Zur Entlastung der Gaskunden hatte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Erdgas auf sieben Prozent gesenkt. Das könnte sich nun wieder ändern.
Bild: Marijan Murat, dpa, (Symbolbild)
Zur Entlastung der Gaskunden hatte die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf Erdgas auf sieben Prozent gesenkt. Das könnte sich nun wieder ändern.
Bild: Marijan Murat, dpa, (Symbolbild)
Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine schossen in Deutschland die Gaspreise nach oben. Die Abhängigkeit von Energie aus dem Reich Putins sorgte für eine extrem angespannte Lage auf den Märkten, die die Verbraucherinnen und Verbraucher schwer belastete. Um dem entgegenzuwirken, senkte die Bundesregierung zum Oktober 2022 die Mehrwertsteuer für Gaslieferungen über das Erdgasnetz von 19 auf 7 Prozent. Der ermäßigte Satz sollte eigentlich bis März 2024 gelten. Doch Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will die Ermäßigung nun bereits zum Jahreswechsel aufheben.
Ein Ministeriumssprecher begründete das auf Nachfrage unserer Redaktion so: "Die Preise für Gas sind im Jahr 2023 schneller gesunken, als im Jahr 2022 anzunehmen war. Die gegenwärtigen Großhandelspreise für Gas haben sich auf dem Stand vor dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine normalisiert. Das zeigen auch die derzeitigen Preiserwartungen an den Terminmärkten. Auch die Speicherziele der Gasspeicher sind bereits jetzt übererfüllt. Die Gasflüsse nach Deutschland sind stabil und die Diversifizierung der Gasimporte schreitet weiter voran." Das Aufheben der "Krisenmaßnahme" würde dem Fiskus den Angaben zufolge 2,1 Milliarden Euro einbringen. Das hätte aber Folgen für die Verbraucher und die werden heftig diskutiert. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten
Wie hoch war das durchschnittliche Preisniveau früher?
Nach Angaben des Vergleichsportals Check24 kostete eine Kilowattstunde Gas vor Beginn der Energiekrise und des Krieges in der Ukraine im Schnitt 6,8 Cent. Eine Musterfamilie mit vier Personen und einem angenommenen Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden musste damals etwa 1.365 Euro im Jahr für Gas zahlen.
Die höchsten Preise verlangten den weiteren Check24-Angaben zufolge Energieanbieter im September 2022: Eine Kilowattstunde Gas kostete damals im Durchschnitt 21,9 Cent. Kostenpunkt für die Musterfamilie: rund 4.371 Euro im Jahr. Die Gaskosten waren also im Vergleich zu vorher um mehr als das Dreifache gestiegen.
Was kostet es aktuell?
Aktuell kostet die Kilowattstunde Gas durchschnittlich 12,2 Cent. Check24 berechnet Gaskosten für den Vier-Personen-Haushalt (20.000 Kilowattstunden) von rund 2.432 Euro im Jahr. Das sind also immer noch gut 78 Prozent mehr als vor der Energiekrise. Allerdings weist das Portal auf Nachfrage unserer Redaktion darauf hin, dass sich die Preise zwischen Grundversorgung und Alternativanbietern deutlich unterscheiden: In der Grundversorgung zahlt die Familie im Schnitt 2.951 Euro, bei alternativen Anbietern nur 1.867 Euro im Jahr. Vergleichen lohnt sich also.
Wenn die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent angehoben wird, muss die Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden den weiteren Angaben zufolge mit Mehrkosten von etwa 274 Euro im Jahr rechnen. Ein Single in einer 50-Quadratmeter-Wohnung würde etwa 80 Euro im Jahr mehr zahlen.
Steffen Suttner, Geschäftsführer Energie bei Check24, meint: „Die Gaspreise liegen noch immer über dem Niveau von vor der Energiekrise. Das Anheben der Mehrwertsteuer würde Verbraucher zusätzlich belasten – und das im heizintensiven Winter." Derzeit seien nur rund ein Drittel aller Gaskunden nicht bei ihrem örtlichen Grundversorger unter Vertrag. Ein Wechsel in einen günstigeren Alternativtarif könne folglich die Kostensteigerung der Mehrwertsteuererhöhung "deutlich auffangen". Karen Pittel hingegen, Leiterin des Münchener Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen, hält die Initiative wegen der Preisentwicklung sowohl am Spotmarkt als auch am Futures Markt für nachvollziehbar.
Sie sagt: "Aktuell liegen die Preise für Erdgas im kommenden Winter nicht substanziell über den heutigen Preisen, insofern würde sich die zusätzliche Belastung in Grenzen halten. Auch die heutigen Preise für die Folgejahre liegen auf einem vergleichbaren Niveau, sodass man von einem 'new normal' ausgehen könnte."
Die Expertin schränkt allerdings ein: "Sollte sich die Situation auf den Gasmärkten kurzfristig ändern, zum Beispiel aufgrund eines kalten Winters oder einer höheren Nachfrage im Rest der Welt, könnten die Preise in diesem Winter allerdings höher ausfallen als aus heutiger Sicht erwartbar." Insofern sei ein gewisses Risiko mit einer Anhebung der Sätze vor dem eigentlichen Auslaufen der Maßnahme Ende März 2024 verbunden.
Wie verläuft die politische Debatte?
Zwar gab es Kritik aus der SPD und auch hatten die Grünen zunächst angekündigt, sich Lindners Vorschlag während der Verhandlungen zum Bundeshaushalt genau anschauen zu wollen. Am Montag allerdings hieß es dann aus Regierungskreisen, dass Lindners Vorschlag von der gesamten Bundesregierung mitgetragen werde. Die Opposition ist auf Distanz: Volker Ullrich, Mitglied im Verbraucherausschuss des Bundestages, kritisiert das Vorgehen der Bundesregierung. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagte der Augsburger CSU-Abgeordnete: "Bundesfinanzminister Lindner will die abgesenkte Mehrwertsteuer auf Gaspreise auslaufen lassen und die SPD kritisiert die Idee postwendend. Das verstehen die Menschen immer weniger. Verbraucher, die sich schon jetzt Kosten für Strom und Heizung mühsam vom Mund absparen müssen, verdienen Verlässlichkeit." Und er sagt weiter: "Eine Sanierung des Staatshaushalts auf Kosten von Mehrausgaben für Verbraucher und Unternehmen lehnen wir ab. Die Menschen brauchen Entlastung statt Belastung." Auch die Union wolle einen ausgeglichenen Haushalt.
Aber mit Blick auf den kommenden Winter werde jetzt schon vielen Menschen wieder angst und bange vor den Kosten. Ullrich: "Unsichere Zeiten verschonen auch nicht den Markt: Aktuell ist die Preisentwicklung bei den Gaspreisen nicht solide vorhersehbar. Eine Priorisierung der Haushaltsmittel für Zukunftsaufgaben tragen wir mit, aber ein um drei Monate vorgezogenes Aus für die Mehrwertsteuersenkung auf Gas wäre für uns der falsche Weg. Auf Verbraucherseite muss auf das Wort der Bundesregierung Verlass sein."