Herr Söder, schön, dass es Ihnen wieder besser geht. Woran haben Sie sich in Indien den Magen verdorben – es wird doch nicht das vegetarische Essen gewesen sein?
MARKUS SÖDER: Am indischen Essen lag es nicht. Nach Einschätzung von Experten habe ich mir wahrscheinlich nur eine Infektion zugezogen, als ich mit Wasser in den Slums in Kontakt geraten bin. Der Verlauf war kurz und heftig, aber Gott sei Dank ist es wieder vorbei. Jetzt freue ich mich schon auf meine nächste Schweinshaxe (lacht).
Wenn Sie an Ihre verkürzte Indienreise denken, was hat Sie am meisten beeindruckt?
SÖDER: Das gesamte Potenzial ist für uns in Bayern spannend. Wir müssen sowieso noch stärker auf den Auslandsmärkten präsent sein. Es ist eine zentrale Aufgabe, Investoren von Bayern zu überzeugen und gleichzeitig für unsere Firmen auf neuen Märkten zu werben. Deswegen werden wir unseren Auslandsrepräsentanzen ein Update geben. Dabei müssen Wirtschaft und Wissenschaft enger kooperieren. Unsere Forschung ist unser großer Vorteil. Meine frühe Entscheidung für die Hightech Agenda ist heute Gold wert. Außerdem ist mir wieder einmal aufgefallen, welch legendären Ruf Bayern im Ausland hat. Wir stehen dort für den positiven Teil von Deutschland.
Deutschland hat nun bald eine neue Regierung. Was muss in den ersten 100 Tagen der neuen Koalition in Berlin geschehen?
SÖDER: Wir müssen unser Land wirtschaftlich wieder fit machen und unser zentrales Versprechen erfüllen, die illegale Migration zu begrenzen. Das heißt, dass es mehr Grenzkontrollen gibt und Zurückweisungen an den Grenzen, dass der Familiennachzug ausgesetzt wird und dass es keine Flüge mehr aus Afghanistan gibt. Die können sofort gestoppt werden. Zudem: Die Energiepreise müssen schnellstmöglich runter. Ziel ist, die Energiekosten durch die Reduzierung der Stromsteuer, die Reduzierung der Netzentgelte, die Abschaffung der Gasumlage und die Einführung eines Industriestrompreises zu halbieren. Das hat Priorität. Am einfachsten und günstigsten aber geht der Abbau der Bürokratie. Das Lieferketten-Gesetz kann als erstes fallen. Auch Bürgergeld und Heizgesetz sind schnell abgeschafft.
Der Koalitionsvertrag war kaum vorgestellt, da ging der Streit schon los. Die einen stellen die Steuersenkungen in Frage, die anderen den neuen Mindestlohn. Helfen Sie uns: Was gilt denn nun?
SÖDER: Es gilt, was im Koalitionsvertrag steht. Und da steht eindeutig, dass beim Mindestlohn der bisher beschrittene Weg fortgesetzt wird. Die Höhe wird von einer unabhängigen Kommission festgesetzt, aber die 15 Euro scheinen erreichbar. Als Ausgleich haben wir auf meine Intervention hin vereinbart, dass für Saisonarbeitskräfte in Branchen wie dem Tourismus oder der Landwirtschaft 90 statt wie bisher 70 Tage von der Sozialversicherungspflicht befreit werden. Zudem wird die Arbeitszeit maximal flexibilisiert. Das hilft vielen Betrieben.
Und bei den Steuern – was gilt da nun?
SÖDER: Steuern runter und nicht rauf – das ist die Devise! Und wir starten für Unternehmen mit Sonderabschreibungen von jeweils 30 Prozent für drei Jahre, und danach wird die Unternehmenssteuer von 15 auf 10 Prozent gesenkt. Außerdem wollen wir die mittleren und unteren Einkommen entlasten - vor allen Dingen aber auch die mittelständischen Betriebe, die nicht von der Körperschaftsteuer betroffen sind. Das geht aber nicht sofort. Dazu brauchen wir wieder wirtschaftliches Wachstum, damit wir das Geld für Entlastungen haben. Klar ist auch: Alle Pläne von Steuererhöhungen sind vom Tisch. Und ganz wichtig: Es muss auch kräftig eingespart werden, etwa beim Bürgergeld oder dem Heizgesetz. Unser Modell heißt nicht nur investieren, sondern auch konsolidieren und reformieren.
