Es ist eine Reihe an Verfehlungen, die einem Lehrer des katholischen Schulwerks Augsburg zur Last gelegt wird: Von unangemessenen Kontakten in sozialen Medien ist die Rede, von Bevorzugungen – und Sex mit einer damals 17-jährigen Schülerin. All das hat sich vor fünf Jahren an einer staatlichen Schule zugetragen. Trotzdem entschied sich das Schulwerk dazu, den Mathelehrer anzustellen und unterrichten zu lassen. Wochenlang schwelte die Kritik an dieser Entscheidung; gleichzeitig stellten sich Eltern der neuen Schule hinter den Lehrer. Jetzt steht fest: Der Mann wird ab kommendem Frühjahr aus dem Unterricht abgezogen und soll wohl nicht wieder unterrichten.
Die junge Frau wechselte damals an eine neue Schule. Sie kämpfte mit schlechten Noten. Ihr Mathelehrer, damals 47, suchte den Kontakt zunächst auf sozialen Netzwerken, flüsterte ihr später bei einem Test Lösungen zu. Dann trafen sich die beiden privat, er nahm sie im Auto zu einer Sternwarte mit. Sie habe ihm erst klargemacht, dass Sex nicht infrage komme. Als er den Kontakt abbrechen wollte, hätte sie dann aber doch Geschlechtsverkehr vorgeschlagen. Eine Entscheidung, die für die Schülerin schwerwiegende Folgen hatte: Ein Psychotherapeut diagnostizierte Depressionen und eine posttraumatische Belastungsstörung.
Sollte so ein Lehrer wieder unterrichten dürfen?
Ein Verfahren der Staatsanwaltschaft gegen den Lehrer wurde eingestellt mit der Begründung, der Mann habe das Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Schülerin nicht ausgenutzt. Ein Disziplinarverfahren verlief im Sande, nachdem der Lehrer seinen Beamtenstatus freiwillig abgegeben hat. Das Kultusministerium sprach zunächst ein "Verbot der Führung der Dienstgeschäfte" aus. Dann wechselte der Lehrer von der staatlichen Schule ans private Schulwerk der Diözese Augsburg. Seit dem Frühjahr unterrichtet er nun am St.-Bonaventura-Gymnasium in Dillingen.
Die Anstellung des Lehrers stieß zunächst auf deutliche Kritik. Einige Eltern machten sich Sorgen. Der Direktor des Schulwerks, Peter Kosak, rechtfertigte die Entscheidung mit christlichen Werten: Der verheiratete Lehrer habe Reue gezeigt und Buße getan. Er habe eine zweite Chance verdient. Zudem gibt es Sicherheitsmaßnahmen: Er ist in psychotherapeutischer Behandlung, darf keine Oberstufe mehr unterrichten und ist befristet angestellt. Bei Opfervertretern und Personen aus dem Umfeld der ehemaligen Schule stößt das Vorgehen auf Unverständnis. Sozialpädagoge Johannes Heibel, Gründer der Initiative gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen, formuliert es am deutlichsten: "Wer so etwas macht, sollte in keiner Weise mit Kindern und Jugendlichen mehr arbeiten dürfen."
Der Lehrer am Dillinger Bona soll nicht mehr mit Schülerinnen in Kontakt kommen
Heibel sieht sich in der Sache als Vertreter des Opfers – und kämpft entsprechend mit harten Bandagen. Er schrieb Briefe ans Kultusministerium, den Augsburger Bischof, die Bischofskonferenz und trat in verschiedenen Medien auf. Das Schulamt reagierte, informierte bei einem Elternabend die Eltern, deren Kinder im Moment von dem Lehrer unterrichtet werden. Anwesend war damals auch der Lehrer, der die Vorfälle offen dargelegt haben soll – mit entsprechender Wirkung: In einer Abstimmung sprachen 97 Prozent der fast 100 Eltern dem Schulwerk ihr Vertrauen aus.
Der Druck von außen auf Schule und Schulwerk wurde jedoch nicht weniger. Vergangene Woche hat man nun die Reißleine gezogen. In Abstimmung mit dem Lehrer entschied sich das Schulwerk dazu, den Mann aus dem Unterricht abzuziehen. Das bestätigt Direktor Kosak auf Nachfrage. Er wechselt in die Verwaltung, wird dort im Rahmen von IT-Fortbildungen und Konzepterarbeitungen zwar weiter pädagogisch tätig, aber nicht in Kontakt mit Schülerinnen und Schülern sein. "Das ist eine gute Lösung im Sinne aller", sagt Kosak.
Opfervertreter Heibel spannt den Bogen zu Missbrauchsfällen von Priestern
Eine 180-Grad-Wende sieht der Schulwerksdirektor in dem Vorgehen nicht. Der Jahresvertrag des Lehrers werde erfüllt, erst im Frühjahr soll er die neue Stelle antreten. "Unser Ziel ist, die Situation für alle Beteiligten zu beruhigen." Er betont, dass es sich dabei um keine Strafaktion gegen den Lehrer handle. Kosak stehe hinter der Entscheidung von damals. Opfervertreter Heibel wiederum sieht darin einen "Schachzug, um Zeit zu gewinnen". Er befürchte, dass der Mann in einigen Monaten wieder an einer Schule unterrichten könnte. Ein ähnliches Vorgehen habe es bei Priester-Tätern gegeben. "Das zeigt, dass die katholische Kirche die Tragweite und die Folgen für Betroffene solcher massiven Übergriffe noch immer nicht begriffen hat."
Kosak lehnt diese Art der Verurteilung ab. Ziel der jetzigen Maßnahme sei es nicht, den Lehrer in absehbarer Zeit wieder im Unterricht einzusetzen. Womöglich sogar nie wieder.