Der Augsburger Stadtjugendring (SJR) kommt nicht zur Ruhe. Nach der Debatte um die Zukunft des Jugendfestivals Modular wird jetzt ein Thema öffentlich, das die Spitze der Organisation schon seit Sommer beschäftigt: Im Rahmen des diesjährigen Festivals soll es zu "unangemessenem Verhalten und Grenzverletzungen durch Personen des Stadtjugendrings" gekommen sein. Nach Informationen unserer Redaktion geht es unter anderem um Bemerkungen über die Statur von Mitarbeiterinnen, um Berührungen oder zweideutige Angebote an Frauen aus dem Team der freiwilligen Helferinnen und Helfer. Um die Vorfälle zu klären, hat der Stadtjugendring eine externe Mediatorin beauftragt. "Wir nehmen das Thema Prävention und Aufklärung sexualisierter Gewalt sehr ernst", sagt SJR-Sprecherin Alessa Plass.
Erste Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Organisation gab es bald nach dem Festival im Mai. Ende August wandte sich die Spitze des Verbands dann in einer Rundmail zunächst an die Mitarbeiter des SJR, später auch an die Volunteers, also die freiwilligen Helfer der Festivals 2022 und 2023. Man wolle "über einen Sachverhalt informieren, der uns als Vorsitzende des Stadtjugendrings seit einiger Zeit stark beschäftigt", heißt es in der Mail, die von Festivalleiter Patrick Jung, SJR-Vorsitzendem Daniel Schweiger sowie dessen Stellvertreterin Marlene Mechold unterschrieben ist. Der Sachverhalt selbst ist vage formuliert: "Es wurden Vorwürfe erhoben, dass es im Rahmen des Modular-Festivals zu unangemessenem Verhalten und Grenzverletzungen durch Personen des Stadtjugendrings gekommen sein soll", steht in dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt. Man sei bestrebt, "transparent und verantwortungsvoll zu handeln und zu kommunizieren", auch wenn derzeit "nur wenige belastbare Sachinformationen zur Verfügung" stünden. Zum Schluss wird eine Liste von Anlaufstellen genannt, an die sich Betroffene wenden können.
Übergriffe bei Modular? Stadt und Sozialministerium sind informiert
Die Vorwürfe haben inzwischen weite Kreise gezogen: Sowohl die Stadt Augsburg, die das Jugendfestival mit 170.000 Euro jährlich unterstützt, als auch der Bayerische Jugendring und das bayerische Sozialministerium sind informiert. Vorletzte Woche fragte eine Stadträtin im nicht öffentlichen Teil des Kulturausschusses nach – eine Antwort gab es nicht. Der Stadtjugendring ist auf AZ-Nachfrage bemüht, Licht in den Sachverhalt zu bringen. Eine Person habe "eine Bemerkung über ihre Gewichtsabnahme als übergriffig empfunden", eine andere empfand eine "nicht einvernehmliche Berührung an der Schulter als Grenzverletzung". Die Namen der Betroffenen sind dem Stadtjugendring laut Sprecherin Alessa Plass nicht bekannt. Die Vorwürfe seien ausschließlich über Vertrauenspersonen an die Verbandsleitung herangetragen worden. Juristisch relevant sei bislang keiner der Vorwürfe, keines der Opfer habe sich bislang persönlich gemeldet, auch Anzeige wurde bislang nicht erstattet.
Vieles ist laut Plass deshalb trotz intensiver Nachfrage des SJR nebulös geblieben. "Auch weil sich die Vertrauenspersonen wiederholt auf dem Standpunkt zurückzogen, nicht alles offenlegen zu wollen." Vor diesem Hintergrund wolle und könne man keine Angaben zur Identität einzelner Personen machen. Gerüchte, verantwortliche Personen des Stadtjugendrings seien dieses Jahr von Modular ausgeschlossen worden, bestätigt Plass nicht: "Es hat kein Platzverbot für irgendwelche SJR-Mitarbeitende gegeben."

Der Stadtjugendring hat sich als Veranstalter des Modular-Festivals mit zuletzt 33.000 Besuchern an drei Tagen die Sicherheit der Besucherinnen und Besucher auf die Fahnen geschrieben: "Das Modular ist ein Festival für alle. Hier gibt es keinen Platz für Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit oder anderes diskriminierendes Verhalten", heißt es auf der Homepage. Um für diese Ziele zu garantieren, hatte der Stadtjugendring ein "Awareness-Team" eingesetzt, das sich aus geschulten pädagogischen Mitarbeitern zusammensetzt. Auch Rückzugsorte, sogenannte "Safer Spaces", waren eingerichtet worden.
Modular-Festivalleiter Patrick Jung hat beim Stadtjugendring gekündigt
Festivalleiter Patrick Jung hatte zwischenzeitlich beim Stadtjugendring gekündigt, obwohl man ihn wohl gerne als Macher von Modular behalten würde. Ob Jungs Rückzug mit der neuen inhaltlichen und organisatorischen Ausrichtung des Festes zu tun hat, wie offiziell verlautet wurde, oder ob im Hintergrund auch die Vorwürfe eine Rolle spielen, ist nicht bekannt. Jung steht für öffentliche Anfragen nicht zur Verfügung.
Beim Stadtjugendring wurden inzwischen zwei Arbeitsgruppen eingerichtet. Eine, bestehend aus dem Vorstand und Mitarbeitenden, beschäftigt sich laut Sprecherin Plass mit der Einrichtung eines Beschwerdemanagements. Eine weitere, in die unter anderem auch das Festivalteam eingebunden ist, soll ihre Arbeit Anfang Dezember aufnehmen. Im Rahmen einer Mediation soll zudem sichergestellt werden, dass alle, die sich zu den Vorwürfen äußern wollen, "dies in einem professionell begleiteten Rahmen tun können". Die Vertrauenspersonen, über die die Vorwürfe an den Stadtjugendring herangetragen wurden, seien inzwischen aber aus diesem Prozess ausgestiegen.