Mehr als 300 Jahre: So lange wohnen und wirken die Eberles schon in ihrem Haus an der Tiroler Straße in Pfronten. Auf wie viele Generationen die Handwerker-, Künstler- und Sportfamilie zurückblickt, kann Glasermeister und Glasmaler Tobias Eberle nicht sagen. Klar ist nur: Es waren sehr viele und die waren ziemlich erfolgreich.
Ein Auftrag von König Ludwig
Sogar in den Chroniken des bayerischen Königshauses taucht ihr Name auf: Syrius Eberle, an den heute eine Büste beim Haus des Gastes erinnert, hatte die Prunkkutsche für Märchenkönig Ludwig II. entworfen und gebaut. Und Schloss Neuschwanstein gehört bis heute zu den Wirkungsstätten der Eberles, neben vielen anderen historischen Bauwerken. Dank ihrer langen Geschichte verfügt die Glaserei über ein breites Spektrum an Material, das bei Restaurierungen gebraucht wird. Vom großen Erfahrungsschatz ganz abgesehen. Gleichzeitig hält sich der Betrieb ständig über aktuelle Trends auf dem Laufenden wie beispielsweise den Digitaldruck. Eine so gestaltete Glasscheibe wird statt Fliesen in Duschkabinen oder Küchen immer beliebter, sagt Eberle. Auch sandgestrahlte oder mit Verschmelzen ("Fusing") erzeugte Dekoelemente sowie LED-Technik mit Lichtführung durchs Glas gehören zum breiten Repertoire des zehnköpfigen Glasereiteams.
Vier Bundes- und zehn Landessieger kommen aus der Glaserei
Altes Handwerk beherrscht es ebenso wie die neusten Techniken. Gute Voraussetzungen für eine umfassende Ausbildung: So hat die Glaserei in den vergangenen 30 Jahren vier Bundes- und zehn Landessieger hervorgebracht. Eberles eigene Erfolge sind dabei nicht mitgerechnet: Die hat er ja bei einem anderen Betrieb erzielt. Die Silberne Ehrennadel des Schwäbischen Handwerks, eine der jüngsten seiner vielen Auszeichnungen, gilt aber ihm als Ausbilder und damit seinem Betrieb.
Kammersieger und Leistungssportler
Wohl einmalig ist in seiner Familie auch die Kombination aus Handwerk und Sport, eindrucksvoll illustriert durch Sohn Luca: Während der 21-Jährige, Kammersieger und Deutscher Vizemeister in der Fachrichtung Verglasung und Glasbau, an seinem Meistertitel arbeitet, den er im kommenden Jahr erwerben will, ist er weiterhin im Leistungssport aktiv: Im März hat er als alpiner Skifahrer an den Deaflympics teilgenommen, der Olympiade der Gehörlosen. Sport und Handwerk unter einen Hut zu bringen, ist nicht einfach, sagt Luca. Auch wenn man sie jahreszeitlich in Blöcken betreibt. Freizeit bleibt da kaum. Zudem werden die Gehörlosensportler, die nicht bei den Paralympics antreten, wenig gefördert. Die Gehörlosensportler leben in ihrer eigenen Bubble, erklärt Eberle. Zudem spart man sich die ständigen Erklärungen, wie sehr sie eingeschränkt sind: Im Ohr sitzt auch das Gleichgewichtsorgan. Ist dann auch noch die Sicht schlecht, fehlen den Gehörlosen gleich mehrere wichtige Sinne. Dennoch startet Luca auch bei FIS- und anderen internationalen Rennen.
Skispringerin muss leider aufhören
Während mit Luca und seinem ein Jahr jüngeren Bruder Joshua, der gerade im Glaserhandwerk eine zweite Ausbildung absolviert, auch die Zukunft des Betriebs gesichert scheint, ist die berufliche Zukunft ihrer Schwester Joanna in der Schwebe. Die 18-Jährige musste gerade aus gesundheitlichen Gründen ihre Karriere als Skispringerin beenden - sie hatte es in 10,5 aktiven Jahren bis in den C-Kader des Deutschen Skiverbands gebracht.
Erst geht es raus in die Welt, heißt die Devise
Dass ihre Kinder im elterlichen Betrieb landen, war für ihre Tobias und Anne Eberle - übrigens eine ehemalige Geräteturnerin - keineswegs ausgemacht. Im Gegenteil: Sie sollten erst raus, etwas von der Welt sehen, Eindrücke und Erfahrungen sammeln, so wie es auch Vater Tobias gemacht hat, der schon in Dachau, Kempten, Augsburg-Haunstetten und Breslau gearbeitet und in vielen weiteren Orten Erfahrungen gesammelt hatte, bevor ihm sein Vater 2001 den Betrieb übergab - zur Hochzeit. "Man kann erst das Daheim schätzen, wenn man weiß, wie es wo anders ist", sagt der 53-Jährige. So sollen es auch seine Kinder halten. Luca musste jedoch seine Lehre im benachbarten Reutte wegen Corona abbrechen: Auf einmal war der Grenzübergang Pfronten-Steinach dicht und fuhr die Außerfernbahn, mit der sonst zur Arbeit gekommen war, nicht mehr nach Tirol. Dass er nun im elterlichen Betrieb arbeitet, was nicht immer ganz einfach ist, und er im kommenden Jahr voraussichtlich den Meistertitel erwirbt, freut seinen Vater aber sehr. Danach will Luca aber erstmals weg. "Für ein bis zwei Jahre auf jeden Fall", sagt er. Was genau er da macht, weiß er noch nicht, es gebe aber viele Möglichkeiten. Dass er in die Fußstapfen seiner Ahnen tritt, ist aber gut möglich. "Ich würde den Betrieb schon gerne übernehmen", sagt er. Die Geschichte der etwas besonderen Pfrontener Familie geht also weiter.