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Unter anderem Zahngold verkauft: Kemptener Krematorium-Betreiber gesteht illegale Geschäfte

Urteil: Bewährungsstrafe

Unter anderem Zahngold verkauft: Kemptener Krematorium-Betreiber gesteht illegale Geschäfte

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    Das Geschäft mit den Überresten von Feuerbestattungen hatte jetzt in Kempten ein juristisches Nachspiel.
    Das Geschäft mit den Überresten von Feuerbestattungen hatte jetzt in Kempten ein juristisches Nachspiel. Foto: Roland Weihrauch/dpa (Symbolfoto)

    Im Zuge der Ermittlungen fanden Steuerfahnder im Haus des verschuldeten Betriebsleiters nicht nur 40.000 Euro Bargeld, sondern auch einen Sack mit 2,3 Kilogramm Zahngold. Der Krematoriumsbesitzer wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt, sein Betriebsleiter wegen Beihilfe zu neun Monaten.

    Eigentlich ging es bei dem Prozess um Steuerhinterziehung. Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten vor, 340.000 Euro hinterzogen zu haben. Bei der Beweisaufnahme ging es aber nicht nur um die dubiosen Geschäftspraktiken, sondern auch um den Umgang mit den Toten im Krematorium.

    Staatsanwältin spricht von "Störung der Totenruhe"

    Verstorbene werden in eigens für Einäscherungen vorgesehenen Särgen bei 800 Grad verbrannt. Anschließend kämen alle Überreste auf einen „Sortiertisch“, sagte ein Steuerfahnder bei seiner Vernehmung aus. Große Teile wie künstliche Gelenke werden von Hand aussortiert. Um Gold und Edelmetalle verkaufen zu können, wurden danach allerdings lange Zeit mithilfe von Magneten Metallteile abgesondert, schließlich Goldreste über ein Sieb gesammelt. Die Staatsanwältin sprach von einer bewussten „Manipulation“ und einer „Störung der Totenruhe“.

    Als das Finanzamt durch insgesamt vier anonyme Anzeigen auf illegale Praktiken aufmerksam gemacht wurde, konfrontierte es den Krematoriumsbetreiber damit. Dieser, sagte der Steuerfahnder aus, gab sich „erstaunt“ und bestritt das Sammeln von werthaltigen Gegenständen mit dem Ziel, sie zu verkaufen – auch dann noch, als ihm vorgehalten wurde, dass der Bundesgerichtshof 2015 bestimmt hatte, dass nach Einäscherungen alles in der Urne beerdigt werden muss.

    Die Steuerfahnder ließen nicht locker. Unter anderem deshalb, weil auch andere deutsche Finanzämter illegale Zahngoldverkäufe nachgewiesen hatten. Die Ermittler vernahmen die Mitarbeiter des Kemptener Krematoriums. Bei einer Aussage wurden sie hellhörig: Der Geschäftsführer habe nach Übernahme des Krematoriums angeordnet, werthaltige Überreste zu sammeln, wurde ihnen gesagt.

    Das Finanzamt prüfte zunächst weit zurückliegende Vorgänge, stieß aber auch auf spätere Unkorrektheiten. Während des Prozesses kamen auch die Geschäftspraktiken der holländischen Recyclingfirma zur Sprache, die sich auf die Verwertung des Zahngoldes von Toten spezialisiert hat. Der Verteidiger des Krematoriumsbetreibers sprach von dubiosen Abrechnungsmethoden.

    Reduziertes Strafmaß bei Geständnis

    Der Prozess war zunächst über mehrere Verhandlungstage angesetzt. Kurz nach Beginn zogen sich Richter, Verteidiger und Staatsanwältin allerdings zu einem „Rechtsgespräch“ zurück. Danach sagte der Richter den Angeklagten für den Fall von Geständnissen ein reduziertes Strafmaß zu, das den Geschäftsführer „nicht direkt ins Gefängnis“ bringen würde. Beide Angeklagten räumten daraufhin „vollumfänglich“ die Vorwürfe ein.

    Sie hatten die gesammelten Edelmetalle in Containern selbst nach Holland gebracht. Innerhalb von vier Jahren zahlte die Recyclingfirma knapp 1,9 Millionen Euro aus. 1,2 Millionen Euro versteuerte der Krematoriumsbetreiber, 569.000 Euro nicht. Er machte sich mit diesem Geld laut Staatsanwältin, „ein schönes Leben“.

    Die Steuerschulden hat er bereits zurückgezahlt. Inzwischen kommt Zahngold in die Urne, das Material von künstlichen Gelenken wird gelagert, aber nicht mehr verkauft.

    "Verwerfliche Dreistigkeit"

    Der Richter sprach nach der Urteilsverkündung von einer „verwerflichen Dreistigkeit“ des Krematoriumsbetreibers. Er mache mit seinem Unternehmen gute Gewinne, habe aber trotzdem auf Kosten der Gesellschaft „noch mehr Reichtum angehäuft“. Bei seiner GmbH und ihm persönlich werden jetzt knapp eine Million Euro aus den Geschäftsgewinnen abgeschöpft. Beim Betriebsleiter werden die gefundenen 40.000 Euro eingezogen.

    Der Krematoriums-Betreiber hatte bereits vor dem Prozess angekündigt, dass er das Unternehmen weiter betreiben will. Er hat in Kempten sogar ein zweites Krematorium gebaut, dieses aber noch nicht in Betrieb genommen. Die Stadt Kempen teilte mit, dass für das Betreiben eines Krematoriums keine anderen Kriterien erfüllt werden müssten als für andere Firmen. Ein einwandfreier Leumund sei trotz des sensiblen Geschäftsinhalts nicht notwendig.

    Die Stadt prüfe jedoch in regelmäßigen Abständen, ob ein Gewerbetreibender unzuverlässig sei und ob ihm dann „zum Schutz der Allgemeinheit“ die Ausübung seines Geschäfts untersagt werden müsse.

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