Von Juni 1944 bis April 1945 wurden rund 23.000 Häftlinge als Zwangsarbeiter nach Landsberg deportiert, um dort drei unterirdische, bombensichere Flugzeugfabriken zu errichten. Sie wurden in zehn Außenlagern des KZ-Außenlagerkomplexes Kaufering des KZ Dachau untergebracht. Die schwere Arbeit und die menschenunwürdigen Bedingungen, wie mangelnde oder fehlende Verpflegung, Krankheit und Kälte, sorgten für große Opferzahlen bei den KZ-Häftlingen. Über 6300 Zwangsarbeiter überlebten nicht. Ende April 1945 wurden die KZ-Außenlager von den Alliierten befreit. Das ist 80 Jahre her. Bei einer Gedenkveranstaltung in der Untertageanlage der Welfenkaserne bei Landsberg wurde an die Opfer erinnert. Dabei waren das Wiedererstarken nationalen Gedankenguts und die Sorge um die Demokratie Themen der Reden unter anderem von Landtagspräsidentin Ilse Aigner und der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch.
Im Jahr 2011 wurde in der zwischen Landsberg und Igling gelegenen Welfenkaserne eine Militärgeschichtliche Sammlung eröffnet, die die Geschichte des im Zweiten Weltkrieg errichteten Rüstungsbunkers „Weingut II“ erzählt. Die Arbeiten an den beiden anderen Bunkeranlagen waren um die Jahreswende 1944/1945 eingestellt worden. Neben der Nutzung als Munitionsdepot und Sprengplatz der US-Truppen bis 1955, dem „Innenausbau“ zur geplanten Lagerung von nuklear bestückbaren Marschflugkörpern vom Typ Matador im Kalten Krieg sowie der späteren Nutzung durch die Bundeswehr wird an diesem Ort vorrangig an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnert.
Der Überlebende Abba Naor war bei der Befreiung 17 Jahre alt
Die Hauptpersonen der Gedenkfeier anlässlich der Befreiung vor 80 Jahren sind die Überlebenden. Stellvertretend für sie tritt Abba Naor ans Rednerpult. Der 97-Jährige war am Tag der Befreiung 17 Jahre alt. „Ich war alleine, eigentlich ohne Zukunft“, blickt er zurück. Noch heute fragt er sich, wie er den Alltag rund um den Bunkerbau im Frauenwald überlebt hat. 50 Kilogramm schwere Zementsäcke musste er tragen, oft zwölf Stunden lang. Danach schleppte er sich, schwach und halb verhungert, zurück in neun Kilometer entfernte Lager, um am nächsten Tag wieder zur Baustelle zurückzukehren. „Die meisten haben das nicht überlebt.“

An das menschenverachtende Motto der Nationalsozialisten, die „Vernichtung durch Arbeit“, erinnerte Ilse Aigner in ihrer Rede und daran, dass KZ-Häftlinge während der Arbeit lebendig begraben wurden, im flüssigen Beton, und nun Teil der Bunkeranlage sind. Daran zu erinnern, sei heutzutage wichtiger denn je. Den Rufen nach einem Schlussstrich müsse das Gedenken entgegengesetzt werden. „Es geht um unsere Zukunft, dazu brauchen wir Erinnerung.“ Die Attacken auf die freiheitliche Demokratie seien ebenso wenig zu dulden, wie jene gegen jüdische Mitbürger. Es gelte das Freund-Feind-Denken zu bekämpfen, denn am Ende würde sich eine Mehrheit gegen eine Minderheit aussprechen, am Ende würde die Idee sich durchsetzen, dass es Menschen gibt, die weniger wert sind, als andere.

Charlotte Knobloch sprach in ihrem Gedenkwort von der Bunkeranlage als einem Ort unvorstellbaren Grauens, an dem Menschen kaltblütig zu Tode gequält worden seien. Die Befreiung Ende April 1945 sei ein Sieg der Menschlichkeit gewesen. Diese Befreiung sei Mahnung, es nie wieder so weit kommen zu lassen.

Für die Stadt Landsberg, den Markt Kaufering und die Bundeswehr sprach Standortältester, Oberstleutnant Bernd Herrmann bei der Gedenkfeier. Er dankte den Überlebenden, die trotz vieler Strapazen an den Ort zurückgekehrt seien, den sie mit so viel Grauen in Verbindung bringen. Beim Bau des Bunkers, aber auch in den KZ-Außenlagern, seien die Häftlinge bestialisch gequält worden. Dies in Erinnerung zu rufen, sei eine historische Verantwortung. Deswegen sei es beängstigend, dass Antisemitismus mittlerweile wieder zum Alltag gehöre. Der Satz, „Nie wieder ist jetzt“, den auch er bei der Gedenkfeier im vergangenen Jahr benutzt habe, sei zuletzt nicht mehr so häufig verwendet worden. „Rassistische Übergriffe und Anfeindungen sollten uns dazu veranlassen, unsere Handlungsoptionen anzupassen“, sagte Bernd Herrmann. Eine Stärkung der Demokratie sei notwendig.
Neue Ausstellung in der Militärgeschichtlichen Sammlung
Am Ende der Gedenkfeier stand die feierliche Eröffnung einer weiteren Ausstellung in der Militärgeschichtlichen Sammlung. Sie beschäftigt sich mit Dr. Zalman Grinberg, dem Leiter des DP Hospital Sankt Ottilien. Der Arzt aus Litauen war Häftling im KZ-Außenlager Kaufering IV bei Hurlach. Ende April 1945 sollten er und andere Häftlinge in einen Güterzug Richtung Tirol gebracht werden, dieser wurde aber bei Schwabhausen wegen eines Tieffliegerangriffs gestoppt. Die SS-Wachleute flohen, viele Häftlinge starben bei dem Beschuss oder wurden verletzt. Zalman Grinberg sorgte für die Einquartierung der Häftlinge und der Verletzten im nahegelegenen Kloster St. Ottilien. Nach Kriegsende baute er mit KZ-Überlebenden in St. Ottilien ein DP-Lager, ein Krankenhaus und eine Pflegestation zunächst für kranke ehemalige KZ-Häftlinge und dann für die große Zahl jüdischer Flüchtlinge aus Osteuropa auf. Das Krankenhaus bestand bis November 1948.

Für die musikalische Gestaltung der Gedenkfeier sorgte das Schülerblasorchester St. Ottilien unter der Leitung von Ulrich Sießmeir und dem Dirigenten Hans-Günter Schwanzer sowie das Ensemble Katharina Kraus (Violoine) und Lisa Pokorny (Cello). Der Rabbiner Jochanan Guggenheim sowie Militärpfarrerin Sandra Gassert und Militärpfarrer Jürgen Stahl sprachen ein gemeinsames Gebet. Für einen Schreckmoment sorgte ein junger Soldat, der wegen Kreislaufproblemen zu Boden stürzte und sich im Gesicht verletzte.
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