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"Schtille Gedonke": Dialekt-Poetin Stefanie Dentler über ihre Liebe zu den Allgäuer Bergen

Allgäuer Gedichte

"Schtille Gedonke": Dialekt-Poetin Stefanie Dentler über ihre Liebe zu den Allgäuer Bergen

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    Stefanie Dentler ist mit dem Allgäu eng verbunden.
    Stefanie Dentler ist mit dem Allgäu eng verbunden. Foto: Nicole Uhlemair

    Der Ritterschlag kommt per Telefon. Am späten Nachmittag klingelt es, die Hausherrin hebt den Hörer ab, meldet sich mit „Hier Stefanie Dentler“ und erstarrt plötzlich in Ehrfurcht, als der Anrufer entgegnet: „Hier Martin Hehl.“

    Dazu muss man wissen, dass dieser Martin Hehl aus Oberstdorf ein mehrfach ausgezeichneter Mundartdichter war, ein Maestro der Allgäuer Verse, einer, der regelmäßig auf Allgäuer Bühnen stand und zu dem die meisten dieser Branche bewundernd aufschauten. Zum Beispiel Stefanie Dentler.

    Als der Anruf sie erreicht, ist sie Neuling auf dem Gebiet der Mundartgedichte. Kein Auftritt bislang, keine veröffentlichten Gedichte. Gewiss, sie hatte kurz zuvor bei einer Ausschreibung der Brauerei Zötler mit den von ihr eingereichten Zeilen einen Preis gewonnen. Aber das konnte auch ebenso gut reiner Zufall gewesen sein.

    Für ein Video von "Griaß di' Allgäu" las Stefanie Dentler folgendes Gedicht:

    Beim 19. Allgäuer Mundart-Forum trat Stefanie Dentler mit ihren Versen auf.
    Beim 19. Allgäuer Mundart-Forum trat Stefanie Dentler mit ihren Versen auf. Foto: Harald Holstein

    Aber offenbar hatte sie einen wie Martin Hehl damit beeindruckt. Denn beim Telefonat mit ihr kommt er gleich zur Sache und fragt sie, ob sie nicht an einem Abend mit ihm gemeinsam auftreten wolle. Der Kloß in Stefanie Dentlers Hals verhindert ein sofortiges „Ja“, aber natürlich signalisiert sie ihm im weiteren Verlauf dieses Gesprächs, dass sie gerne mit von der Partie ist. Nun läuft das Leben nicht immer nach Plan, und zum Auftritt mit dem Mundart-Meister wird es nicht mehr kommen. Denn Martin Hehl scheidet zwei Wochen vor dem Termin aus dem Leben.

    Stefanie Dentler freilich greift weiterhin zu Papier und Stift oder besser gesagt: Sie setzt sich an ihren Laptop und schreibt. Es sind Erlebnisse, Gefühle und Beobachtungen, die letztlich ein Gedicht oder eine Erzählung ergeben.

    Wir treffen uns zum Plaudern bei ihr zu Hause in Oberstdorf, zuerst im Garten, später in der Wohnküche. Dort, wo ihre Werke entstehen, wo sie meist sitzt und die Gedanken in Worte gegossen werden. Es sollen Fragen beantwortet werden wie:

    • Weshalb schreibt sie im Dialekt?

    • Weshalb opfert sie den ohnehin schon geringen Teil ihrer Freizeit dem Schreiben?

    • Was treibt sie regelmäßig an?

    • Woher kommen die Ideen?

    Immerhin arbeitet Stefanie Dentler, Jahrgang 1978, als Sozialpädagogin im Sozialdienst der Oberallgäuer Kliniken, betreibt eine Naturheilpraxis, vermietet eine Ferienwohnung, engagiert sich ehrenamtlich im Pfarrgemeinderat – na ja, und schließlich ist sie auch noch Mutter von zwei kleinen Kindern. „Ich bin oft am Anschlag“, gesteht sie, und ihr Gesicht nimmt bei diesen Worten tatsächlich ein wenig nachdenkliche Züge an.

    Der Ort unseres Treffs beantwortet zunächst die Frage, weshalb sie im Dialekt schreibt. Wir sitzen im Garten ihres Elternhauses, ihres Geburtshauses, hier sind ihre Wurzeln. Stefanie Dentler ist echte Oberstdorferin und sie betont, dass sie keinen triftigen Grund erkennt, jemals woanders leben zu wollen.

    Sie studierte vier Jahre im fränkischen Coburg, danach aber zog es sie wieder zurück ins Allgäu, nach Sonthofen. Dort lernte sie ihren heutigen Ehemann kennen – und welch ein Zufall: Er ist gebürtiger Franke, der schon mit 18 Jahren ins Oberallgäu kam und ohnehin nur diese Einbahnstraßen-Wahl hatte: Diese Frau gibt es nur in Verbindung mit dem Allgäu als Wohnort.

    Vor allem die Berge sind ihre große Liebe

    Die Region ist Stefanie Dentlers Heimat, oder Huimat, wie das in ihrem Dialekt heißt. Vor allem die Berge sind ihre große Liebe, auf die sie hin und wieder hinaufkraxelt, um das Gefühl von Freiheit, von Stärke, von innerer Ruhe und ja, von Erhabenheit zu spüren und zu meinen, für einen Moment über den Dingen zu stehen. Dort fallen ihr viele Themen ein, die sie später in den Laptop tippt.

