen. Der Trend geht jedoch in die genau entgegengesetzte Richtung. Seit dem Jahr 2020, als 305.000 neue Wohnungen fertiggestellt wurden, geht die Zahl der Neubauten entgegen vieler Ziele der Politik immer weiter zurück. Das Münchner Ifo-Institut erwartet einen weiteren Einbruch: Nach 205.000 Fertigstellungen in diesem Jahr auf nur noch 165.000 bis 2027.

    Am härtesten vom Wohnungsmangel betroffen ist der Studie des Bauforschungsinstituts wegen des Bevölkerungswachstums Bayern: Die vier Städte mit dem größten Baubedarf sind demnach Memmingen, Kempten, Regensburg und am meisten Landshut. Trotz des hohen Bedarfs an Neubauwohnungen ist die Stimmung in der Wohnungsbaubranche so schlecht wie noch nie: 57 Prozent der Bauunternehmen klagen über Auftragsmangel, jedes zehnte verzeichnet geplatzte Aufträge.

    „Ein nachhaltiger Aufschwung im Wohnungsbau kommt nicht von selbst – er braucht klare politische Weichenstellungen“, forderte Verbandspräsident Gedaschko von den Koalitionsverhandler in Berlin klare Beschlüsse in der Baupolitik. „Die nächste Bundesregierung, alle Landesregierungen und wirklich jede Kommune muss den bezahlbaren Wohnungsbau, eine Kostensenkung, endlich als oberste Priorität behandeln“, forderte er drastische Reduzierung der Baukosten . „Nur so kann sich etwas ändern. Es geht um nichts Geringeres als die soziale Stabilität unseres Landes.“

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