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Was ist dörflicher Charakter? Was fügt sich ein?

Honsolgen

Was ist dörflicher Charakter? Was fügt sich ein?

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    Honsolgen Bauantrag
    Honsolgen Bauantrag Foto: Claudia Goetting

    In der Buchloer Alpenstraße und an der Jörg-Lederer-Straße in Honsolgen sollen auf den Grundstücken zweier ehemaliger Hofstellen große Mehrfamilienhäuser gebaut werden. In beiden Fällen gibt es zum Teil massive Kritik an den Plänen – von Nachbarn und Dorfbewohnern, aber auch mehreren Stadträten. Wie groß das Interesse an den Neubauprojekten ist, zeigte die jüngste Stadtratssitzung, in der die jeweiligen Bauanträge behandelt wurden. Der große Saal des Rathauses konnte die zahlreichen Zuschauer nicht fassen. Bürgermeister Josef Schweinberger zog die beiden Tagesordnungspunkte kurzerhand vor, damit die Besucher sich nicht erst alle anderen Themen anhören müssen, bevor es um die für sie interessanten Projekte geht.

    Bei den Diskussionen ging es schließlich um Fragen wie: Was ist dörflicher Charakter? Muss oder kann man ihn überhaupt erhalten? Was fügt sich wie ein? Womit müssen Nachbarn leben? Kann oder darf man Antragsteller in die Schranken weisen, obwohl sie sich an geltendes Recht halten? Wie lassen sich das viel geforderte Einsparen von Flächen und effiziente Nachverdichtung unter einen Hut bringen, ohne dass es zu Konflikten kommt?

    In der Alpenstraße hat der Antragsteller nach mehreren Gesprächen umgeplant – von zwei Mehrfamilienhäusern mit jeweils vier Vollgeschossen und Zeltdach zu drei Vollgeschossen plus ausgebautem Dachgeschoss mit folgenden Maßen 16 mal 16 Meter, 9,62 Wandhöhe, 13,18 Meter Gebäudehöhe. Vorgesehen sind jeweils neun Wohnungen. Die Grundstücke befinden sich im unbeplanten Innenbereich, es gibt dort aktuell keinen geltenden Bebauungsplan. Somit sollte der Stadtrat lediglich das Einvernehmen zum Antrag erteilen – oder eben nicht. Schweinberger wies darauf hin, „dass derzeit alle rechtlichen Vorschriften erfüllt sind“. Der Abstand zum Nachbargrundstück beträgt beispielsweise sechs Meter, vorgeschrieben wären fünf Meter, erklärte Stadtbaumeister Stephan Müßig ergänzend.

    „Wenn wir den Antrag ablehnen, kann es passieren, dass das Landratsamt unseren Beschluss aushebelt und das Einvernehmen erteilt“, warnte Rudolf Grieb (UBI) seine Kollegen. Dann wäre die Ablehnung des Stadtrats quasi wirkungslos. Das sei schon mehrmals vorgekommen. Er stellte den Antrag an die Geschäftsordnung, die Abstimmung zu vertagen. Bei vier Gegenstimmen ging dieser Antrag durch. Das hatte sich bereits bei der Diskussion herauskristallisiert, bei der quer durch alle Fraktionen kritische Stimmen zu den Plänen kamen, unter anderem von Maximilian Hartleitner (FDP), Elfi Klein (Grüne) Eva Kienzle (Freie Wähler), Benjamin Leinsle (CSU) und Monika Strohmayer (parteilos). Die meisten Stadträte sind der Meinung, dass sich auch die geänderte Version nicht in die umgebende Bebauung einfügt. Sie fordern eine Reduzierung der Wohneinheiten und damit auch der Gebäudehöhe. Die Verwaltung soll nun prüfen, ob für den Bereich ein Bebauungsplan erlassen werden kann – samt Veränderungssperre. Diese untersagt dort alle wertsteigernden Maßnahmen. Hubert Zecherle (parteilos) kritisierte den Beschluss: „Der Bauwerber hält sich an alle Rechtsnormen und wird dann von uns abgewatscht?“

