Der Einsturz einer Autobahnbrücke in Unterfranken, der Dreifachmord vom Starnberger See oder die Aufarbeitung zweier Medizin-Skandale aus Schwaben: Die Gerichte in Bayern sind im neuen Jahr mit einer ganzen Reihe an bedeutenden Prozessen beschäftigt. Eine Übersicht.
- Medizin-Skandale: Zwei der größten Medizin-Skandale der vergangenen Jahre in Bayern sollen voraussichtlich 2023 am Augsburger Landgericht verhandelt werden. Nach Angaben des Gerichts könnte ab Mitte April ein Krankenhausarzt vor Gericht stehen, der 51 Patienten mit Hepatitis C angesteckt haben soll. Der Fall hatte Ende 2018 bei Tausenden Patienten der Klinik im nordschwäbischen Donauwörth für Verunsicherung gesorgt. Ab Mai könnte zudem der Prozess gegen einen impfkritischen Hausarzt beginnen, der mindestens 176 Patienten Corona-Scheinimpfungen gegeben haben soll. Beide Fälle hatten umfangreiche Ermittlungen bei Staatsanwaltschaften, Kriminalpolizei und dem Gesundheitsamt zur Folge. Insbesondere der Hepatitisskandal zog immer größere Kreise. Letztlich wurden mehr als 1700 Patienten des beschuldigten Mediziners aufgefordert, sich auf Hepatitis C testen zu lassen, weil nicht ausschlossen wurde, dass der Narkosearzt sie infiziert hat.
- Autobahnbrücke: Mehr als sechs Jahre nach dem tödlichen Einsturz eines Traggerüstes beim Bau einer Autobahnbrücke in Unterfranken müssen Verantwortliche erneut vor Gericht. Ein Prüfingenieur ist der fahrlässigen Tötung und 14-fachen fahrlässigen Körperverletzung angeklagt. Bei dem neuerlichen Prozessstart am 13. März am Landgericht Schweinfurt zur juristischen Aufarbeitung des Unglücks bei Werneck (Landkreis Schweinfurt) gibt es nun insgesamt vier Angeklagte. Am 15. Juni 2016 waren Teile der im Bau befindlichen Schraudenbach-Talbrücke der Autobahn 7 eingestürzt. Etliche Bauarbeiter wurden mehr als 20 Meter in die Tiefe gerissen. Ein 38 Jahre alter Vater zweier Kinder starb. 14 weitere Menschen wurden verletzt. 2019 wurde das Verfahren wegen Unstimmigkeiten mit Gutachten ausgesetzt. Zwei ebenfalls angeklagte Ingenieure und ein Statiker stritten die Vorwürfe bislang ab.
- Missbrauchsskandal: Welche Schuld tragen hochrangige Kirchenvertreter an der Vertuschung von Missbrauchsfällen? Mit diesem großen Thema befasst sich das Landgericht Traunstein. Ein Mann, der angibt, von einem damals schon einschlägig vorbestraften Priester in Garching an der Alz missbraucht worden zu sein, hat diesen Priester verklagt, das zuständige Erzbistum München und Freising - und . Denn Kardinal Joseph Ratzinger war Erzbischof, als der Mann aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt wurde.
Auch nach Benedikts Tod läuft das Verfahren gegen ihn weiter - zumindest vorerst, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Allerdings können seine Anwälte eine Unterbrechung beantragen, bis klar ist, wer die Erben Ratzingers sind. Die Klage würde sich dann künftig gegen sie richten.
Das Gericht hatte vor dem Tod Ratzingers den 28. März als Termin für eine mündliche Verhandlung vorgeschlagen. Dieser war allerdings noch nicht festgelegt - und könnte sich nach dem Tod des emeritierten Papstes nun ohnehin verschieben. - Mordprozess gegen Pfleger: Der Fall erinnert an den als "Todespfleger" bekannt gewordenen Patientenmörder Niels Högel: Ein Krankenpfleger aus der Münchner Klinik rechts der Isar muss sich vom 24. Januar an vor dem Landgericht München I wegen zweifachen Mordes und sechs Mordversuchen verantworten. Die beiden Todesopfer waren laut Staatsanwaltschaft 80 und 89 Jahre alt. In ihrer Anklage geht die Staatsanwaltschaft von zwei Mordmerkmalen aus: Heimtücke und niedrige Beweggründe. Er soll die Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer ausgenutzt und sie sediert haben, um sich selbst die Arbeit zu erleichtern. Der Fall hatte im November 2020 erstmals Schlagzeilen gemacht. Damals teilten die Behörden mit, dass sie in drei Fällen wegen des Verdachts auf versuchten Mord ermitteln. Seither waren die Ermittlungen deutlich ausgeweitet worden. Ein aufmerksamer Oberarzt war stutzig geworden, die Klinik zeigte den Pfleger an. Ein Urteil in dem Verfahren könnte Mitte Mai gefällt werden.