Wer wird denn das Gesicht dieser von Ihnen proklamierten Wirtschaftswende? CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der als neuer Wirtschaftsminister gehandelt wurde, hat schon mal abgesagt. Ist das nicht schon ein Misstrauensvotum?
SÖDER: Im Gegenteil: Es ist eine kluge Entscheidung. Gerade, wenn man aus der Opposition in die Regierung kommt, ist es schwieriger, eine Partei zu führen, weil man in einer Koalition nicht alles zu 100 Prozent umsetzen kann. Es ist gut, dass sich da ein erfahrener Mann um die CDU kümmert. Ich schätze Carsten Linnemann. Er ist ein Konservativer und könnte auch in der CSU sein.
Mit Verlaub: Im Wahlkampf hat die Union immer auf Habeck als schlechtesten Wirtschaftsminister aller Zeiten geschimpft – und jetzt hat sie selber nicht mal einen . . .
SÖDER: Ich bin mir sicher, dass Friedrich Merz eine sehr überzeugende Lösung präsentieren wird. PS: Er ist ja über Ostern am Tegernsee und in Bayern hat man immer gute Ideen (lächelt).
Wer wird denn für die CSU am Kabinettstisch regieren – und leiden – müssen – Alexander Dobrindt als Innenminister?
SÖDER: Alle Personalentscheidungen werden rechtzeitig benannt. Ich verspreche Ihnen: Die CSU wird ein starkes Team präsentieren. Unabhängig davon ist klar, dass ich Alexander Dobrindt wirklich sehr schätze.
Diese Berliner Postenbesetzungen könnten es auch notwendig machen, dass man in München etwas ändert. Steht nach Ostern eine Kabinettsumbildung an?
SÖDER: Am Ende wird das alles im Zusammenhang entschieden. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass es vernünftig ist, wenn ein eingearbeitetes Team zusammenbleibt.
Von ihren Ministern in Bayern erwarten Sie, dass sie die Chancen nutzen, welche die neue Berliner Koalition bietet. Welche Ministerien sind besonders gefordert?
SÖDER: Bislang wurde Bayern von der Ampel benachteiligt und andere Länder bevorzugt. Jetzt beginnt ein neues Kapitel - und da muss jeder bayerische Minister seine Hausaufgaben machen. Für die Kollegen von den Freien Wählern ist das natürlich schwieriger, weil sie in Berlin keine Verankerung haben. Die CSU-Minister waren bei den Koalitionsverhandlungen dabei und sind besser vernetzt. Es ist jetzt harte Sacharbeit und massiver Einsatz für Bayern gefragt. Das gilt im Land, in Berlin, aber auch für mehr Engagement der Kollegen in Brüssel. Dazu wird auch in der Staatskanzlei und in den Vertretungen in Berlin und Brüssel personell und inhaltlich aufgerüstet.
Sie haben vorhin die Körperschaftssteuer erwähnt, die schrittweise sinken soll. Das fängt erst in der Mitte dieser Legislatur an, eine neue Regierung könnte das wieder stoppen.
SÖDER: Erstens: Die Regierung ab 2029 wird hoffentlich weiter von der Union geführt. Zweitens: Die Steuersenkung ist doch für alle von Vorteil. Damit starten wir eine wirtschaftliche Aufholjagd. Wir haben jetzt mit dem Koalitionsvertrag das größte Reformpaket seit der Agenda 2010 vorgelegt. Wir erfüllen die großen Versprechen: Begrenzung der Migration, Ankurbeln der Wirtschaft und Stärkung der Bundeswehr. Das ist weder Ampel noch alte GroKo – das ist ein Richtungswechsel.
Man hat immer wieder gelesen, Friedrich Merz sei bei diesen Verhandlungen so zurückhaltend in sich gekehrt gewesen. Hatten Sie auch diesen Eindruck?
SÖDER: Andere haben es wieder ganz anders berichtet und sogar von Impulsivität gesprochen. Alles Unsinn. Tatsache ist: Sein Temperament und seine Taktik waren genau richtig. Verhandeln ist eine Kunst. Das muss man können. Man muss vorausdenken können, wie beim Schach. Man muss wie beim Judo den Schwung des Gegners mitnehmen können. Und ganz wichtig ist, das richtige Timing zu finden. Ich habe da von Angela Merkel viel gelernt. Die konnte auf den richtigen Zeitpunkt warten. Was um 18 Uhr abends noch nicht einmal verhandlungsfähig ist, ist dann um elf Uhr nachts entscheidungsreif. CDU und CSU waren ein gutes Verhandlungsteam. Und man darf niemanden demütigen: Es muss am Ende ein fairer Kompromiss sein, bei dem sich alle wiederfinden. Das ist uns gelungen. Wir haben Punkte gemacht, aber die SPD eben auch.
