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Was hat die Flüchtlingswelle mit Bayern gemacht?

Migration

Zehn Jahre nach Angela Merkels berühmtem Satz: Hat es Bayern geschafft?

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    Im September 2015 kamen viele Geflüchtete am Münchner Hauptbahnhof an.
    Im September 2015 kamen viele Geflüchtete am Münchner Hauptbahnhof an. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Es ist 13.44 Uhr an einem eigentlich gewöhnlichen Sommermontag, als der wohl berühmteste und zugleich folgenreichste Satz in Angela Merkels Amtszeit fällt. Die damalige Bundeskanzlerin sitzt in der Bundespressekonferenz, trägt ein pinkfarbenes Jackett und eine goldene Halskette, spricht über Asylverfahren, Erstaufnahmeeinrichtungen, Integrationsarbeit, hunderttausende Geflüchtete, mit denen in Deutschland zu rechnen sei und sagt schließlich die drei Worte, die lange wie ein gewaltiges Gewitter im Gebirge nachhallen und nachgrollen sollten: Wir schaffen das!

    Zehn Jahre später wird noch immer – oder wieder oder immer wieder – über jenen 31. August 2015, an dem ebenjener wie eine Hochspannungsleitung aufgeladene Satz fiel, gesprochen. Auch im Freistaat, in den infolge der Flüchtlingswelle Zehntausende Menschen geströmt waren. Was hat das mit dem Bundesland gemacht? Hat es Bayern, um im Merkel'schen Duktus zu bleiben, geschafft?

    Die Kommunen waren mit der Unterbringung von Geflüchteten massiv belastet

    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) beantwortet die Frage gegenüber unserer Redaktion so: Zwar habe es der Freistaat geschafft, auch in Zeiten anhaltend hoher Zugangszahlen allen neu ankommenden Asylbewerbern eine Unterbringungsmöglichkeit anzubieten und niemand auf der Straße stehenzulassen. „Dies hat allerdings das Unterbringungssystem und die Kommunen an den Rand der Belastbarkeit beziehungsweise teilweise sogar darüber hinaus geführt.“ Diese Belastungsprobe, von der der Minister spricht, dauerte in der Tat Jahre, erst jetzt hat sich die Lagen in den Städten und Dörfern wieder entspannt.

    Wie groß der Zustrom nach Beginn der Flüchtlingswelle im Jahr 2015 nach Bayern war, zeigen die Zahlen. Die Daten zur ausländischen Bevölkerung werden im Ausländerzentralregister (AZR) erfasst, das vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geführt wird. Demnach hielten sich in Bayern Ende 2014 rund 5800 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling auf, Ende Juni dieses Jahres waren es fast 46.000. Auch die Zahl der Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis als subsidiär Schutzbedürftiger – Menschen also, die im Asylverfahren keinen Flüchtlingsstatus oder Asylberechtigung erhalten haben, aber denen im Falle einer Rückkehr in ihr Herkunftsland ernsthafter Schaden droht –, stieg massiv von rund 1000 auf mehr als 36.000 an, ebenso die der Menschen, die im Ausländerzentralregister mit einem anhängigen Asylverfahren gespeichert sind, nämlich von fast 36.000 auf mehr als 59.000.

    2016 wurden in Bayern 82.000 Asylerstanträge gestellt

    Im Jahr 2015 wurden in Bayern mehr als 67.000 Asylerstanträge gestellt, 2016 waren es 82.000, 2024 dann noch knapp 36.000, im aktuellen Jahr bisher rund 9500. Die meisten Anträge wurden in den genannten Jahren von Menschen aus Syrien gestellt. Zu den wichtigsten Asylherkunftsländern zählen daneben noch Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan und Somalia.

    Viele dieser Menschen haben in Bayern mittlerweile eine Arbeit gefunden. Die Anzahl der Beschäftigten aus den acht genannten Ländern betrug in Bayern im Mai 2025 dem Innenministerium zufolge rund 101.000. Hiervon waren fast 91.000 sozialversicherungspflichtig. Außerdem waren im Freistaat im Mai 56.700 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit beschäftigt, darunter waren fast 49.000 sozialversicherungspflichtig. Insgesamt hat Bayern mit 75,5 Prozent (2024) die bundesweit höchste Erwerbstätigenquote von Menschen mit Migrationshintergrund sowie mit 8,6 Prozent (Bund: 14,7 Prozent, Juli 2025) bundesweit die niedrigste Arbeitslosenquote von Ausländern.

    Der Freistaat wird für seinen harschen Migrationskurs kritisiert

    Trotz dieser Erfolge und trotz der grundsätzlich sinkenden Asylbewerberzahlen – in Bayern sind die Zugangszahlen von Anfang Januar bis Ende Juni 2025 um rund 57 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen – hält der Freistaat aber an seinem harten Kurs fest. „Um die Integrationsfähigkeit Bayerns und Deutschlands aufrechtzuerhalten, war und ist dringend eine Migrationswende erforderlich“, sagt Innenminister Herrmann unserer Redaktion.

    Vom bayerischen Flüchtlingsrat gibt es deswegen harsche Kritik. „Von einer ‚Migrationswende‘ kann keine Rede sein – was wir erleben, ist eine Wende hin zu populistischer Stimmungsmache, rechtlichen Grauzonen und einem gefährlichen Abbau rechtsstaatlicher Prinzipien“, heißt es in einer Mitteilung der Organisation. „Auch die verstärkten Grenzkontrollen lösen keine Probleme. Sie führen vor allem zu Überstunden bei der Bundespolizei und zu rechtswidrigen Zurückweisungen. Menschen ohne Prüfung ihrer Schutzbedürftigkeit abzuweisen, verstößt gegen geltendes Recht – das ist gerichtlich bestätigt.“

    Dabei würden menschenrechtskonforme Lösungen auf der Hand liegen, sagt Johanna Böhm vom bayerischen Flüchtlingsrat. „Fluchtursachen bekämpfen, Arbeitsmigration erleichtern und sichere Fluchtwege schaffen. Doch davon ist nichts zu sehen.“ Menschen, die Schutz suchen, müssten geschützt werden – das müsse zivilisatorischer Grundkonsens sein, betont Böhm und ergänzt: „Wer diesen Grundsatz aufgibt, handelt nicht pragmatisch, sondern gefährlich.“

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