
Es ist schon komisch, wenn sich 80 Menschen in einem Festzelt unterhalten, zuprosten und singen – und es ist mucksmäuschenstill. Es ist so absurd – und leise, dass ich immer wieder breit grinsen muss. Aber das macht nichts, im Gegenteil, das passt gut.
Wir, die nonverbal „Stimmung“ machen, sind 80 Komparsen eines ARD-Fernsehfilms, der irgendwann in den nächsten Monaten zu sehen sein wird. Unsere Aufgabe in Thalkirchdorf: Festzeltbesucher des Viehscheids mimen.
Komparsen kommen nicht einfach, sie werden gebucht. Diejenigen, die an diesem Tag dabei sind, haben eine Vereinbarung mit der Agentur Producer’s Friend aus München, sind dort mit Foto gelistet. „Wir sollten pünktlich und geschminkt sein, Tracht und, wenn möglich, eine Flechtfrisur tragen“, sagt Studentin Marei Kühn (20) aus Thalkirchdorf.
Die Komparsen bekommen an diesem Zehn-Stunden-Tag (bis ein Uhr nachts) um die 100 Euro. „Früher war das anders“, sagt mein Bierbank-Nachbar Günter Draxler (57) aus Laichingen. „Da hast du 30 Mark in die Hand gedrückt bekommen, das war’s“. Heute aber, da müsse gesetzlicher Mindestlohn bezahlt werden. Im Vertrag muss die Sozialversicherungsnummer und die Krankenkasse angegeben werden. Sehr bürokratisch.
Daheim in den Bergen: So liefen die Dreharbeiten
In den kurzen Drehpausen ist Zeit, sich flüsternd zu unterhalten. Um uns herum sind Kameramänner, Toningenieure, Regie- sowie Tonassistenten, und junge professionelle Schauspieler wie Catherine Bode, auf die der Fokus liegt. Wir sind bei jedem Dreh der stimmungsvolle Hintergrund. Müssen aber mucksmäuschenstill sein. Vielleicht wird später ein Bierzeltgegrummel unterlegt?

Isante Thurau aus Konstanz erzählt, sie habe schon bei diversen Filmen mitgespielt. „Einmal war ich richtig groß im Bild, aber meine Nachbarin hat mich mit Kopftuch dennoch nicht erkannt.“
„Psssst.“ Regieassistent Lutz fordert unsere Aufmerksamkeit. Wir, die an eng zusammengestellten Tischen im riesigen, ansonsten leeren Festzelt hocken, drehen unsere Köpfe. Da steht der drahtige Mittfünfziger auf einer Palette und sagt: „Stellt euch vor hier spielt die Musik. Ihr schaut her, klatscht, und dann geht es wieder leise weiter, so, wie vorhin.“ Auf sein Zeichen hin – er macht sich groß und reißt die Arme nach oben – klatschen wir laut, manche rufen „Bravo“. Dann senkt Lutz seine Arme, kreuzt die Hände in der Luft. Wir sind still, prosten uns wieder zu, lachen lautlos, plaudern nur mit Mimik und Gestik – aber mit Mundbewegungen. So, wie von uns verlangt.
Nach einigen Sekunden bricht Lutz dennoch die Szene ab: „Wir fangen noch mal an, ihr seid zu laut!“ Also nochmals: Applaus, dann lautloses Sprechen. Obwohl wir uns ja nur zum Schein unterhalten, wird es nach der zwölften Wiederholung anstrengend. Der Gesprächsstoff geht aus.
Also gut, wieder anstoßen, trinken. Es gibt alkoholfreies Bier, es schmeckt aber abscheulich. Total bitter. Von Trinken kann keine Rede sein. Sollen wir auch nicht. Wenn der Film später zusammengeschnitten wird, darf da nicht plötzlich ein leeres Glas stehen. Die Mitarbeiter der Filmgesellschaft schäumen den goldenen Trunk immer wieder auf. Vier Stunden lang. Dann Pause. Essen fassen.
Die Mitarbeiter der Filmproduktion bekommen unter anderem Kässpatzen, Schweinebraten und Blaukraut. Sebastian Müller aus Lindenberg hat vor Ort aufgekocht. Er war auch vor einer Woche der Wirt beim richtigen Fest zum Viehscheid. Den Komparsen aber wird nur Nudeln mit Soße aufgetischt. Des Essen ist knapp bemessen. Ein Statist spricht von einer „Zwei-Klassen-Gesellschaft“.
Bis ein Uhr nachts geht der Dreh weiter. Alle sind dann groggy. Die Crew der Westside-Filmproduktion zieht weiter. Nächste Drehorte sind Kempten und Weitnau. Auch da sind wohl wieder Komparsen gefragt. Hauptdarsteller sind übrigens Walter Sittler, Theresa Scholze, Catherine Bode, Max Herbrechter, Thomas Unger und Matthi Faust. Wann der Film gesendet wird, steht noch nicht fest.