
An seinen letzten Gedanken vor dem Crash erinnert sich Helikopter-Pilot Udo Ramm genau: "Jetzt wird's eng!" Einen Sekundenbruchteil später stürzt sein Lastenhubschrauber am Morgen des 16. Mai 2019 aus 30 Metern Höhe über der Oberstdorfer Skisprungarena ab. Beim Aufprall auf einem Schrägaufzug, der normalerweise Sportler und Besucher transportiert, verliert Udo Ramm das Bewusstsein.
"Ich hatte Riesenglück im Unglück", sagt Udo Ramm (56) und fügt nachdenklich an: "Der 16. Mai ist mein zweiter Geburtstag."
Bei Abbau-Arbeiten in der Oberstdorfer Skisprung-Arena stürzt der Pilot gegen 9 Uhr mit seinem Lastenhubschrauber an der Skisprungschanze ab. Er war dabei, einen rund 600 Kilogramm schweren Mast neben dem Schanzentisch aus der Verankerung zu lösen. Der Mast ist schräg am Hang mit drei Sicherungsseilen befestigt.
Mit einer weiteren Seil-Konstruktion wird er mit dem Hubschrauber verbunden und soll in der Senkrechten nach oben gehievt und davon geflogen werden. Doch dann nimmt das Unglück seinen Lauf. Im Polizeibericht heißt es später: "Nicht absprachegemäß durchtrennte ein Arbeiter am Boden eines der Sicherungsseile selbstständig." Dadurch kippt der Mast mit voller Wucht. Der enorme Impuls erreicht über die Seilkonstruktion den Hubschrauber. Der Heckrotor wird zerstört. Die Maschine stürzt ab.
Dieses Video entstand am 16. Mai nach dem Absturz

Schwer verletzt wird Pilot Udo Ramm wenige Minuten nach dem Absturz von Rettungskräften aus den Trümmern des Hubschrauber-Wracks geborgen. Den Moment, als er in den Armen von Sanitätern aus der Bewusstlosigkeit erwacht, wird ihn Zeit seines Lebens begleiten: "Da war einfach nur eine große Zufriedenheit und Dankbarkeit."
Dass der Pilot lebend aus der völlig zerstörten Maschine vom Typ "AS 350 Écureuil" gerettet werden kann, grenzt an ein Wunder. Es gibt noch eine weitere frohe Botschaft an diesem spektakulären Mai-Vormittag in Oberstdorf: Mit Erleichterung registriert Udo Ramm, dass keinem der zehn Arbeiter am Boden etwas passiert ist. Alle konnten sich rechtzeitig in Sicherheit bringen.
In einer Mischung aus Schockzustand und Glücksgefühlen bemerkt der Pilot die eigenen Verletzungen kaum. Die Entscheidung, ob er jemals wieder in einem Helikopter fliegt, nehmen ihm seine Retter noch am Unfallort abgenommen: Im Rettungshubschrauber Christoph 17 wird er ins Klinikum Kempten geflogen! "Da wurde ich nicht groß gefragt - und das war genau richtig", sagt Udo Ramm lächelnd. Nach einem gründlichen Check stellen die Ärzte fest: Abgesehen von einem doppelten Ellen-Speichen-Bruch und einer Hüftverletzung ist der Pilot vor schlimmeren Schäden verschont geblieben.
Für die Rückkehr in seinen Beruf tat er alles
Von Anfang an steht für ihn fest: Er will wieder in seinen Beruf zurück. Dafür arbeitet er hart. Bis zu vier Physiotherapie-Stunden am Tag stehen auf dem Programm. Ende August steigt er in Begleitung eines Fluglehrers wieder in einen Helikopter - und besteht die Probe. Sein Kopf spielt mit. "Ich hab zum Glück kein grundsätzliches Problem mit dem Fliegen", sagt Udo Ramm. In 35 Jahren als Pilot hat er 19.000 Flugstunden unfallfrei gemeistert. Den Absturz im Mai sieht er als "Verquickung sehr unglücklicher Umstände". Über die Schuldfrage werde das Gericht entschieden.
Am 11. September flog Ramm, der für eine Fluggesellschaft aus Neuenstein (Baden-Württemberg) arbeitet, erstmals wieder im Allgäu. "Die Berge und die Landschaft von oben ist phänomenal", sagt der Pilot, der schon seit 20 Jahren Einsätze in unserer Region absolviert. In all den Jahren haben sich viele persönliche Kontakte und Freundschaften gebildet. Dies wurde ihm schlagartig in den Wochen nach dem Absturz bewusst: "Die Anteilnahme war unglaublich. Dafür möchte ich mich bei allen Allgäuern bedanken."
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