Die Eltern tragen die immense Gebührenerhöhung mit Fassung. Zumindest die wenigen, die zur Gemeinderatssitzung in Bad Hindelang gekommen sind. Jetzt, in der Corona-Krise, findet die Sitzung im großen Saal des Pfarrheims statt, die Stühle (auch die der Besucher) stehen einzeln, sind weit auseinandergerückt: 365,29 Euro im Monat kostet ein Ganztagsplatz für Kinder unter drei Jahren ab September. Für die älteren (drei bis sechs Jahre) stehen künftig 212 Euro Gebühren monatlich an, abzüglich des 100-Euro-Zuschusses vom Land Bayern. Den gibt es seit einem Jahr für jedes Kind. Dennoch: So tief muss sonst niemand für die Kinderbetreuung im Oberallgäu in die Tasche greifen.
Zweite Bürgermeisterin Editha Kuisle warb um Verständnis seitens der Gemeinde. Die Eltern hätten einen gesetzlichen Anspruch auf Förderung des Kindes in einer Tageseinrichtung. Die Gemeinde müsse die Kosten, so gut es geht, aus Entgelten finanzieren. Der Staat trägt aber einen Großteil – und auch die Gemeinde übernimmt einen Batzen. Viel mehr als alle Eltern zusammen an Gebühren zahlen. Zumindest derzeit. Ein Beispiel: 2019 brachte die Gemeinde 477 000 Euro auf. Die Elternbeiträge beliefen sich auf 58500 Euro. Vom Staat gab es 490 000 Euro. Gesamtkosten also eine Million Euro.
Und jetzt muss eine neue Krippe gebaut werden. Die Kosten dafür, 2,4 Millionen Euro, stehen auf einem anderen Blatt. Aber: Während der Bauarbeiten müssen die Kleinsten, weil es sonst keine andere Möglichkeit gibt, in Containern betreut werden. Und diese Container muss die Gemeinde kaufen oder mieten. Ob so oder so, von mehr als 600 000 Euro an Aufwendungen geht die Gemeinde dafür aus. Zusatzkosten, die die Kinderbetreuung für die Gemeinde verteuern. Die Gemeinde hatte versucht, auf die Containerlösung zu verzichten. Aber das war „aus verschiedenen Gründen nicht möglich“, sagt Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel und verweist auf Gespräche mit Eltern. Zum neuen Kindergartenjahr Anfang September sollen die Container stehen. Die Krippe als Anbau an die Turnhalle wird, so der Zeitplan, bis Spätsommer 2021 gebaut. Dann sollen 200 Kinder aus dem Hauptort Bad Hindelang im bisherigen Kindergarten (in den Ortsteilen Unterjoch beziehungsweise Hinterstein) oder in der benachbarten neuen Krippe für die ganz Kleinen einen Platz finden.
In der Hauptbuchungszeit (vier bis fünf Stunden täglich), zahlen Eltern ab September 60 Euro aus der eigenen Tasche für ein Kindergartenkind. 128,30 Euro müssen Eltern (vier bis fünf Stunden täglich) für ein Kind unter drei Jahren berappen, sofern sie den monatlichen Zuschuss von 100 Euro vom Staat bekommen. Ansonsten kommen die 100 Euro obendrauf. Auf den Zuschuss haben Eltern von Krippenkindern Anspruch, sofern ihr Brutto-Jahreseinkommen (bei einem Kind) weniger als 60 000 Euro beträgt. Aber es gebe Abzugsmöglichkeiten, sagt die Bürgermeisterin, eine ausgebildete Steuerberaterin. Sie betonte, dass die Gemeinde Eltern bei der Beantragung dieses Zuschusses unterstütze. Bei finanziellen Problemen seien auch Einzelfallentscheidungen seitens der Gemeinde möglich, um die Aufwendungen für eine Familie zu senken. Bei zwei Kindern in Betreuung zahlen Eltern für das ältere nur 50 Prozent der Gebühren. Bei drei Kindern ist das älteste frei. Wer ganz wenig verdient oder in der Ausbildung ist, hat Anspruch auf eine Kostenübernahme vom Jugendamt.
"Drastische Erhöhung"
Es sei für niemanden eine leichte Entscheidung, sagte dritter Bürgermeister Tom Karg (FW Bad Oberdorf). Der aktuelle Gemeinderat habe das aber noch beschließen wollen. „Jetzt zahlen die, die Betreuungseinrichtung nutzen“, sagte Kaspar Scholl (CSU). Das sei gerechter, als Steuern für alle zu erhöhen. Stefan Haberstock (FW Hindelang) sprach von einer „auf den ersten Blick drastischen Erhöhung“. In den vergangenen Jahren sei die Gebühr aber kaum angepasst worden. Das sei ein Fehler gewesen, „der uns jetzt auf die Füße fällt“.