- Wirecard : Die Aufarbeitung des mutmaßlich größten Betrugsfalls in Deutschland seit 1945 wird auch im neuen Jahr in München fortgesetzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem früheren Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und seinen beiden Mitangeklagten vor, eine kriminelle Bande gebildet, die Konzernbilanzen gefälscht und Kreditgeber um 3,1 Milliarden Euro geprellt zu haben. Kurz vor dem Jahreswechsel hat der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft Ex-Vorstandschef Braun als maßgebliche Figur bei einem jahrelangen Milliardenbetrug beschuldigt. Als "Krebsgeschwür" bezeichnete der bis zum Zusammenbruch des Konzerns 2020 für Wirecard in Dubai tätige Manager Oliver Bellenhaus das Unternehmen. Für den Wirecard-Prozess vor dem Landgericht München sind rund 100 Verhandlungstage bis ins Jahr 2024 angesetzt.
- Mutmaßlicher Dreifachmord von Starnberg: Vor dem Landgericht München II wird der Prozess gegen zwei junge Männer um den mutmaßlichen Dreifachmord in Starnberg fortgesetzt. Einer von ihnen hat gestanden, seinen Kumpel und dessen Eltern im Januar 2020 in deren Haus in Starnberg erschossen zu haben. Der zweite Angeklagte soll ihn zum Tatort gefahren und von dort wieder abgeholt haben. Da das Landgericht im vergangenen Jahr weitere Verhandlungstermine ankündigte, könnte sich der Prozess bis in den Februar ziehen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagten die illegalen Waffen ihres Kumpanen verkaufen wollten. Der Hauptangeklagte gab in seinem Geständnis dagegen an, er habe seinen Freund erschossen, um einen von ihm geplanten Amoklauf zu verhindern. Die Ermittler waren zunächst von einem ganz anderen Szenario ausgegangen - nämlich davon, dass der Sohn erst seine Eltern und dann sich selbst erschoss. Ein Urteil könnte am 10. Februar fallen.
- Ex-Audi-Chef Rupert Stadler: Auch im neuen Jahr vor Gericht verantworten muss sich der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler. Das Landgericht München hat 31 weitere Verhandlungstage bis zum 28. Juni 2023 angesetzt. Grund ist nach Gerichtsangaben ein noch ausstehendes Gutachten zu den ab 2011 in der EU verkauften Autos. Es soll voraussichtlich bis Mitte Februar 2023 vorliegen. Die Anklage in dem Prozess lautet auf Betrug. Stadlers Mitangeklagte sollen Dieselmotoren für Autos von Audi, VW und Porsche ab 2008 so manipuliert haben, dass sie Abgastests bestanden, aber auf der Straße mehr Stickoxid ausstießen. Stadler soll erst nach Aufdeckung des Skandals in den USA 2015 davon erfahren haben, aber die Produktion und den Verkauf manipulierter Autos in Europa erst 2018 gestoppt haben. Er wies die Vorwürfe zurück.
- Mutmaßlicher Doppelmord von Mistelbach: Die 17-jährige Tochter und ihr 19 Jahre alter Freund sollen für den Tod eines Ärzte-Ehepaares aus Mistelbach im Landkreis Bayreuth verantwortlich sein. Sie sollen Anfang Januar 2022 den Plan zu einem Mord gefasst haben. Zugestochen haben soll der heute 19-Jährige. Als Motiv nannte die Staatsanwaltschaft Hass und Streit in der Familie. Verhandelt wird am Landgericht Bayreuth unter Ausschluss der Öffentlichkeit, erst zum Urteil sind Zuhörer und Journalisten wieder zugelassen. Ein Urteil wird laut Gericht nicht vor dem 19. Januar erwartet.
- "Badewannen-Mörder": Nach 4912 Tagen Haft kam der als "Badewannen-Mörder" verurteilte Manfred G. im August 2022 auf freien Fuß. In diesem Jahr kommt nun die angeordnete Wiederaufnahme des Verfahrens vor Gericht. Ein Termin steht dafür noch nicht fest. Der Grund für die Freilassung: Erhebliche Zweifel daran, dass er den Mord, für den er vor mehr als 13 Jahren verurteilt wurde, tatsächlich begangen hat. Das Landgericht München II hatte den Mann 2010 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er nach Ansicht der damals zuständigen Kammer im Oktober 2008 eine 87 Jahre alte Bewohnerin des Hauses, in dem er als Hausmeister arbeitete, in der Badewanne ertränkt hatte. Gutachten legen allerdings nahe, dass es sich womöglich eher um einen Unfall der alten Frau gehandelt haben könnte. Nachdem sein damaliger Verteidiger Revision eingelegt hatte, kam es aber auch in einem zweiten Prozess zum Schuldspruch. Seit 2012 war das Urteil rechtskräftig.