Nun saß ein Mann mit am Verhandlungstisch, der in Berlin nicht regieren wird: Donald Trump. Inwieweit haben denn die weltpolitischen Ereignisse, die Zölle, die Verwerfungen an den Börsen Druck ausgeübt, dass man zusammenkommt?
SÖDER: Die gesamte Koalitionsverhandlung stand immer unter dem Eindruck des Weltgeschehens. Wir haben eine Bedrohung im Osten, die ist real. Und uns fehlt verteidigungspolitische Rückendeckung im Westen. Dann kamen noch die Zölle hinzu. Unsere geplante Senkung der Körperschaftsteuer und der Energiekosten zeigt: Wir machen unsere eigene Wirtschaft stärker und widerstandsfähiger. Die neue Bundesregierung ist die Antwort auf die Instabilität des Westens und die Bedrohung aus dem Osten.
Neue Töne gibt es vom künftigen Kanzler in Sachen Taurus: Merz könnte sich eine Lieferung an die Ukraine vorstellen, Verteidigungsminister Boris Pistorius ist eher skeptisch. Wer setzt sich durch?
SÖDER: Das wird der neue Kanzler entscheiden. Zunächst einmal brauchen wir aber so viel Taurus wie möglich für uns selbst. Es ist die beste Waffe, die wir haben. Man merkt, dass auch die Russen davor Respekt haben. Neben diesem Marschflugkörper brauchen wir eine echte Drohnenarmee und einen eigenen Raketenschutzschirm. Man sieht an Israel, wie wichtig solche Raketenschutzschirme sind.

Sie haben aus dem CSU-Programm viel durchgesetzt – von der Mütterrente über die vollständige Rückvergütung beim Agrardiesel und die Senkung der Mehrwertsteuer bei der Gastronomie bis zur Pendlerpauschale. Manche Medien rufen Sie sogar schon zum „heimlichen Sieger“ des Koalitionsvertrages aus. Aber: Sind die CSU-Themen wirklich die Themen, auf die es in diesen Zeiten wirklich ankommt?
SÖDER: Mehr als drei Viertel unseres Bayernplans aus dem Wahlkampf haben wir umgesetzt. Für uns waren die Erleichterungen bei der Gastronomie sehr wichtig. Tourismus ist nach der Autoindustrie Bayerns zweitwichtigster Wirtschaftsfaktor. Wir führen wieder eine Förderung für E-Autos ein und sind offen für eine Zukunft des Verbrenners. Mein Herzensanliegen aber war die Mütterrente. Das ist einfach eine Frage der Gerechtigkeit. Es ist doch unmöglich, dass ein Bürgergeld-Empfänger die Wohnung bezahlt bekommt, während ältere Frauen weniger als 1000 Euro Rente haben, nur weil sie sich ihr Leben lang um ihre Kinder gekümmert haben. Die Mütterrente kommt. Davon profitieren Millionen Frauen in Deutschland.
Hätte man auf der anderen Seite nicht stärker klarmachen müssen, dass auch Herausforderungen auf die Menschen zukommen? Die Babyboomer gehen in Rente und bei der Zukunft der sozialen Sicherungssysteme ist nichts gelöst.
SÖDER: Die demografische Herausforderung ist die größte Herausforderung für unsere Gesellschaft. Die Deutschen werden älter und der medizinische Fortschritt wächst. Das ist schön, aber bedeutet, dass Gesundheit, Pflege und Rente teurer werden. Das ist einfach so, da darf man sich nicht täuschen. Also müssen wir den Prozess gut organisieren. Unsere Aktivrente, die Menschen hilft, die noch länger arbeiten können, sowie die Frühstartrente für die junge Generation helfen dabei.
Nach der Pressekonferenz, in der der Koalitionsvertrag verkündet worden ist, wurde bemängelt, Sie hätten es bei ihrem Auftritt an Ernsthaftigkeit fehlen lassen. Nehmen Sie da bewusst einen Gegenpart auch zu Friedrich Merz ein, der eher spröde ist in seinen Veranstaltungen?
SÖDER: Zu Bayern gehört Optimismus. Depression passt nicht zum Bavarian Way of Life. Wir müssen den Menschen wieder Hoffnung geben. Wenn wir nach so einem Koalitionsvertrag keine Hoffnung haben, dann weiß ich auch nicht. Ich glaube fest ans Gelingen.
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