Wenn die Dallmeiers am 7. Oktober die Petersalp schließen, brechen sie garantiert glücklich in Richtung Tal auf. In ihrem ersten Sommer auf der knapp 1.300 Meter hoch gelegenen Hütte haben sie alle Herausforderungen erfolgreich gemeistert. "Am meisten freuen wir uns, dass alle 45 Kälber und Rinder gesund geblieben sind. Das macht einen stolz", sagt Wolfgang Dallmeier. Für den 36-jährigen Oberallgäuer war es der 13. Alpsommer - und der erste als Pächter auf der historischen Hochalpe im Rappenalptal, umgeben von Gipfeln und Bergwiesen. Eineinhalb bis zwei Stunden Aufstieg benötigt ein Wanderer, wenn er diesen idyllischen Flecken vom Parkplatz der Fellhornbahn erreichen will.

"Obwohl die Arbeit härter ist, als viele denken, taugt mir das Leben hier oben. Ich bin frei wie sonst nirgends", sagt der Wolfgang Dallmeier und streicht sich durch den markanten Älpler-Vollbart. Wenn die Sommersaison endet, arbeitet er als Zimmerer und Skilehrer. Doch am wohlsten fühlt er sich abseits des Trubels in den Hochlagen. Wo Gebirgsbäche rauschen und Schellen bimmeln. Schon als Kind hat er Erfahrungen auf einer Alpe gesammelt und sie verinnerlicht. "Ein Älpler braucht ein Gespür für Natur, Wetter, Vieh, Wasser und Weide. Man kann es lernen. Aber das dauert Jahre. Je früher man damit anfängt, umso besser", bringt er die Voraussetzungen auf den Punkt. Der Job ist verantwortungsvoll. Die Bauern, die einem Älpler ihr Jungvieh anvertrauen, wollen es nach den Sommermonaten in bestmöglichem Zustand zurück.
"Wir sind eine Einheit. Anders geht es hier oben nicht." Wolfgang Dallmeier
Als ob diese Aufgabe nicht schon anspruchsvoll genug wäre, haben die Dallmeiers - wie viele Älpler - ein zweites Standbein während der Sommermonate: Sie bewirtschaften die Petersalp mit Gastraum und Bierbänken im Freien. "Manchmal kommen die ersten Wanderer um halb acht und die letzten gehen in den Abendstunden", sagt Verena Dallmeier (36). Die Bauingenieurin mit langjähriger Erfahrung im Gastro-Bereich kümmert sich um Organisation und Logistik der Bewirtung. Die drei gemeinsamen Kinder im Alter von sieben bis zwölf sind speziell in den Ferien ebenfalls mit von der Partie. "Wir sind eine Einheit. Anders geht es hier oben nicht. Jeder Tag ist anders und man muss flexibel darauf reagieren", sagt Wolfgang Dallmeier.

Doch wie wird man überhaupt Pächter einer Allgäuer Alpe? Leicht ist es nicht. Denn heute gibt es viel mehr Bewerber als früher, erzählt Wolfgang Dallmeier. Der Traum vom Älpler-Dasein lockt mittlerweile Großstädter und Quereinsteiger - und auch viele Allgäuer Familien reizt er. "Wenn irgendwo eine Hütte schließt, melden sich ruckzuck 20 Leut', die sie übernehmen wollen", sagt Wolfgang.
Er kann sich dagegen noch an Zeiten erinnern, als einen Schulkameraden verlachten, wenn man nach den Schulferien kein exotischeres Urlaubsort bennen konnte, als eine Alp im Oberallgäu. "Heute liegt das im Trend", sagt er schmunzelnd. Als Älpler bewerben kann man sich beispielsweise beim Alpwirtschaftlichen Verein Allgäu. Im Fall der Dallmeiers führte der Weg über Manfred Kurrle. Dem 82-jährigen Unternehmer aus Stuttgart gehören vier Alpen im Oberallgäu, darunter die Petersalp.
Mit seiner Naturschutzstiftung Allgäuer Hochalpen will er die Alpwirtschaft erhalten und fördern. 2016 bewarben sich die Dallmeiers - und erhielten prompt die Zusage, die renovierte Petersalp ab diesem Jahr zu übernehmen. Am Anfang war alles aufregend und mit vielen W-Fragen verbunden, wie sich die beiden erinnern. "Wo sind die Zäune? Wo das Wasser? Wo laufen die Leitungen?" Mittlerweile kennen sie jeden Winkel der Petersalp - und freuen sich auf neue Herausforderungen. Wenn alles optimal läuft, will Wolfgang Dallmeier im kommenden Jahr auch Milchkühe auf die Weide nehmen - und selbst Käse herstellen. Genauso wie dies frühere Generationen schon getan haben. Eine neue Sennküche ist bereits in Planung.
Die Arbeit auf einer Allgäuer Alpe geht eben nie aus...