Der Sturm heult grässlich. Er wirbelt das Mädchen durch das Freilichttheater auf der Kemptener Burghalde und bringt auch die Zuschauer in Gefahr. "Alle runter!" schreit deshalb das Kind mit weit aufgerissenen Augen, und schon gehen die Besucher in Deckung. Dann schlägt das Mädchen einen Purzelbaum - und endlich ist Ruhe.
Ganz schön furios startet das neue Märchensommer-Stück "Der Zauberer von Oz". Regisseurin Silvia Armbruster verlangt von ihren sieben Schauspielerinnen und den zwei Dutzend Kindern, die als Statisten auf der Bühne herumwuseln, ein hohes Tempo. Zwei Stunden lang. Sie vertraut auf eine Strategie, die schon im vergangenen Jahr, bei "Alice im Wunderland", super funktionierte: Die Theaterbesucher auf der Burghalde sehen ein märchenhaft-lustiges Spektakel mit Witz, Klamauk und Slapstick, schmissiger Musik, Akrobatik und Tanz.

Die Schauspieler beziehen die Kinder (samt den Müttern, Vätern, Opas, Omas, Tanten und Onkels) ins Spiel ein. Sie müssen sich nicht nur ducken, wenn der Sturm aufzieht, der die kleine Dorothy von der heimatlichen Farm ins fremde Zauberland Oz weht. Sie sollen auch klatschen, singen, rufen. Und mittendrin dürfen sie der Vogelscheuche, die ja nur Stroh im Kopf hat, helfen, ein Rätsel zu lösen.
Das gefällt den Kleinen: Immer wieder kichern und lachen sie. Aber auch die Erwachsenen kommen auf ihre Kosten, zumal es einige Gags gibt, die nur sie verstehen können. Und nach den locker in die Handlung eingestreuten Liedern spenden alle begeistert Szenenapplaus.
120 Jahre alt ist der Stoff. Der amerikanische Autor Lyman Frank Baum veröffentlichte das Kinderbuch "Der Zauberer von Oz" im Jahr 1900. Sein "modernes Märchen" kam gut an, heute genießt es Klassiker-Status. Nicht nur die Bücher verkauften sich prima. Im Laufe des 20. Jahrhunderts entstanden Filme, Theaterstücke und Musicals.
Weitere Vorstellungen am 18., 19., 20. und 21. Juli, 8., 9., 10. und 11. August sowie 15., 16., 17. und 18. August. Beginn immer um 16 Uhr. Ausweichort bei Schlechtwetter: Stadttheater (Info-Telefon ab 13 Uhr: 0831/960 788 11). Tickets in den Service-Centern unserer Zeitung Telefon 0831/206 430, und online auf www.maerchensommer-allgaeu.de
In Amerika dürfte das Stück so bekannt sein wie bei uns "Hänsel und Gretel". Auch in Europa fand der Zauberer von Oz viele Freunde. Etwa den "Märchensommer Wien". Der brachte 2018 eine Version für Kinder ab vier Jahren samt Musik von Andreas Radovan (Burgtheater Wien) auf die Bühne. Von dort übernahm Silvia Armbruster das Grundgerüst und inszenierte es mit eigenen Schauspielerinnen sowie eigenem Bühnenbild und eigenen Kostümen auf der Open-Air-Bühne der Burghalde.
Kuriose Figuren
Die Zuschauer auf den Holzbänken amüsieren sich köstlich über die kuriosen Figuren, die so knallbunt geschminkt und gekleidet sind: an der netten wie schlauen Dorothy (Corinne Steudler), an der "depperten" Vogelscheuche (Patrizia Unger), an dem "Hosenscheißer" von Löwen (Nadine Schneider), am quietschenden Blechmann (Antonia Welke). Sie irren durchs Zauberland und müssen Aufgaben erledigen, um das zu erhalten, was ihnen fehlt. Dafür ist Initiative und Courage nötig, ganz nach dem Motto: Mit Mut, Herz und Verstand kannst du dich gegen Widerstände und böse Menschen durchzusetzen. Und glücklich werden. Aber es schwingt noch eine weitere Botschaft mit: Das funktioniert nur, wenn alle zusammenhalten und solidarisch sind. Man muss zwar an sich selbst glauben, aber auch an die Kraft des Kollektivs.
Das bringt das junge Schauspielerinnen-Team, zu dem noch Birgit Reutter, Stephanie Marin und Maria Grekova gehören, unterhaltsam-komödiantisch rüber, zwischendurch begleitet von den Munchkin-Kindern mit ihren giftgrünen Haaren. Birgit Reutter glänzt zudem mit einer Kasperltheater-Einlage.
Die 450 Premierengäste spendeten am Ende riesigen Applaus. Viele holten sich danach noch Autogramme von Dorothy und Co. Künstlerisch ist der Truppe um Silvia Armbruster wieder ein großartiger Wurf gelungen. Ob sich der Erfolg auch in den Zahlen niederschlägt, ist so kurz nach dem Start zwar noch offen.
Die Nachfrage für die insgesamt 16 Aufführungen ist allerdings stärker als bei der Märchensommer-Premiere im vergangenen Jahr, sagt Pressesprecherin Ulrike Rottenburger. Offensichtlich spricht sich herum, was für ein tolles Freiluft-Theater auf dem Burghügel inmitten der Stadt geboten ist.