Johannes Prifling erntet in Stiefenhofen mit einem „E-Beetle“ die Samen heimischer Pflanzen, damit diese an anderen Orten des Allgäus ausgesät werden können. Im Hintergrund legt Julia Greulich die Samen zum Trocknen auf Decken. Sie ist Projektleiterin „Natürlich Bayern“ beim Landschaftspflegeverband.
Bild: Thomas Schwarz
Johannes Prifling erntet in Stiefenhofen mit einem „E-Beetle“ die Samen heimischer Pflanzen, damit diese an anderen Orten des Allgäus ausgesät werden können. Im Hintergrund legt Julia Greulich die Samen zum Trocknen auf Decken. Sie ist Projektleiterin „Natürlich Bayern“ beim Landschaftspflegeverband.
Bild: Thomas Schwarz
Etliche Schmetterlinge und Bienen fliegen weg, als Johannes Prifling mit seinem „E-Beetle“ über die Wiese fährt. Doch den Insekten droht keine Gefahr. Denn das Gerät mäht die Kräuter und Gräser nicht ab, sondern bürstet sie: Um auf schonende Weise deren Samen zu gewinnen.
„Uns geht es um regionale Pflanzen“, sagt Julia Greulich. Sie betreut im Allgäu das vom Freistaat geförderte Projekt „Natürlich Bayern“. Ziel ist es, Lebensräume für möglichst viele Insekten zu schaffen. Denn die Vielfalt der Tiere ist wichtig für die Umwelt: Sie bekämpfen Schädlinge (zum Beispiel frisst ein Marienkäfer in seinem Leben rund 40.000 Blattläuse), helfen beim Zersetzen von Böden, bestäuben Pflanzen, fressen Kot und tote Tiere und dienen Vögeln, Säugetieren, Reptilien und Amphibien als Nahrung.
In Deutschland leben rund 33.000 Insektenarten – aber bei fast der Hälfte geht der Bestand zurück. Gründe sind verbaute Flächen, Pestizide, Lichtverschmutzung und auch der Klimawandel. Gegen diesen Rückgang wollen Greulich und Prifling etwas tun – gemeinsam mit den Kommunen im Allgäu. Mitarbeiter von deren Bauhöfen waren jetzt nach Stiefenhofen (Kreis Lindau) eingeladen, um sich mit dem Thema „Regionales Saatgut“ zu beschäftigen. Das Bundesnaturschutzgesetz schreibt seit zwei Jahren vor, dass nur noch „gebietseigenes Saatgut“ in freier Natur ausgebracht werden darf. Ausgesät werden sollen nur noch Wildblumen und Gräser, die aus dieser Gegend kommen – weil sie mit den hiesigen Magerwiesen am besten klar kommen und es auch die passenden Insekten dazu gibt. Auf den entsprechenden Wiesen finden diese Platz für die Nahrungssuche, zur Paarung, als Nistplatz und als Rückzugsort.
Das Gewinnen des Saatguts ist aufwendig und erfolgt meist regelrecht in Handarbeit. Etwas schneller geht es mit technischem Gerät wie dem in der Schweiz entwickelten E-Beetle – der kostet aber bis zu 20.000 Euro. Einfach zugekauft werden kann Saatgut bisher kaum, weil es noch keine Zertifikate dafür gibt. Greulich spricht von einer „Odyssee“. „Dabei ist das politisch von höchster Stelle gewollt“, ergänzt Bernd Brunner vom Amt für Landschaftspflege. Die Kommunen könnten bei der Umsetzung helfen, in dem sie geeignete Flächen für die Aussaat schaffen. „Da beraten wir gern“, sagt Greulich. Dazu gehöre auch, dass das Mähen einer Wiese besser als das Mulchen sei – denn bei Letzterem würden Insekten regelrecht gehäckselt. Zwei Mal mähen pro Jahr sei gut – möglichst erst ab Mitte Juni.
Zurück zu Johannes Prifling auf die Wiese. Er bürstet erst schonend die Samen von den jetzt reifen Pflanzen wie Flockenblume oder Klappertopf. Demnächst kommen Thymian, Schafgarbe oder Hornklee dran. Wenn der Auffangbehälter voll ist, wird das Saatgut zum Trocknen auf hellen Decken ausgebreitet – möglicherweise mit gefangene Insekten können von dort wieder flüchten. Die einzelnen Pflanzenarten werden dokumentiert und in Säcken verpackt – bereit, um anderenorts ausgesät zu werden. „Am besten im Herbst“, rät Greulich: „Weil es dann feucht ist und weniger Bewässerung nötig ist als im Frühjahr oder Sommer.“ Ein weiterer Tipp der Expertin: Auch im Winter Stengel und Stauden stehen und Laub liegen lassen – als Unterschlupf für Insekten.