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Vom Ossi zum Wessi

Oberallgäu

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    15 Jahre Mauerfall: Freude auf Berliner Mauer
    15 Jahre Mauerfall: Freude auf Berliner Mauer Foto: -

    Der 9. November 1989 gehört zu den wichtigsten Daten der deutschen Geschichte. Am heutigen Samstag jährt sich jener denkwürdige Tag, an dem die Berliner Mauer fiel, zum 30. Mal. Bürger aus dem Oberallgäu schildern, wie sie den historischen Tag vor drei Jahrzehnten erlebt haben und welche Bedeutung er für sie heute hat.

    Daniel Winter aus Sonthofen war beim Mauerfall elf Jahre alt und wohnte damals mit seinen Eltern in Gera (Thüringen). Er kann sich noch genau erinnern, dass seine Familie zwei Tage durchgefeiert hat. „Einen Tag nach der Maueröffnung und einen Tag, weil meine Oma Thea Geburtstag hatte.“ Der 9. November 1989 sei deshalb ein besonderer Tag gewesen, „weil danach zwei Staaten wiedervereinigt wurden“, sagt der 41-Jährige. In den Westen ist er mit den Eltern dann aber erst nach ein paar Wochen gefahren. In Bayreuth hat sich Daniel ein Matchbox-Auto gekauft.

    Vor 20 Jahren hat sich der gelernte Gärtner dann mit seiner Freundin Katja, die davor eine Ausbildung zur Hotelkauffrau in der Sonnenalp in Ofterschwang gemacht hatte, entschieden, ins Oberallgäu zu ziehen. Beide fanden gleich Arbeit. Mittlerweile haben sie einen achtjährigen Sohn und eine zweijährige Tochter. Das erste Auto, das sich Winter hier gekauft hat, war ein Opel Corsa. „Das war schon was anderes als ein Trabbi, Wartburg oder Lada.“ Anschluss in der neuen Heimat hat Winter bei den Basketballern des TSV Sonthofen gefunden.

    Am meisten hatte er seine ehemaligen Schulfreunde aus Gera vermisst. Deshalb fuhr er anfangs alle drei Wochen zu seinen Eltern nach Gera. Auch deshalb, weil er nicht auf die geliebte Thüringische Rostbratwurst verzichten wollte. Sorgen bereitet dem 41-Jährigen, dass viele im Osten die AfD wählen. In seiner Heimat Thüringen kam die Partei Ende Oktober bei der Landtagswahl auf 23,4 Prozent. „Viele waren nach der Wende perspektivlos, haben ihre Arbeit verloren, sind noch immer frustriert und wählen aus Protest die AfD“, sagt Winter. „Auch deshalb, weil die Renten und Löhne im Osten immer noch niedriger als im Westen sind“.

    Der Tag des Mauerfalls habe zwar an Bedeutung verloren, sagt Winter. Wenn seine Eltern aber nächste Woche aus Gera kommen, „setzen wir uns sicher zusammen und erzählen von den Jahren vor der Wende. Denn auch meine Kinder sollen erfahren, wie ihre Eltern in der DDR aufgewachsen sind“.

    Der Jubel über das Ende des Arbeiter- und Bauernstaates hielt sich bei Ewert Becker in Grenzen. Als Redakteur der SED-Zeitung „Das Volk“ war der heute 76-Jährige, der in Oberstdorf lebt, „beruflich sehr in dem System eingebunden. So waren am 9. November 1989 die Sorgen um die Zukunft größer als der Fall der Mauer“, sagt Becker. Er und seine Kollegen haben die Zeitung für den nächsten Tag produziert, während draußen die Demonstranten „Schreibt die Wahrheit“ riefen und fast die Redaktion gestürmt hätten.

    Becker hatte Glück. Er behielt seien Job, nachdem eine westdeutsche Zeitung das SED-Blatt übernommen hatte, und bekam im 20 Kilometer entfernten Arnstadt eine Anstellung.

    Als er später als Rentner Urlaub in Süddeutschland machte, gefiel es ihm im Oberallgäu so gut, dass er 2007 seine Sachen packte und mit seiner Ehefrau Eva nach Oberstdorf zog. „Wir sind herzlich aufgenommen worden“, berichtet Becker.

    Doch bei zahlreichen Ostdeutschen sei die Mauer in den Köpfen noch vorhanden. „Viele wurden nach dem Mauerfall mit Versprechungen übers Ohr gehauen und sind immer noch enttäuscht“, sagt der 76-Jährige. Die, die Arbeit hatten, mussten mehr und länger arbeiten. Und viele mussten erfahren, „dass im Kapitalismus der Mensch nicht viel zählt“.Was dem ehemaligen Erfurter am meisten Sorgen bereitet, sind die rechtsradikalen Tendenzen in seiner ehemaligen Heimat. „Das ist eine schlimme Entwicklung“, sagt Becker.

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