    Eigentlich, meint sie und schmunzelt, wäre genau dort oben auf dem Berg der ideale Ort, um sich an einen Schreibtisch zu setzen und zu texten, zu schwärmen, zu philosophieren über das Leben, die Welt, vielleicht auch über den Tod. In dieser Huimat gibt es deshalb auch keinen triftigen Grund für sie, nicht in jenem Dialekt zu schreiben, den die Menschen dort sprechen.

    „Ich kann im Dialekt noch deutlicher meine Gefühle ausdrücken“, bekennt sie. Und in vielen ihrer Geschichten geht es um Gefühle. Ihre Lieblingswerke sind jene, denen Tiefgang anzumerken ist, die nachdenklich und, wenn es sein muss, auch melancholisch machen. Ihr Wunsch: „Die Zuhörer sollen gefangen sein von dem, was sie gehört haben. Vielleicht auch noch ein bisschen darüber nachdenken, wenn sie zu Hause sind.“

    Ihre Schätze: Pflanzen, Tiere, Berge, Seen

    Natürlich geht es oft um die Schätze ihrer Heimat, die Pflanzen, die Tiere, die Berge, die Seen. Und natürlich machen sich in ihrem Kopf mitunter Gedanken breit, wie es um die (heimische) Natur bestellt ist, was die Zukunft bringen mag. Sie hat klare Vorstellungen in dieser Hinsicht, gewiss, und die münden vor allem in diesem Wunsch: „Wir müssen unser kostbarstes Gut pflegen und erhalten – die Natur.“

    Weil sie kein Mensch ist, der gedankenlos in den Tag hineinlebt, der vieles unreflektiert und kritiklos hinnimmt, auch deshalb nimmt sie sich die Zeit und klappt regelmäßig ihren Laptop auf. Sie will andere an ihrem Gedankengut teilhaben lassen. Ja, und natürlich sollen die Besucher einer Veranstaltung auch schmunzeln und lachen. Denn ihre Gedichte sind nicht ausschließlich von Nachdenklichkeit geprägt. „Ich wünsche mir, dass die Zuhörer den Abend mit mir genießen“, sagt die Oberstdorferin.

    Mittlerweile zieht es sie auch ins Rampenlicht

    Genießen ist ein Stichwort. Wenn sie auf der Bühne steht, ist dies nicht mehr mit Schweißausbrüchen oder Herzklopfen verbunden, sondern längst mit Genuss: „Es ist schön, vortragen zu dürfen. Ich stehe gerne dort vorne.“ Vielleicht, verrät die Allgäuerin, ist das Präsentieren sogar schöner als die Arbeit am Laptop. Sie meint zwar, das solle man lieber nicht schreiben in dieser Geschichte. Wir tun es dennoch. Denn auch das passt, um sich ein Bild von Stefanie Dentler zu machen. Sie ist nicht unbedingt die geborene Bühnenfrau, die bereits im Kindesalter in die Öffentlichkeit drängte. Aber sie ist eine Frau, die sich in etwas verbeißen kann, wenn ihr eine Sache wichtig ist. Und die nach einer Zeit auch Gefallen daran finden kann.

    „Blicke…Worte…“ heißt ein Buch, das der Förderverein „mundART Allgäu“ vor ein paar Jahren herausbrachte. Darin finden sich Fotos von Rob Dillmann sowie Verse und Gedanken von Stefanie Dentler, die Titel tragen wie „Bsündere Moment“ (Besondere Momente) oder „Schtille Gedonke“ (Stille Gedanken). Die Mundartdichterin erinnert sich noch gut an die Entstehung des Buches. Sie bekam ein Foto vorgelegt und sollte dazu Passendes verfassen. Das klappte wie am Schnürchen – die Texte entstanden in Rekordzeit. „Man muss mir im besten Fall ein Thema vorgeben“, sagt Stefanie Dentler.

    Dieser Satz ließe sich am besten mit diesen Worten fortsetzen: Dann rattert es in ihrem Kopf, sie beißt sich rein ins Thema und vergisst, dass sie im Grunde genommen keine Zeit, sondern einen randvollen Terminkalender hat.

    Auszüge aus zwei Gedichten von Stefanie Dentler

    Was isch Huimat

    Es sind id bloass d’Lit und d’Bearg, die Huimat züe n’ar Huimat mached. Es zellt no viel mea züe deam groaße Weark, i deam mir jedan Dag nui verwached. Jeds Bliemle, jeda Bomm, süecht sich seal sing Huimat üs. Mecht genöu a deam Bleatz do stong, leabe und wachse vor dinam Hüs. Huimat ka ba gschpiere, schmecke, dea Oart müeß nammas Bsünders sing. Du kinntsch’n öu no blind entdecke, mags Summer oder Winter sing.

    Ohn‘ a Woart

    Ohn‘ a Woart,

    versünke i Gedonke,

    an am schiene Oart

    m’Heargott donke

    Lüeg i d’Widde,

    kasch hoache Gipfel seache,

    im Dal a kleine Hidde und d’Adlar i dr Heache.

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