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Buchloe
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Was Gräber am Buchloer Friedhof erzählen

Tradition und Gedenken

Mit den Gräbern verschwinden die  Erinnerungen

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    Vor Allerheiligen werden die Gräber am Buchloer Friedhof besonders aufwändig geschmückt.
    Vor Allerheiligen werden die Gräber am Buchloer Friedhof besonders aufwändig geschmückt. Foto: Karin Hehl

    Gelbgold leuchten die Blätter der Bäume am Buchloer Friedhof. Ein Rabe krächzt. Er schwingt sich aus einem Baum und lässt sich vom warmen Herbstwind hoch in die Lüfte tragen. Bauhof-Mitarbeiter Michael Lips hat den Vogel aufgeschreckt. Er bearbeitet mit seinem knatternden Rasenmäher die Grünflächen zwischen den Gräbern. Zwei Frauen treffen sich zwischen den Grabreihen auf einen kurzen Ratsch und ein Mann beobachtet von einer Bank aus das Geschehen: Mühsam verstaut ein älteres Ehepaar einen Sack Erde und eine Schale mit Blumen auf einem Handkarren. Sie machen sich auf den Weg zum Familiengrab.

    Gräber in Buchloe werden aufwändig geschmückt

    Kurz vor Allerheiligen herrscht ein reges Kommen und Gehen am Buchloer Friedhof. Rechtzeitig zum Gedenktag der Verstorbenen werden die Gräber besonders aufwendig geschmückt und hergerichtet.

    Zwei- bis dreimal pro Woche komme sie hierher, erzählt eine 83-jährige Buchloerin. Sie kümmert sich gleich um zwei Familiengräber. Gerade eben hat sie noch den Weihwasserkessel am Grab einer Freundin ausgewischt. „Ich will, dass meine Gräber sauber sind“, sagt die Frau und betont, der Besuch auf dem Gottesacker sei ihr sehr wichtig. „Ich muss einfach bei meinen Leuten sein.“ Ihre Leute, das sind die Eltern und der Bruder. Mit ihnen führe sie jedes Mal stille Gespräche und bete für sie, erklärt die Seniorin.

    Über die Berufe der Verstorbenen

    Ganz in der Nähe schüttet ein Ehepaar frisch gesiebte Erde auf ein Grab. „Ich kenne hier auf dem Friedhof inzwischen mehr Menschen, als in der Stadt“, scherzt der Mann. Den ehemaligen „Reichsbahngehilfen“, der nur wenige Grabstellen östlich begraben liegt, den kennt er jedoch nicht.

    Die Inschrift auf vielen alten Grabsteinen weist noch auf die Berufe der Verstorbenen hin. Besonders ausgeprägt scheint das Standesbewusstsein bei den Handwerkern gewesen zu sein. So liegen am Buchloer Friedhof gleich mehrere Maler- und Metzgermeister, Bäcker- oder Baumeister begraben.

    Auch ein „Textilkaufmann aus Karlsbad“ fand dort seine letzte Ruhe. „Aus dem Böhmerwald“ – auch dieser Hinweis findet sich auf dem ein oder anderen Grab am Buchloer Friedhof. Die Stadt wurde nach dem Zweiten Weltkrieg vielen vertriebenen Menschen zur neuen Heimat und letztlich zur ewigen Ruhestätte.

    Immer wieder: Spuren des Zweiten Weltkriegs

    Überhaupt: Immer wieder findet man Spuren den Zweiten Weltkriegs auf den Grabsteinen. Etwa bei einer Familie, deren Söhne – Herbert und Kurt – noch kurz vor Ende des Krieges im Februar und im April 1945 gefallen sind. Fast wie eine Antwort auf dieses sinnlose Sterben klingt da der Spruch: „Gott weiß warum!“ Diese verblichene Inschrift findet sich auf einem anderen Familiengrab.

    So unterschiedlich wie die Menschen, so unterschiedlich ist auch der Geschmack der Hinterbliebenen bei der Grabgestaltung. Während sich auf der einen Grabstätte viele Engelchen fast auf die Flügel treten, lässt ein anderer den Efeu über die Steine wuchern.

    Was besonders auffällt: Monumentale Familiengruften gibt es nur noch wenige. Viele der alten Grabstätten wurden inzwischen ganz aufgegeben. Große Lücken klaffen daher zwischen den Reihen. „Wenn alles aufgelöst wird, verschwinden auch die Namen und damit die Erinnerungen“, bedauert eine Buchloerin.

    Immer mehr Urnengräber

    Ein anderer Friedhofsbesucher meint: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Stadt gerade die alten Gräber erhält.“ Aber er verstehe auch, dass es rechtliche Probleme geben könnte, wenn deren Standsicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann. Kleinere Grabstätten sieht man dafür in Buchloe inzwischen immer häufiger – ebenso wie Urnengräber am Boden, in Wänden oder in Stelen.

    Manche der neueren Gedenkstätten sind schlicht gehalten. Ein einfaches Holzkreuz etwa schmückt eines der Gräber. Dort wurde vor nicht allzu langer Zeit eine Frau beigesetzt. „Gleich nach der Beerdigung standen auf einmal eine Flasche Saft, eine Packung Kekse und Schokolade am Grab“, erzählt eine Grabbesitzerin aus der Nachbarschaft und meint: „Vielleicht ist das so Sitte in dem Land, aus dem die Frau stammt.“

    Besonders schwer zu tragen haben an diesem sonnigen Herbstnachmittag die beiden Steinmetze Anton Haßlbeck und David Tomas. Sie fassen ein Grab neu ein. „Jeder will, dass so etwas vor Allerheiligen noch fertig gemacht wird“, weiß Tomas. Dass alles ordentlich aussieht, ist auch Michael Lips vom Bauhof wichtig. Deshalb hat er seinen Rasenmäher inzwischen gegen einen kleines oranges Arbeitsgefährt eingetauscht – auch damit scheucht er wieder die Raben auf. Ruhe kehrt am Buchloer Friedhof erst wieder an Allerheiligen ein.

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