14 Jugendliche des Joseph-Bernhart-Gymnasiums ist es gelungen, den dunkelsten Teil der Ortsgeschichte von Türkheim neu und für jeden schnell erreichbar zu vermitteln. Die selbst gestaltete und selbst programmierte App „KZ Außenlager Türkheim“ vereint geschichtliche Informationen, Bilder und Audiodateien eines Zeitzeugeninterviews. Bis zum 1. Juli soll sie fertig und frei zugänglich sein.
Sich in so jungen Jahren freiwillig mit dem schweren Thema Konzentrationslager auseinanderzusetzen ist nicht alltäglich. „Es ist echt krass wieviel Glück wir haben, dass wir diese Zeit verpasst haben“, sagt Elias nachdenklich. Das Interesse am Themenkomplex Konzentrationslager sei bei vielen schon in der 9. Klasse durch eine Fahrt nach Dachau geweckt worden, so dass sich eine stolze Anzahl von 14 Schülerinnen und Schülern für das Projekt-Seminar „Erinnerungskultur“ entschied, das von Geschichtslehrer Roland Deininger geleitet wird. Aufgrund des 80. Jahrestages der Befreiung wurde das KZ-Außenlager Türkheim ausgewählt.
„Das ist ein riesen Thema, weil wir vor Ort betroffen sind“, betont Deininger. Durch den persönlichen Kontakt mit Betroffenen werde den Seminarteilnehmern das Ausmaß dessen, was passiert ist, noch bewusster. Die Art der Themenumsetzung durften die Elftklässler selbst bestimmen. „Man liest die Geschichte in Büchern und sieht Filme und hat keinen näheren Bezug dazu“, erklärt Marina, beim gemeinsamen Brainstorming stand das Ergebnis deshalb schnell fest: Eine selbst programmierte App sollte es werden. In vier Arbeitsgruppen starteten die 16- bis 18-Jährigen hoch motiviert durch. Das Buch „KZ Türkheim“ von Alois Epple diente als Grundlage für die allgemeinen Informationen in der App, zudem setzten sich Annalena und Noémi mit der KZ-Gedenkstätte Dachau in Verbindung, um Bildmaterial zu erhalten.
„Das Thema ist wirklich brutal, das erdrückt einen schon“, findet die 18-jährige Noémi
„Das Thema ist wirklich brutal, das erdrückt einen schon“, betont die 18-jährige Noémi, allzu lange am Stück könne man sich nicht damit beschäftigen. Marina engagierte sich in der Arbeitsgruppe Zeitzeugeninterviews und besuchte mit einigen Mitschülern Max Keppeler, der acht Jahre alt war, als das Konzentrationslager nördlich des oberen Türkheimer Bahnhofs errichtet wurde. „Es war sehr interessant, er hat sehr viel geredet und ihm sind die Tränen in den Augen gestanden“, erinnert sie sich gerührt, „man hat auch mitgefühlt in der Situation“.

Max Keppeler erlaubte den Schülern sogar, Audioaufnahmen anzufertigen. In der App sind diese etwas gekürzt nachgesprochen. Nutzerinnen und Nutzer können Keppeler über Schaltflächen selbst „befragen“. Es lassen sich einzelne Fragen wie zum Beispiel „Wie war das Leben im Außenlager?“ oder „Wie haben Sie das Kriegsende wahrgenommen?“ abspielen.
Die Schülerinnen und Schüler suchen jetzt noch weitere Zeitzeugen
Die „Arbeitsgruppe App“ hat ebenso ganze Arbeit geleistet, in jugendlich ansprechendem Design ist die App heute schon voll funktionsfähig und wird in den nächsten Wochen inhaltlich noch weiter ergänzt. Nachwuchs-App-Experte Daniel übernahm das Programmieren und steckte hoch motiviert viele Stunden Freizeit in das besondere Projekt. Ruft man die App „KZ Außenlager Türkheim“ auf, sieht man auf dem Startbildschirm einen von den Schülerinnen und Schülern selbst nachgezeichneten Lageplan des Konzentrationslagers sowie sechs Fotos, die sich durch Anklicken vergrößern lassen und die Bildunterschrift offenbaren.

Die allgemeinen Informationen zum KZ sind prägnant und kurz gehalten, so dass man die Lust am Lesen nicht verliert. Die Audiodateien beinhalten derzeit vier Interviewfragen an Max Keppeler, die Bemühung um weitere Zeitzeugen ist groß. Komplett fertig sein soll die App bis zum 1. Juli 2025, dann wird sie schulintern den 11. Klassen vorgestellt - die Präsentation wird ebenso von einer Arbeitsgruppe des Projekt-Seminars vorbereitet und organisiert. Ziel ist es, die App frei zugänglich zu machen. „Es sind alle motiviert dabei und es wird gut umgesetzt, ich kann mir gut vorstellen, dass es funktioniert“, freut sich Roland Deininger.
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