    Dort sieht die Sache etwas anders aus. Das bestehende landwirtschaftliche Anwesen an der Jörg-Lederer-Straße (zur Einmündung an der Hausener Straße) soll durch ein Mehrfamilienhaus (acht Wohneinheiten) und ein Doppelhaus – jeweils zwei Geschosse plus ausgebautes Dachgeschoss – ersetzt werden. Nach mehreren kritischen Stimmen von Dorfbewohnern und einem Ortstermin mit anschließender Diskussion des Bauausschusses(wir berichteten) hat der Antragsteller die Pläne ebenfalls geändert. Der kubusartig geplante Vorbau ist nun in deutlich reduzierter Form vorgesehen, erläuterte Müßig. Die Garage im Kurvenbereich fällt weg und an der Hausener Straße soll ein Gehweg von 1,50 Meter angelegt werden. Der Antragsteller sei bereit, dafür Grund abzutreten.

    Auch hier entwickelte sich eine kontroverse Diskussion. Immer wieder fiel der Begriff „dörflicher Charakter“. Und immer wieder war die Wehmut herauszuhören, dass stattliche landwirtschaftliche Anwesen verschwinden und durch 08/15-Neubauten ersetzt werden. Grieb brachte auch für Honsolgen eine Veränderungssperre ins Gespräch und schlug vor, für den gesamten Stadtteil einen Bebauungsplan zu erarbeiten, wie es unter anderem bei der Bürgerversammlung angeregt worden war. „Wenn wir jetzt zustimmen, ist dem nächsten Bauvorhaben Tür und Tor geöffnet und wir hätten keine Lenkungsmöglichkeit mehr“, warnte er.

    Franz Lang (Freie Wähler) sagte, „Honsolgen ist ein Dorf und soll auch ein Dorf bleiben“. Die Erstellung eines Bebauungsplanes dauere vermutlich zwei bis drei Jahre, aber „wir müssen es vernünftig machen“. Robert Pöschl (CSU) stellte hingegen die Fragen: „Was ist dörflicher Charakter im Jahr 2019? Und was war er 1919, als es noch überall eine florierende Landwirtschaft mit vielen Kleinbetrieben gab?“ Der Strukturwandel schlage sich auch auf die Bebauung nieder. Ein Bebauungsplan für den ganzen Ort bedeute massive Eingriffe für alle Häuslebesitzer. Sein Fraktionskollege Benjamin Leinsle appellierte an die Honsolgener, ihre alten Anwesen und Grundstücke zu behalten und nicht an Bauträger zu verkaufen, nur dann hätten sie in der Hand, was damit passiert. Elfi Klein findet die veränderte Planung verträglich und konnte sich mit den zehn Wohneinheiten anfreunden.

    Als positives Beispiel für Nachverdichtung nannte Josef Rid (Freie Wähler) die neuen Häuser an der Augsburger Straße in Buchloe in der Nähe der Stephanskirche, dem ältesten Bereich der Stadt. Dort sei trotz Neubauten der Charakter erhalten geblieben. Helmut Jambor (SPD) sagte, dass es sich um einen „Kampf gegen Windmühlen“ handle. Die Entwicklung werde sich aufgrund des Zuzugsdrucks nicht aufhalten lassen. „Wir sollten großzügiger sein – auch in der Architektur.“

    Im Gegensatz zur Alpenstraße lehnte die Mehrheit des Gremiums den Antrag, die Abstimmung zu verschieben, ab – und sprach sich anschließend dafür aus, das Einvernehmen zum geänderten Bauantrag zu erteilen. Nichtsdestotrotz soll bei einer gesonderten Bürgerversammlung mit Fachreferenten diskutiert werden, ob es sinnvoll ist, dass Honsolgen einen Bebauungsplan bekommt.

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