Mehr Anstand und Respekt voreinander, mehr Ehrlichkeit und eine Konzentration auf Sachthemen - diese Forderungen zogen sich wie ein roter Faden durch die Gespräche, die die beiden BZ-Redakteure Karin Hehl und Matthias Kleber am Montagmittag mit Leserinnen und Lesern der Buchloer Zeitung führten. Bei der Aktion „BZ vor Ort“ wollten sie herausfinden, welche Erwartungen sie - drei Wochen vor der Bundestagswahl - an die Politik haben. Am BZ-Stand in der Neuen Mitte erfuhren sie, welche Themen die Bürgerinnen und Bürger umtreiben und was die Volksvertreter besser machen sollen. Eines stellte sich dabei heraus: Viele sind noch hin- und hergerissen, wem sie am 23. Februar ihre Stimme geben sollen. Ein Besucher des BZ-Standes gab gar unumwunden zu: „Ich kann deswegen schon gar nicht mehr richtig schlafen.“
Anstand, Sprache, Menschlichkeit
„Man muss den Dampf etwas aus dem Kessel lassen“, fordert Regina Reichart. Politiker sollten ihrer Meinung nach „nicht zu schnell handeln, sondern genauer hinschauen und ihren gesunden Menschenverstand bei Entscheidungen einsetzen“ - auch beim Thema Migration. Hier komme es auf „Anstand und Sprache, vor allem aber auf Menschlichkeit an“. Man dürfe die Not anderer nicht für eigene politische Interessen ausnutzen, meint die Buchloerin. Dabei ist das Thema Migration in ihren Augen nicht das Wichtigste: „Meiner Meinung nach ist der Schutz unseres Klimas am drängendsten.“ Das sieht auch Peter Hack so: „Die Transformation unserer Gesellschaft zur Klimaneutralität muss weiter vorangetrieben werden.“ Denn ohne ein stabiles Klima gebe es kein Wachstum.

„Es geht darum, Kompromisse zu finden“
Eva Krüger fordert von der neuen Regierung: „Die Versprechungen müssen eingehalten werden.“ Auch sie hofft, dass die Politiker den Umweltschutz nicht aus den Augen verlieren und diesen weiter vorantreiben. Weiter nennt sie die Straßen, Schulen, den Bahnverkehr – generell die Infrastruktur in Deutschland – als Felder, bei denen nachgebessert werden müsse. Mit Blick auf die Kriege in der Welt sagt Krüger: „Und wir müssen uns auch verteidigen können.“ Die Art und Weise, wie der Wahlkampf heuer geführt wird, könne sie nicht gutheißen. „Vieles geht unter die Gürtellinie.“ In einer Demokratie gehe es darum, Kompromisse zu finden, nicht darum, „sich gegenseitig niederzumachen“.
Das Thema Migration müsse auf europäischer Ebene gesehen und gelöst werden, meint Angelika Hanneder. Dabei steht für sie außer Frage, dass man Hilfsbedürftigen helfen müsse, denn „oft sind es ja die Industrienationen, die Schuld sind an deren Problemen“, weiß Hanneder, die sich viele Jahre im Buchloer Weltladen engagiert hat. Von der neuen Regierung wünsche sie sich, dass die demokratischen Parteien wieder „vernünftig zusammenarbeiten“. Denn die „ewigen Schuldzuweisungen regen mich wirklich auf“. Wichtig sei es dabei, Aussagen „auf der Basis des gültigen Rechts zu treffen“ und die „Leute nicht gegeneinander aufzuhetzen“.
Verunsichert durch die Merz-Abstimmung
Genau das sei in den vergangenen drei Jahren passiert, hat Erwin Beutlrock beobachtet: „Jeder hat jeden beschimpft und versucht, die anderen gegeneinander auszuspielen.“ Die jüngst von Friedrich Merz initiierte Abstimmung zum Thema Migration habe ihn „sehr verunsichert“. Merz habe damit ein politisches Eigentor geschossen. Dabei brauche Deutschland gerade jetzt einen „soliden Kanzler“. Auch Hans Wörishofer spricht sich für „standhafte Politiker“ aus. Erwin Beutelrock fordert zudem, dass die jeweiligen Ressorts nicht mit fachfremdem Personal, sondern mit Ministern besetzt werden, „die sich auf dem Gebiet auskennen“.
Verunsicherung macht sich auch bei Heidi Meier breit: „Man weiß gar nicht mehr, wen man wählen soll.“ Bis zum 23. Februar wird sie es wissen. „Ich gehe auf jeden Fall wählen, denn ich will nicht, dass die AfD noch stärker wird.“ Eine schwarz-gelbe Koalition wäre ihrer Meinung „mal was anderes“. Wichtigste Themen sind in ihren Augen eine bessere Infrastruktur und Investitionen in die Bildung. Auch für die Integration solle Geld ausgeben werden, denn „wir brauchen die, die was können“.
