Abstriche im Privatleben, Kürzertreten im Job: Oft ist es nur ein Kind, das sich aufopferungsvoll kümmert, wenn ein Elternteil ein Pflegefall wird und weiter zu Hause leben möchte. Der übrige Nachwuchs des oder der Pflegebedürftigen lässt sich oft nur sonntags zum Kaffeetrinken blicken. Dann kommt der Tag, an dem die zu pflegende Person stirbt. Jetzt verlangt das Kind, das jahrelang Mutter oder Vater gepflegt hat, einen höheren Erbanteil im Vergleich zu den Geschwistern. Was häufig auch berechtigt ist. "Allerdings führt ein solcher Erbausgleich-Anspruch oft zu Streit unter den Hinterbliebenen", sagt Wolfram Theiss, Spezialist für Erbrecht in München.
Grundlage für den Ausgleich-Anspruch ist Paragraf 2057a des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). "Allerdings können sich auf ihn längst nicht alle berufen, die einen Angehörigen zu Hause gepflegt haben, sondern nur die sogenannten Abkömmlinge", erklärt Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht in München. Abkömmlinge - das sind die Kinder, egal, ob ehelich oder nicht ehelich, sowie gegebenenfalls Enkelkinder. Keine Ausgleichszahlung beanspruchen können Schwiegerkinder, der eigene Ehepartner, die eigenen Eltern, Nichten und Neffen, andere Verwandte, die keine direkten Abkömmlinge sind sowie Freunde und Bekannte.
Wie hoch soll der Ausgleich-Anspruch sein?
Besteht nun ein Ausgleich-Anspruch, entzündet sich der Zoff oft an der Frage über die Höhe. "Manchmal schaffen es die Erben, sich zu einigen, manchmal muss ein Gericht entscheiden", sagt Theiss. Er ist Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Ein Pflegender muss seine Tätigkeit und deren Umfang nachweisen. Wobei ein solcher Erbstreit natürlich alles andere als schön ist. Erblasser können ihn von vornherein ausschließen. Zum Beispiel, indem sie per Testament verfügen, dass dem Abkömmling als Dank für die Pflege ein bestimmter Betrag aus dem Nachlass zufließen soll.
Eine andere Möglichkeit: Der pflegebedürftige Elternteil zahlt zu seinen Lebzeiten dem Kind, das sich aufopferungsvoll um ihn kümmert, ein Pflegeentgelt. "Vielen gefällt ein solches Modell zwar auf den ersten Blick nicht, weil sie sich ungern von der eigenen Mutter oder dem eigenen Vater für die Pflege bezahlen lassen wollen", so Theiss. Aber ein solches Entgelt kann dazu beitragen, eines Tages Erbstreit zu vermeiden. Ein Kind, das ein angemessenes Entgelt für die Pflege von Mutter oder Vater bekommen hat, kann laut Paragraf 2057a BGB im Todesfall des oder der Pflegebedürftigen gegenüber den anderen Hinterbliebenen keinen Erbausgleich geltend machen.
Ein Beispiel
Ein Beispiel, wie ein Erbausgleich aussehen könnte. Ein Senior ist die zu pflegende Person, mit seiner Ehefrau hat er drei Kinder. Ein Kind übernimmt die Pflege und erhält kein Pflegeentgelt. Eines Tages stirbt der Mann, ein Testament gibt es nicht. Der Nachlass beträgt 18 000 Euro. "Die Hälfte, also 9000 Euro, gehen an die Ehefrau", rechnet Theiss vor. Es verbleiben 9000 Euro. Die Hinterbliebenen kommen überein, dass die Pflegeleistung des Kindes einen Wert von 3000 Euro hat. Dieser Betrag wird von den 9000 Euro, der den Kindern zusteht, abgezogen. Es verbleiben 6000 Euro. Jedes der drei Kinder erbt 2000 Euro; das Kind, das den Vater gepflegt hat, erhält 5000 Euro.
Es sind aber nicht nur Kinder, die ihre alten Eltern selbstlos pflegen. In Heimen sind es Pflegekräfte, die sich um das Wohlergehen von Patienten sorgen. Können nun Pflegebedürftige dafür sorgen, dass nach ihrem Tod die Pflegekraft quasi als Dankeschön für ihren oft unermüdlichen Einsatz etwas aus dem Nachlass erhält? "Im Grunde ist das nicht möglich, und wenn dann nur in absoluten Ausnahmefällen", sagt Grötsch, der Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht ist. Seinen Angaben zufolge gibt es zwei Ebenen, die ein solches Vermächtnis meist ausschließen.
Landesrechtliche und arbeitsrechliche Regelungen
Zum einen sind es landesrechtliche, zum anderen arbeitsrechtliche Regelungen. Bis zum Jahr 2014 regelte Paragraf 14 des Heimgesetzes, dass weder Träger noch Mitarbeiter von Heimen von den Bewohnern als Erben oder Vermächtnisnehmer benannt werden dürfen. "Der Gesetzgeber wollte damit sicherstellen, dass alle Bewohner im Heim gleichbehandelt werden und niemand sich eine bessere Behandlung sichert, indem das Personal etwa Geld in Aussicht gestellt wird", erklärt Grötsch.
Dieser Paragraf ist seit 2014 durch landesrechtliche Regelungen ersetzt. Demnach dürfen weder Träger noch Leitung noch Mitarbeiter Geld oder geldwerte Leistungen als Extra bekommen. Erlaubt sind nur kleine Aufmerksamkeiten - zum Beispiel ein Trinkgeld.
Aufhebung nur im Einzellfall möglich
Nur in Einzelfällen kann das Verbot für Träger, Heimleitung oder Pflegekraft, eine Erbschaft anzutreten, aufgehoben werden. "Dafür muss der Erblasser bei der zuständigen Behörde einen Antrag stellen", erläutert Grötsch. Bis dahin darf es aber noch kein Testament geben, in dem Träger, Heimleitung oder Pflegekraft bedacht sind. Ein Fachanwalt für Erbrecht oder ein Notar kann beim Antrag helfen. Bei Mitarbeitern von ambulanten Pflegediensten ist es einfacher, sie testamentarisch zu bedenken. Aber: "Auch hier kann etwa eine Pflegekraft per Arbeits- oder Tarifvertrag verpflichtet sein, sich die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen", so Theiss.
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