++++ Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2016 aus dem Archiv von allgaeu.life ++++
Damals vor 80 Jahren am Obersalzberg im Berchtesgadener Land. „Wir haben etwa 200 Meter von seiner Festung, dem Berghof, entfernt gewohnt. Da war nur eine kleine Straße dazwischen“, erzählt Zotz, der vermutlich einzige noch Lebende Zeuge, der sich zumindest in Teilen noch an Ereignisse im damaligen „Führersperrgebiet“ erinnert. „Damals war ich ja noch ganz klein. Aber ich weiß noch genau, wie jeden Tag hunderte von Leute zum Berghof pilgerten. Sie riefen: ’Wir wollen den Führer sehen.’
“Seit 1923 war Hitler Feriengast in Obersalzberg. Zehn Jahre später kaufte er sich das Haus Wachenfeld, das er in Berghof umbenannte – und in eine umzäunte Residenz umbaute. Es war genau die Zeit, in der die Eltern von Helmut Zotz gerade ihr frisch gebautes Häuschen am Obersalzberg bezogen. Sein Vater Martin, ein Schuhmachermeister aus Eggenthal im Ostallgäu, hatte in eine Berchtesgadener Familie eingeheiratet. Gemeinsam mit seiner Frau Anna wollte er seine drei Kinder in der oberbayerischen Postkarten-Idylle aufziehen.
Von Hitler sah die Familie damals wenig. „Alles war umzäunt und überall standen Wachmänner. Da kam niemand rein“, erzählt Zott. Er wundert sich selbst, wie das Foto mit ihm und dem Diktator vor dessen Festung entstehen konnte. „Das muss eine zufällige Begegnung gewesen sein. Aber darüber hat mir nie jemand mehr erzählt.“
Kein Wunder: Hitler wurde schon bald zu einem gleichsam gefürchteten wie insgeheim gehassten Feind der Familie. „Er hat uns aus unserem kleinen Paradies getrieben und zum Teufel gejagt“, erinnert sich Zotz an schwere Stunden. Hintergrund: Mit der Machtergreifung 1933 erfuhr der Obersalzberg eine gewaltige bauliche Veränderung. Um den Berghof entstanden Häuser der NSDAP-Politiker Martin Bormann, Hermann Göring und Albert Speer sowie Gästehaus, SS-Kaserne, Gutshof mit Gewächshaus und unterirdische Bunker. Dafür mussten die bisherigen Hausbesitzer weichen.
Wer sich widersetzte, dem drohte das KZ
Wer nicht verkaufen wollte, dem wurde Gewalt angedroht. „Das war eine Zwangsenteignung. Mein Vater hatte keine andere Chance als einzuwilligen. Wenn er sich widersetzt hätte, hätten sie ihn ins KZ nach Dachau gebracht“, sagt Zotz. Einem standhaften Nachbarn sei dies passiert. Erst nach dem Krieg habe ihn die Familie wieder zu Gesicht bekommen: ein gebrochener Mann ohne Zähne, der nach den schrecklichen Erlebnissen im Konzentrationslager kein Wort mehr herausbrachte. Der Vater von Helmut Zott war gewarnt ob der Brutalität von Hitlers willigen Helfern.
Am 17. Februar 1937 verließ Martin Zott mit seinen Frau und den drei kleinen Kindern das Anwesen am Obersalzberg – und nahmen notgedrungen Abschied vom kleinen Glück in Oberbayern. Der Familienvater entschied sich zu einer Rückkehr in seine Allgäuer Heimat. Doch der Umzug nach Aitrang bescherte der Familie einen tragischen Verlust: Die jüngste Tochter starb an den Folgen einer verschleppten Keuchhustens.
„Meine Mutter ist nie darüber weggekommen. Sie konnte sich nie im Allgäu akklimatisieren“, erinnert sich Helmut Zotz. Er selbst fand sich besser zurecht und blieb dem Allgäu treu. Als junger Mann betrieb er ein Sportgeschäft in Aitrang – und war als glühender Fan des TSV 1860 München bis in die Münchener Hauptzentrale der „Löwen“ in Giesing bekannt.
Dem Bösen stand er nie mehr so nahe wie damals am Berghof, als sein Nachbar Adolf Hitler ihm die Hand reichte – und wenig später nach der Heimat seiner Familie griff.