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Oberallgäu Kempten Hochzeit: Immer mehr freie Trauungen

Immer mehr freie Trauungen

Zwei Traurednerinnen erzählen, was die freie Trauung so besonders macht

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    Sabrina Haller (im Hintergrund) ist freie Traurednerin. Sie begleitet das Brautpaar über einen langen Zeitraum bis zum finalen Hochzeitstag.
    Sabrina Haller (im Hintergrund) ist freie Traurednerin. Sie begleitet das Brautpaar über einen langen Zeitraum bis zum finalen Hochzeitstag. Foto: Vanessa Hausner

    Sie liegen voll im Trend: freie Trauungen. Im Oberallgäuer und Kemptener Raum geben sich immer mehr junge Paare im Beisein von Traurednern oder Traurednerinnen das Ja-Wort. „Die freie Trauung spricht sich rum“, sagt Sabrina Haller. Die 33-jährige Kemptenerin ist Standesbeamtin und zugleich Traurednerin. „Der Wunsch nach dem Besonderen wird immer größer. Die Brautpaare sehnen sich nach Individualität an ihrem Hochzeitstag.“

    Haller ist ein passendes Beispiel für den Boom. Im März des vergangenen Jahres leitete sie ihre erste freie Trauung. „Ich bin eingesprungen, weil eine Traurednerin krank war.“ Am 20. Mai folgte dann ihre erste eigene. Spätestens seit diesem Tag wusste Haller, dass sie ihren Traumberuf gefunden hat. „Das erfüllt mich einfach. Ich liebe Geschichten und lerne gerne Menschen mit all ihren Ecken und Kanten kennen“, sagt sie.

    Standesamtliche Hochzeit: Fokus liegt auf der rechtlichen Eheschließung

    Deshalb gibt sie zum Ende des Jahres auch ihren Job als Standesbeamtin auf. Dort habe sie nicht ins System gepasst, sagt sie selber. „Der Fokus bei einer standesamtlichen Trauung liegt auf der rechtlichen Eheschließung“, sagt Haller. Auch wenn die Standesbeamten versuchen, in die Zeremonie Persönliches miteinfließen zu lassen, könne diese nicht mit einer freien Trauung gleichgesetzt werden. „Es ist schlussendlich ein bürokratischer Vertrag.“

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    Entgegen dem Boom bei freien Trauungen sinkt zugleich die Anzahl kirchlicher Trauungen. Dies liege aber an der Corona-Pandemie, erklärt das Bistum Augsburg. Doch: „Die Emotionen stehen bei freien Trauungen klar im Fokus“, sagt Haller. In der Kirche sei dies oft nicht der Fall. Je nach Pfarrei ist auch der Ablauf einer Trauung unterschiedlich. Freie und kirchliche Trauungen stehen laut Haller jedoch nicht in Konkurrenz. „Wir können keinen göttlichen Segen aussprechen und wer an die Kirche als Institution glaubt, der wird auch dort heiraten.“ Die ältere Generation versuche zwar oft, den Kindern eine freie Trauung auszureden. „Am Ende sind aber immer alle glücklich.“

    (Lesen Sie auch: Immer mehr Christen verlassen die Kirche: Rekord von 2021 wird wohl bald gebrochen)

    Für die Traurednerin haben der Krieg und die Pandemie den Boom nochmals verstärkt. „Die Liebe ist in solch schwierigen Zeiten noch wichtiger geworden.“ In diesem Jahr ist Haller bei insgesamt neun Hochzeiten im Oberallgäu und Kempten als Traurednerin engagiert worden. Das sei sehr zeitaufwendig. Kennenlerngespräch, Paar- und Einzelsitzungen und ein Besuch der Hochzeitslocation sind nur einige Aufgaben der Traurednerin. Haller kreiert aus den Erzählungen des Brautpaars, der Familien und Freunde eine persönliche Geschichte. Und natürlich ist sie am großen Tag vor Ort, beruhigt den Bräutigam und spricht mit den Gästen. „Ich genieße den Tag immer total.“

    Traurednerin Carolin Eggenberger aus Hirschegg. Sie spricht bei freien Trauungen, Beerdigungen und Kinderwillkommensfesten.
    Traurednerin Carolin Eggenberger aus Hirschegg. Sie spricht bei freien Trauungen, Beerdigungen und Kinderwillkommensfesten. Foto: Galina Eggenberger

    Ganz frisch dabei ist auch Carolin Eggenberger aus Hirschegg im Kleinwalsertal. Die 54-Jährige ist gelernte Stylistin und unterrichtete nach ihrem Studium als Religionslehrerin an der Volksschule in Rietzlern für zehn Jahre. Doch vor drei Jahren fasste sie den Entschluss, freie Rednerin zu werden. Sie war damals auf einer Beerdigung, bei der ein freier Redner die Zeremonie geleitet hatte. „Ich war völlig beeindruckt und überrollt davon, was so ein Redner bewirken kann“, sagt Eggenberger.

    Daraufhin absolvierte die Mutter von drei Kindern einen Kurs und die Prüfung zur zertifizierten freien Rednerin bei der Industrie- und Handelskammer und der Wirtschaftskammer Österreich. Sprach- und Atemtechniken, Körperhaltung, Aufbau einer Rede sowie Ablauf der Feier und Zeitmanagement sind nur einige der Punkte, die man dort lernt, sagt Eggenberger. „Das Brautpaar weiß dann genau, dass es jemanden bekommt, der weiß, was er tut.“ Dennoch passt nicht jeder freie Redner auch zu jedem Brautpaar. Da sind sich Eggenberger und Haller einig. „Die einen wollen etwas Ruhiges, die anderen eher eine quirlige oder spaßige Rede. Als Redner ist es wichtig, sich nicht zu verstellen. Manchmal passt es einfach nicht zusammen“, sagt Eggenberger.

    Kinderwillkommensfeste boomen

    Sie will künftig aber nicht nur Hochzeiten übernehmen, auch Beerdigungen und Kinderwillkommensfeste stehen auf dem Plan. Letztere erleben derzeit einen regelrechten Boom, sagt Eggenberger. „Solche Feiern ersetzen aber keine Taufe.“ Viele Eltern wollten ihre Kinder erst dann taufen, wenn sie sich daran auch erinnern können. Um allerdings das Baby oder Kind in der Familie willkommen zu heißen, gebe es immer häufiger solche Zeremonien.

    Für die freien Redner sind sowohl Trauungen als auch Beerdigungen und Willkommensfeiern kein leichtes Unterfangen, auch wenn sie es mit Herzblut machen. Bei freien Trauungen rechnen Haller und Eggenberger mit über 30 Stunden Vorbereitung pro Brautpaar. Das Honorar bewege sich bei professionellen Traurednerinnen aus der Gegend zwischen 800 und etwa 1800 Euro, sagt Eggenberger. „Eine wunderschöne, individuelle Feier ist das allemal wert.“

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