Fast unbemerkt schmiegt sich das kleine Kaufbeurer Haus in die mächtige Gipfellandschaft. Bei Sonnenaufgang werden die Gipfel dahinter in ein gelbes Licht getaucht (zu sehen die Bretterspitze).
Bild: Benedikt Siegert
Fast unbemerkt schmiegt sich das kleine Kaufbeurer Haus in die mächtige Gipfellandschaft. Bei Sonnenaufgang werden die Gipfel dahinter in ein gelbes Licht getaucht (zu sehen die Bretterspitze).
Bild: Benedikt Siegert
Das Kaufbeurer Haus nimmt eine echte Sonderrolle ein. Nicht nur, dass es die einzige Hütte in den Allgäuer Alpen ist, die noch nahezu in ihrem Ursprungszustand erhalten ist. Nein, beim Kaufbeurer Haus handelt es sich auch um eine Selbstversorgerhütte. Was das bedeutet? Wirtsleute oder eine Speisekarte sucht man hier vergeblich. Die einzige Waschmöglichkeit besteht aus einem kleinen Brunnen. Und was zu Trinken oder Essen bekommt der Wanderer hier allenfalls am Wochenende. Klar ist: Wer aufs Kaufbeurer Haus (2.007 Meter) geht, der sollte genügsam sein. So wie die Gruppe, die an diesem Septembermorgen vor der Hütte sitzt. Sie hatten sich in Hinterhornbach, dem Talort, den Schlüssel zur Hütte geholt. Ihre Verpflegung brachten sie selber im Rucksack mit hinauf. Heute Früh wollen sie den Enzensperger Weg gehen. Er führt vom Kaufbeurer Haus über die Schwärzer Scharte zur Hermann-von-Barth-Hütte. Ein echter alpiner Klassiker in den Allgäuer Alpen. Allerdings ist der Weg nur erfahreneren Alpinisten zu empfehlen.
Genau dieser Zielgruppe ist auch das Kaufbeurer Haus vorbehalten. Nichts für Genießer oder Feinschmecker, sondern eine Hütte für echte Bergsteiger. 1905 von der Sektion Allgäu-Immenstadt des DAV erbaut, ist sie heute das wohl einzige Schutzhaus in den Allgäuer Alpen, das noch nahezu in seinem Ursprungszustand erhalten ist. Das Kaufbeurer Haus bietet heute wie damals eine Küche samt kleinem Gastraum, 14 Schlafplätze und ein Matratzenlager. An schönen Wochenenden ist das Kaufbeurer Haus inzwischen wieder von wechselnden Hüttenwarten der Sektion besetzt. Dann gibt es für die Gäste einfache Gerichte wie Erbsen- oder Gulaschsuppe, Kaffee, Tee oder Getränke. (Lesen Sie auch: Umbauarbeiten: Auf diesen Hütten im Allgäu gibt es bald weniger Schlafplätze)
Genug für diejenigen, die den zweistündigen Weg von Hinterhornbach im Lechtal auf sich nehmen. Denn sie kommen nicht wegen der Kulinarik. Schon viel eher wegen der atemberaubenden Landschaft. Hinter der Hütte ragen die schroffen Felsgestalten der Urbeleskar- und Gliegerkarspitze auf. Sie gehören zur Hornbachkette, einer Untergruppe der Allgäuer Alpen. Schon die Normalwege auf die Gipfel erfordern Kletterkönnen bis zum Grad II+. Beliebt ist auch der bereits erwähnte Enzensperger-Weg. Benannt ist er nach einem der großen Pioniere bei der Erschließung der Allgäuer Alpen: Josef Enzensperger (1873-1903). Er war gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Ernst (1877-1975) mit großem Tatendrang bei der Erschließung der Allgäuer Berge aktiv und führte rund ein Dutzend anspruchsvoller Erstbegehungen im Allgäu, darunter die Trettach-Südwand (1894), die zu jener Zeit als eine der schwersten Touren überhaupt galt. (Lesen Sie auch: Steil, brüchig, gefährlich: Das waren die spektakulärsten Erstbesteigungen im Allgäu)
Auf den Spuren Enzenspergers will an diesem Vormittag auch die Gruppe wandeln, die noch vor dem Kaufbeurer Haus sitzt. "Wir sind froh, dass die Hütte uns überhaupt wieder offen stand", sagen sie. Denn fast zwei Jahre blieb die Selbstversorgerhütte corona-bedingt geschlossen, ehe sie Anfang Juli wieder öffnete. Alpenvereinsmitglieder können jetzt wieder gegen eine kleine Schutzgebühr den Schlüssel ausleihen. Oder sie kommen am Wochenende hinauf, wenn die Hütte bewartet ist. Bei Gulasch- oder Erbensuppe. Und vielleicht einem Tee.
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