Gebannt haben die Zuhörer in dem bis auf den letzten Platz besetzten Foyer des Museums der bayrischen Könige in Hohenschwangau den Auftritt Christian Springers mit seinem Programm „Alle machen. Keiner tut was“ gefolgt. Sie erlebten ihn rotwangig, immer in Bewegung mit aufgebrachter oder beschwörender Gestik, humorvoll, wütend, authentisch, zuweilen auch missionarisch. Er setzte gekonnt seine Pointen. Mit bildhafter Sprache baute er seine Anekdoten auf.
Freude machte ihm sein Auftrittsort, wirkte er doch lange Zeit als „Fonsi“, der Kassenwart von Schloss Neuschwanstein. In seiner typisch skurrilen Art wechselte er bei der Überprüfung der Tontechnik im Saal zur Technikbegeisterung König Ludwigs II., der schon deshalb niemals „verrückt“ sein konnte. Die Verbindung zum aktuellen Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ lag auf der Hand. Die Rakete „Strauß Man“ müsste nach seiner Überlegung die Physiognomie des ehemaligen Ministerpräsidenten aufweisen und vorne nicht zugespitzt, sondern sehr breit angelegt sein. Er orakelte: „Dann kommen wir in 21 Jahren nicht einmal nach Berlin, geschweige denn in die Galaxie der Sterne.“ Offensiv beschäftigte er sich mit dem Söder-Ausspruch: „Wer zu uns ins Land kommt, soll sich an unsere Werte halten.“ Aber nach welchen Werten sollen wir uns orientieren?, fragte Springer. Er stellte fest, dass in der Realität nicht das Grundgesetz mit den Begriffen der Würde, der Moral, der Familie vorherrschend sei. Im Vordergrund stünden Blutdruck-, Cholesterin- und Abgaswerte. Er erinnerte an den ehemaligen Umweltminister Alfred Dick, der verstrahltes Milchpulver, das er den Afrikanern verkaufen wollte, in einer Talkshow „g’fressen hat“. Die Pointe folgte: Flugzeugpassagiere, die meinten, sie hätten die „ Allianz-Arena“ strahlen sehen, hatten in Wirklichkeit das Grab von Alfred Dick gesehen. Schließlich stürzte sich Springer auf eine ausführliche Schilderung des Jens-Spahn-Besuches bei einer Hartz-IV-Bezieherin, wobei es für das zeremonielle Protokoll in diesem Fall wahnsinnig schwierig war, ein geeignetes Geschenk zu finden. „Da fehlt’s weit“, sagte Springer, zeigte auf sein Herz und ermahnte: „Menschen, bei denen das Gefühl fehlt, sollten wir nicht zu weit nach oben kommen lassen!“
Im zweiten Teil des Programms ging Springer auch auf seine Biografie ein und erzählte von seinem „Eier-Wurf“ auf Strauß, der diesen aber nicht getroffen habe. Trotzdem musste er 5000 D-Mark Strafe bezahlen und durfte sein Studium nicht beenden. Er meinte lakonisch zum Publikum gewandt: „Diesem Umstand verdanken Sie es, dass ich heute als Kabarettist vor Ihnen stehe.“ Er lobte, dass wir heute in Freiheit leben können und bezeichnete diese als höchstes Kulturgut. Er verwies auf die Entstehung des Volksliedes „Die Gedanken sind frei“. Der Dresdner Knabenchor durfte dieses Lied bei einem Besuch von Politikern und Industriellen in China nicht singen. Aus wirtschaftlichen Gründen folgte kein Protest. Der Kabarettist forderte ein „wenig Mut“ zur Zivilcourage und verwies auf eine Geschichte mit einer Mimose, die nach entsprechender Erfahrung Standfestigkeit zeigte und keine Angst mehr hatte. Eindringlich schilderte er das unvorstellbare Elend im libanesischen Flüchtlingslager mit 1,5 Millionen Flüchtlingen. „Erzähle den Leuten in der Heimat, wie es uns geht“, ist deren größter Wunsch. Mit seinem Verein „Orienthilfe“ hat er schon Hunderttausenden von ihnen geholfen.
Nach langem Beifall gab Springer noch eine Zugabe. Er verwies auf den Spruch „Mia san mia“. Er bewies, Bayern ist ein Schmelztiegel aus Kelten, Bajuwaren, Langobarden und Römern. Zum Schluss forderte er die Zuhörer auf: „Seid’s nett zu den Flüchtlingen. Die Verwandtschaft kommt.“