„Weg vom Föderalismus in der Bildung“
Volker Sengelaub ist im Vorfeld der Abstimmung am 23. Februar ebenfalls noch „sehr zerrissen“. Klar ist für ihn jedoch: In Sachen Bildung „müssen wir weg vom Föderalismus“. Es könne nicht sein, dass jeder sein eigenes Süppchen kocht, vielmehr sollten die Länder gemeinsame Sache machen, sich abstimmen und das Bildungssystem so auf Vordermann bringen. Der Buchloer glaubt: Eine der Hauptaufgaben für die neue Regierung wird sein, „das Geld, das durch die Steuereinnahmen eingenommen wird, richtig einzusetzen.“ Ob Verteidigungs-, Wirtschafts- oder Sozialsektor: „Es gibt so viele Bereiche, in denen es hapert“, sagt der 77-Jährige. Seine Frau Monika Sengelaub (74) fordert von den Politikern „ein ehrliches Miteinander“. Weil sie selbst viel mit der Bahn unterwegs sei, komme sie mitunter an Bahnhöfe, die in viel schlechterem Zustand seien als der in der Gennachstadt. „Zum Beispiel in Kaufbeuren“, sagt Sengelaub. Zwar sei die Sanierung der Bahn-Infrastruktur wünschenswert und dringend, sie glaubt aber nicht, dass dieser Punkt weit oben auf der politischen Agenda zu finden ist.
„Politiker sind momentan keine Vorbilder“
Dass Entscheidungen getroffen werden, die die christliche Nächstenliebe in den Vordergrund stellen, darauf hofft Manuela. Besonders der Schutz des ungeborenen Lebens ist der 39-jährigen Frau aus Buchloe wichtig. Allgemein sollten Themen „mehr sachlich und fachlich diskutiert werden“. Denn: „So wie die Politiker momentan agieren, sind sie keine Vorbilder.“
„Ich glaube, die Leute spüren, dass es nicht immer so weitergehen kann, wie bisher“, meint eine 75-Jährige. Es gebe nun mal kein „ewiges Wachstum“. Die Frau, die ihren Namen nicht nennen wollte, wünscht sich „mehr Anstand und höflichere Umgangsformen“. Auch sollte mehr in die Tiefe gegangen und nicht nur oberflächlich diskutiert werden. Dabei werde „vieles nur aufgebauscht“. Politiker sollten Themen aufgreifen, die die Zukunft der Kinder verbessern können.
Wenig Hoffnung, dass sich nach der Wahl viel ändern wird, hat Werner Hasubik aus Lindenberg: „Ich frage mich aber: Musste das mit der Abstimmung von Merz letzte Woche sein?“ Künftig gehe es schließlich wieder darum, die Probleme gemeinsam zu lösen. Dabei hat er einen Bereich ausgemacht, der ihm besonders wichtig erscheint: „Unsere Wirtschaft braucht dringend neuen Schwung.“
Das findet auch Evi Kienzle aus Buchloe: Es brauche mehr Stabilität – vor allem für den Mittelstand und das Handwerk. Zudem müsse das Gesundheitssystem strukturell und finanziell zukunftssicher gemacht werden, und sie fordert sichere Renten. „Die Bevölkerung wird immer älter und es soll niemand, der immer gearbeitet hat, in die Altersarmut fallen müssen.“ Sie berichtet weiter: „Viele Politiker auf Bundesebene planen Veränderungen, erklären aber oft nicht, was diese für den Einzelnen bedeuten.“ Daher gelte für sie: „Mehr auf die Kommunalpolitik hören. Die sind immer nah am Bürger.“
Bürokratie als großes Hindernis
Eine ganze Liste an Wünschen, Forderungen und Hoffnungen hat Christa Völk aus Waal mitgebracht. Zu einem zunehmenden Hindernis in Deutschland werde die überbordende Bürokratie, sagt sie. Ob in der Landwirtschaft, in der Gastronomie, im sozialen Bereich oder bei der Übergabe hiesiger Betriebe an Nachfolger: „Mit zu viel Bürokratie und Vorschriften vergraulen wir die Leute“, ist sich Völk sicher. Sie wünscht sich, dass Entscheidungsträger wieder mehr den Kontakt zu den Betroffenen suchen, die Politik müsse den Fokus auf den Menschen legen und weg von populistischen Aussagen kommen. Das Heizungsgesetz und die Krankenhausreform nennt die Waalerin als Beispiele für Maßnahmen, die ohne Weitsicht „von oben herab entschieden wurden“. Weitere Themen, die sie mitgebracht hatte, waren unter anderem: Tempo 130 auf Autobahnen, das „man einfach und wenigstens tagsüber“ einführen könne, der bundesweite Stromausbau, „den wir seit Jahren verschlafen“, oder die Maut, deren Wirkung „im Sande verlaufen“ sei. Abschließend betont sie, dass die Gesellschaft angesichts der rasanten Digitalisierung diejenigen nicht vergessen dürfe, „die kein Smartphone haben“. Ob sie schon weiß, wen sie wählen wird? Völk schüttelt mit dem Kopf: „So unentschlossen wie dieses Mal war ich noch nie.“
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